Im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe kehren Ende der Woche die Ziegen und Schafe in das Naturschutzgebiet „Hirschacker und Dossenwald“ bei Schwetzingen zurück. Zudem werden dieses Jahr auch erstmals Esel zur Beweidung der Flächen eingesetzt.
Der Großteil der circa 14 Hektar großen Weidefläche ist Kiefernwald, der im Rahmen des NABU-Projekts „Lebensader Oberrhein“ aufgelichtet, mit einem festen Weidezaun umgeben und schon in den letzten Jahren durch Ziegen und Schafe beweidet wurde. Ziel der Beweidung ist es, Gebüsche, wie beispielsweise Brombeeren, zurückzudrängen, so dass mehr Licht auf den Sandboden gelangt und lichtbedürftige Pflanzen und Tiere gefördert werden. Ziegen können auch Blätter an hoch gelegenen Busch- und Baumbeständen abfressen und die Rinde der Gehölze abschälen. Als Folge davon sterben junge Bäume ab und der Waldbestand lichtet sich weiter auf. Die nun auch eingesetzten Esel schaffen durch ihr Wälzen offene Bodenstellen, auf denen neue standorttypische Pflanzen keimen und sich etablieren können.
Auf den so beweideten Sandböden werden die Bestände der stark gefährdeten Pflanzenarten Sandstrohblume, Blaugrünes Schillergras und Sand-Veilchen zunehmen und spezialisierte Tierarten wie beispielsweise der Dünen-Sandlaufkäfer, die Blauflügelige Ödlandschrecke und viele Wildbienenarten geeignete Lebensbedingungen vorfinden. In die Weidefläche wurde auch der Bereich um den alten Fahnenmast einbezogen, der aus Naturschutzsicht bereits jetzt sehr wertvoll ist, da er mit europaweit geschützten Magerrasen und Blauschillergrasrasen bewachsen ist. In der Vergangenheit musste dieser Bereich durch regelmäßige Mahd offengehalten und in seiner Qualität erhalten werden, nun übernehmen die tierischen Landschaftspfleger diese Aufgabe.
Durch seinen offenen Charakter ist der Hirschacker auch als Brutgebiet für die vom Aussterben bedrohten Vogelarten Ziegenmelker und Heidelerche geeignet. Eine erfolgreiche Brut ist aber nur möglich, wenn die Vögel nicht durch querfeldein laufende Menschen und Hunde gestört werden. Um die offiziellen Wege im Gelände besser sichtbar zu machen, wurden diese im letzten Winter mit Handläufen versehen. Die Besucher des Gebietes werden gebeten, der Leiteinrichtung folgend auf den Wegen zu bleiben und ihre Hunde an die Leine zu nehmen. Außerdem dürfen die Weidetiere nicht gefüttert werden, weil die Tiere davon ernsthaft krank werden können.
Hintergrundinformation zum Naturschutzgebiet „Hirschacker und Dossenwald“:
Nach Jahren der Abwesenheit sind die seltenen Vogelarten Heidelerche und Ziegenmelker zurück im Naturschutzgebiet (NSG) „Hirschacker und Dossenwald“ bei Schwetzingen. Beide Vogelarten sind nach der Roten Liste der Vögel Baden-Württembergs als vom Aussterben bedroht eingestuft. Ihr Schutz ist daher für das Überleben dieser Arten in Baden-Württemberg von großer Bedeutung.
Im ganzen NSG gilt das Wegegebot. Hunde sind an der Leine und ebenfalls ausschließlich auf den Wegen zu führen. Diese Verbote sind notwendig, um die seltenen Tierarten vor Störungen zu schützen. Gerade während der Brutzeit ist die Einhaltung dieser Regeln besonders wichtig. Eine Missachtung kann nicht nur zur Aufgabe von Bruten und damit zum Absterben der Jungvögel führen, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zudem dürfen diese Flächen auch nicht betreten werden, da nach Aufgabe der militärischen Nutzung nicht gänzlich ausgeschlossen werden, dass sich noch Kampfmittel im Boden befinden.
Die Binnendünen und Flugsandfelder des Hirschackers stehen bereits seit 1993 unter Naturschutz. Zudem liegen sie auch innerhalb des Natura 2000-Schutzgebietsnetzes und sind darüber hinaus Teil des 2019 abgeschlossenen NABU Projekts „Lebensader Oberrhein“. Projektbotschafter des NABU sind im Gebiet unterwegs und informieren über das Projekt und seine Ziele. Dank zahlreicher Pflegemaßnahmen des Regierungspräsidiums Karlsruhe und des NABU konnten sich die besonderen Biotope des Hirschackers, beispielsweise lichte Kiefernwälder und Sandrasen-Gesellschaften gut entwickeln. Auf offenen und spärlich bewachsenen Sandflächen fühlen sich neben zahlreichen Insektenarten die am Boden brütenden Vogelarten Heidelerche und Ziegenmelker wohl. Der Ziegenmelker brütet dabei nicht nur am Boden, sondern als dämmerungs- und nachtaktiver Vogel verschläft er hier auch gut getarnt den Tag.
Um für Besucher die offiziellen Wege im Naturschutzgebiet im Gelände besser kenntlich zu machen, wurden im Winter 2019/2020 umfangreiche Besucherleiteinrichtungen aufgestellt: Das durch die militärische Nutzung stark verdichtete Wegenetz wurde ausgedünnt, um die Brutmöglichkeiten für den Ziegenmelker und die Heidelerche weiter zu verbessern. Die Naherholung auf den verbleibenden Wegen ist weiterhin möglich. Naturinteressierten Besuchern bieten sich auch von den Wegen aus tolle Beobachtungsmöglichkeiten. Nicht zuletzt ist der Gesang der Heidelerche ein besonderes Erlebnis. Dieser wird meist im Singflug vorgetragen und gehört zweifellos zu den wohlklingendsten Gesängen der heimischen Vogelwelt.
Die Heidelerche fühlt sich auf spärlich bewachsenen Flächen wohl, Copyright: H. Dannenmayer (LUBW)