Große Aalbesatzaktion für den Rhein und den Neckar
Das Regierungspräsidium Karlsruhe und der Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim, haben heute (14.10.2020) im Rahmen einer groß angelegten Besatzaktion mit Beteiligung von etwa 100 Anglern zahlreiche Aale in den Rhein und den Neckar eingesetzt. Zwischen Iffezheim und Mannheim sowie zwischen Mannheim und Neckargemünd wurden in beide Gewässer über 110.000 junge Aale entlassen. Nach etwa sieben Jahren sollen diese Aale wieder tausende Kilometer in die Sargassosee zurückschwimmen, um dort in 1.000 Meter Wassertiefe zu laichen. Der Lebenszyklus des Aals ist damit ebenso spannend, wie jener des Atlantischen Lachses. Nur in umgekehrter Richtung, denn Lachse laichen im Süßwasser und Aale im Salzwasser. Ohne Besatzmaßnahmen wäre der Europäische Aal bei uns bereits ausgestorben. Aus diesem Grund war die Fischerei auf den Aal in Baden-Württemberg viele Jahre gesperrt und unterliegt heute strengen Schonbestimmungen.
Im Rhein und Neckar liegen für die jungen Aale gleichermaßen sehr gute Lebensbedingungen vor. Das Ziel des Landes ist es, den Aalbestand in diesen Gewässern wieder naturnäher zu entwickeln und damit einen wertvollen Beitrag zur heimischen Biodiversität zu leisten. Für seinen Lebenszyklus benötigt der wanderfreudige Aal die freie Durchwanderbarkeit der Gewässer. Im Rhein flussabwärts der Staustufe Iffezheim liegen keine Wanderhindernisse vor. Im Neckar hingegen bilden die zahlreichen Staustufen mit ihren Wasserkraftanlagen kritische Stellen, an denen Aale zu Schaden kommen können. Schutzanlagen für abwandernde Aale sind an den Wasserkraftanlagen zwar angedacht, jedoch noch an keinem der rund 20 Kraftwerke umgesetzt. Die Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) führt deshalb seit mehreren Jahren ein Evakuierungsprogramm für abwandernde Aale durch, um zumindest einen Teil der abwandernden Aale zu retten. Wegen der fehlenden Schutzeinrichtung an den Wasserkraftanlagen werden vom Regierungspräsidium Karlsruhe Aale derzeit nicht weiter neckaraufwärts als bis in die Staustufe Neckargemünd besetzt.
Das Regierungsbezirk Karlsruhe stützt den Aalbestand im Rhein bereits seit Jahrzehnten. Bei der Planung der Besatzmaßnahmen stimmt sich das Regierungspräsidium regelmäßig mit der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg ab. Die Besatzaale werden als Glasaale an den Küsten und Flussmündungen Portugals bis Großbritannien gefangen und zur weiteren Aufzucht bis zu einem Gewicht von circa acht bis zehn Gramm in eigens dafür errichtete Aufzuchtanlagen überführt. Dies garantiert aufgrund der kontrollierten Haltungsbedingungen einen ausgezeichneten Gesundheitszustand der Aale und eine hohe Überlebensrate. Dies sind wichtige Voraussetzungen für den Erfolg der Besatzmaßnahme. Schließlich geht es auch darum, die noch vorhandenen Aale in die besten verfügbaren Habitate mit guten Nahrungsbedingungen zu bringen. Von Natur aus schaffen es die Aale nicht mehr den Rhein bis Mannheim oder Karlsruhe hoch oder bis in den Neckar hinein. Die Besatzkosten tragen das Land Baden-Württemberg sowie die Freizeit- und Erwerbsfischerei.
Organisiert und durchgeführt wird der Aalbesatz von Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim und der Fischereibehörde des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Beim jährlichen Besatz in den landeseigenen Fischereirechten im Regierungsbezirk Karlsruhe entlang des Oberrheins und im unteren Neckar werden mit dem Fischtransporter verschiedene Abladestellen angefahren, an denen die vorgesehenen Aalportionen an die betroffenen Fischwasserpächter und Angelvereine übergeben und anschließend von diesen gezielt in geeignete Gewässerbereiche besetzt werden. Die Fischereivereine stehen der Fischereibehörde seit vielen Jahren als zuverlässige Partner des Aalbesatzes zur Seite. Insgesamt wurden heute im Rhein und im Neckar rund 113.000 Aale mit einem Stückgewicht von etwa acht bis zehn Gramm besetzt.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe überwacht die Wirkung der verschiedenen Maßnahmen zum Schutz des Aals durch geeignete Untersuchungsprogramme. In den letzten Jahren konnte die Fischereibehörde wieder steigende Aalbestände im Rhein feststellen.
Hintergrundinformation
Einst war der Europäische Aal (Anguilla anguilla) in allen an den Atlantik angeschlossenen Gewässern Europas sehr weit und bis in die Oberläufe der Flüsse verbreitet. Als Langdistanzwanderer zwischen den europäischen Flüssen und der Sargassosee im Atlantik hat der Aal Höchstleistungen zu meistern, um zu seinen Laichgründen zu gelangen. Heute ist er in seinem Bestand massiv gefährdet. So ist das Glasaalaufkommen an den europäischen Küsten seit den 90er Jahren sehr stark zurückgegangen. Es wandern natürlicherweise nur noch ein kleiner Bruchteil der Glasaale in die Mündungen der großen Flüsse ein. Der Internationale Rat zur Meeresforschung teilte mit: „Der Europäische Aal befindet sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen“. Die Gründe für den Rückgang sind vielschichtig und nicht abschließend erforscht. Wesentliche Anteile am Rückgang des Europäischen Aals haben der Glasaal – und Aalfang wie auch die Unterbrechung der Durchgängigkeit in den Gewässern. So finden in die Flüsse aufwandernde Aale durch den zunehmenden Bau von Fischtreppen zwar immer mehr geeigneten Lebensraum vor. Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Aals kann jedoch noch nicht erschlossen werden, auch nicht im Neckar. Weiterhin besteht für viele Aale an Wasserkraftstandorten nicht mehr die Möglichkeit, den Rückweg in die Sargassosee unbeschadet durchzuführen. In den Turbinen der Wasserkraftanlage kommen Aale zu Schaden. Zudem werden Parasiten und der Wegfraß durch fischfressende Vögel von Wissenschaftler als weitere Faktoren für den Rückgang angeführt. Erschwerend kommt hinzu: der Europäische Aal lässt sich in Fischzuchten nicht künstlich vermehren.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Europäische Kommission dem Aalschutz angenommen und 2007 eine Aalschutzinitiative ins Leben gerufen. Im Rahmen von Aalbewirtschaftungsplänen wurden von den betroffenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) zahlreiche Maßnahmen zum Schutz bzw. zur Förderung des Aalbestandes beschlossen. Neben Fangeinschränkungen für Aale und einem EU-weiten Ausfuhrverbot von Glasaalen gehören dazu die Verbesserung der abwärtsgerichteten Durchgängigkeit wie auch der Aalbesatz. Für die Fischerei gelten Fangbeschränkungen durch Schonzeiten und Mindestmaße. Ohne diese Maßnahmen ist der langfristige Erhalt des Europäischen Aals nach Einschätzung der Europäischen Kommission und vieler Experten nicht mehr sichergestellt. Seit 2009 ist der Europäische Aal auch im Anhang 2 des Washingtoner Artenschutzübereinkommens aufgeführt und genießt damit denselben Schutzstatus wie der Afrikanische Elefant oder das Zwergflusspferd.