IMKEREI-NEWS 05 | Januar 2022
Liebe Imkerinnen und Imker,
auch wenn der Start ins neue Jahr aus imkerlicher Sicht nicht für alle positiv ausgefallen ist, ich wünsche Ihnen ein gutes und gesundes neues Jahr!
Schon vor Weihnachten wurden mir von Imker*innen über leere Beuten, bzw. über Völkerverluste berichtet, die sie anlässlich der Varroa-Abschlussbehandlung vor Jahresende feststellen mussten. Der Bienenflug allein – an den warmen Nachmittagen zwischen den Jahren – ist noch kein ausreichendes Indiz für das Überleben der Völker! Die Futtervorräte in den verlassenen Völkern locken sofort Bienen aus benachbarten Völkern zum Räubern an.
Vielleicht haben Sie selbst ähnliche oder auch ganz andere Erfahrungen gemacht? Gerne dürfen Sie mir berichten, um ein vollständigeres Bild von der Situation in unserem Regierungsbezirk zu bekommen.
Unter den folgenden Überschriften möchte ich die derzeitige Situation etwas näher erläutern:
1. Schadbilder und was dann?
2. Vermutete Ursachen
3. Kann man Varroose sichtbar machen?
4. „Gute Vorsätze“ fürs neue Jahr!
Herzlichen Gruß!
1. Schadbilder und was dann?
Wenn Sie bei einer Kontrolle oder eben zu dieser Jahreszeit bei der Oxalsäure-Träufelanwendung feststellen, dass ein Volk nicht mehr am Leben ist, wird diese Beute möglichst umgehend bienendicht verschlossen. Dazu eignen sich u. a. Schaumstoffstreifen oder passende Fluglochkeile. Warum das, werden Sie sich eventuell fragen, zu dieser Jahreszeit besteht doch keine Räubereigefahr? Das stimmt nur, solange die Temperaturen unter 6 – 8 °C bleiben. Klettern sie höher oder scheint die Sonne auf die Beuten, verlassen erste Bienen den Stock, koten ab, holen Wasser und in milden Lagen den ersten Pollen oder sie schauen eben in die inzwischen unbewohnte Nachbarbeute und räumen nach und nach die Futterwaben leer. Dabei könnten Sie gut verdeckelte und nicht verkotete Futterwaben im Frühjahr noch weiterverwenden, doch vor allem gilt es, die noch gesunden Völker vor der Ansteckung mit weiteren Krankheitskeimen zu bewahren! Eine ausführlichere Anleitung zur Untersuchung abgestorbener Völker finden Sie im Arbeitsblatt 338 des Bieneninstituts Kirchheim.
Was sieht man nun beim Blick in die Beute?
Manchmal liegen die Bienen des toten Volkes gehäuft im Unterboden. Von ihnen lässt sich sehr leicht eine Probe ziehen, um sie dann (wie in Punkt 3 beschrieben) weiter zu verwenden. Viel öfter sind jedoch weder in den Wabengassen noch auf dem Boden Bienen in nennenswerter Zahl zu finden und Imker*innen wundern sich, wo nur alle hingekommen sind.
Nur zwei Monate zuvor hatten sie noch die letzte Futtergabe abgenommen.
Ein Blick auf das gesamte Wabenwerk und dann auf die zuletzt bebrüteten Waben gibt weiteren Aufschluss. In aller Regel sind noch genügend Vorräte vorhanden, wenn nicht schon geräubert wurde und dann nur noch Wachskrümmel im Boden liegen. Der Hungertod kann so nahezu ausgeschlossen werden. Auf den letzten Brutwaben können meist noch einzelne verdeckelte Zellen gefunden werden, manchmal sind sie schon durchlöchert.
Bei diesem äußerlichen Eindruck könnten die Alarmglocken läuten, wenn bei einer „Streichholzprobe“ der Zellinhalt sich als schleimige, fadenziehende und stinkende Masse erweisen sollte. So kann sich die amerikanische Faulbrut (AFB) zeigen und ein Bienensachverständiger (BSV) des Vereins ist zu Rate zu ziehen! Findet man jedoch eine abgestorbene Puppe oder eine fast erwachsene Biene (eine Pinzette ist dabei nützlich), ist Entwarnung angesagt.
Zur genaueren Feststellung von Bienenerkrankungen können Sie auch eine Probe an den für sie zuständigen Bienengesundheitsdienst (BGD) schicken. Für die Regierungsbezirke Tübingen und Stuttgart ist das der BGD in Aulendorf. Näheres dazu in dem Merkblatt "Bienenproben - Hinweise zur Einsendung".
2. Vermutete Ursachen
Das gerade beschriebene Bild ist relativ typisch für den Tod eines Volkes an Varroose und damit einhergehenden Viruserkrankungen. Erstmals großflächig beobachtet wurde es im Winter 2006/07 in den USA und ging als CCD (Colony Collapse Disorder) durch die Presse. Es wurde damals als „Rätselhaftes Verschwinden“ oder als „Ausflug ohne Wiederkehr“ betitelt und ließ Imker*innen wie Wissenschaftler*innen zunächst ratlos dastehen. Erst später hat man als eine mögliche Ursache eine gestörte Eiweißproduktion bei den verendeten Bienen festgestellt. Diese wiederum begünstigt eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Pilzen, Bakterien, Viren und anderen schädlichen Einflüssen. Mehr Info dazu (und gut verständlich) findet man in einem Artikel von Spiegel-Wissenschaft aus dem Jahr 2009. Gestörte Eiweißproduktion: Forscher finden Grund für Bienensterben - DER SPIEGEL
Ohne genaue Belege dafür zu haben, kann man davon ausgehen, dass die Eiweißversorgung unserer Völker im vergangenen Jahr, zumindest in den Monaten April bis Juni, ebenfalls sehr schlecht war. Dazu kamen noch der offensichtliche Tracht- = Futtermangel und somit bietet sich mir zumindest eine plausible Erklärung für das Desaster. Verschärft wurde die Situation durch zu niedrige Temperaturen und zu hohe Luftfeuchtigkeit während der Anwendungszeit der Ameisensäure.
Das Kahlfliegen und den eigentlichen Zusammenbruch von stark mit Varroa belasteten Völkern löst dann in aller Regel eine Viruserkrankung aus. Ist das Flügeldeformations-Virus (DWV = Deformed Wing Virus) erst einmal im Volk sichtbar, kommt im Spätjahr jede Hilfe zu spät!
3. Kann man Varroose sichtbar machen?
Ja, man kann! Lassen sich im Unterboden noch abgestorbene Bienen finden, dann befüllt man damit ein Honigglas ca. halbvoll und macht den sogenannten „Bond-Test“. In Anlehnung an den berühmten Agenten James Bond, der seinen Martini „Geschüttelt, nicht gerührt“ bestellte, ist nun das weitere Vorgehen.
„Bond-Test“
Honigglas (500g) halbvoll gefüllt mit toten Bienen aus dem Unterboden.
Dazu gibt man Spülmittel und Wasser und schüttelt das verschlossene Glas ca. eine Minute gut durch.
Danach werden die Bienen auf das Honig-Doppelsieb geleert und mit reichlich Wasser abgespült.
Das Grobsieb mit den Bienen wird entfernt und ein Blick ins Feinsieb gibt Auskunft über die Varroa-Situation des Volkes vor dem Absterben! Zählen Sie mehr als 25 Milben, dann liegt die Vermutung nahe, dass die Varroose und die mit hohem Befall einhergehenden Viruserkrankungen das Volk umgebracht haben.
Erklärung: In ein Honigglas passen ca. 1.000 Bienen, in einem halben Glas sind also rund 500 Bienen. Findet man fünf Milben im Feinsieb, so liegt der Befall bei einem Prozent. Bei 25 Milben liegt der Befall demnach bei 5%. Ab 6% wird es kritisch für eine sichere Überwinterung des Bienenvolks.
Auch wenn keine Bienen im Unterboden zu finden sind, gibt es oft noch verdeckelte Brutzellen die sich für eine weitere Untersuchung eignen. Mit einer Pinzette oder der Entdeckelungsgabel können Zelldeckel geöffnet und die abgestorbenen Puppen herausgezogen werden. Nicht auf jeder Puppe, doch immer wieder werden Sie Milben darauf entdecken oder gar verkrüppelte Flügel erkennen können. Die Schlussfolgerung wird gleich ausfallen, wie nach einem positiven Ergebnis durch den „Bond-Test“.
4. „Gute Vorsätze“ fürs neue Jahr!
„So etwas soll mir nie wieder passieren“, sagen oder denken Sie jetzt vielleicht. Doch die guten Vorsätze fürs neue Jahr halten bekanntlich ja nicht allzu lange an. An dieser Stelle sollte Ihnen die Ausnahme gelingen! Eine rechtzeitige Varroa-Bekämpfung mit zugelassenen Verfahren ist das eine. Das andere ist die Kontrolle des Behandlungserfolgs über den üblichen Bekämpfungszeitraum hinaus! Alles Lamentieren darüber, mit welchen wenigen Maßnahmen man früher die Bienen überwintern konnte, hilft nicht weiter.
Zählen und Dokumentieren! Auch nach einer vermeintlich erfolgreichen Behandlung im (Spät-) Sommer muss im September und bis in den Oktober hinein (frühestens 12 Tage nach der letzten Ameisensäure (AS)-Behandlung) der natürliche Milbenfall der Völker kontrolliert werden! Mit jedem Herbst-Monat sinkt die Schadschwelle, sobald ab September täglich fünf oder mehr Milben in einem Volk fallen müssen Sie aktiv werden. Wenn eine weitere AS-Anwendung wegen niedrigen Temperaturen und kürzeren Tage keinen Erfolg mehr verspricht, bleibt immer noch die Möglichkeit zu einer und bei Bedarf auch zur mehrfachen Oxalssäure (OS)-Träufelbehandlung. Zu diesem Zeitpunkt zugelassen (das Volk hat noch verdeckelte Brut) ist z. B. VarroMed. Hier scheuen sich viele vor einer mehrfachen Anwendung, da in der Regel ja eine OS-Winterbehandlung eingeplant ist.
Doch solange noch Bienenflug herrscht und Stoffwechselprodukte zeitnah wieder ausgeschieden werden können, sehen viele Praktiker hierin das kleinere Übel. Verstärkte wissenschaftliche Versuche wären an dieser Stelle sehr hilfreich und könnten zu mehr Klarheit beitragen. Bis es soweit ist, habe ich für mich persönlich erst einmal entschieden: „Bienen zu verlieren tut weh, doch es ist allemal besser, durch eine Herbstbehandlung auf ein paar Bienen zu verzichten, als wenige Wochen später den Tod des gesamten Volkes fest stellen zu müssen“.
Nach so viel „schwerer Kost“ möchte ich Sie trotz allem dazu ermuntern, den Kopf nicht hängen zu lassen, falls Sie Verluste zu beklagen haben.
Erinnern Sie sich rechtzeitig an den Vorsatz zum Jahresbeginn und genießen Sie die schönen Momente, die der Winter – und das Leben im Allgemeinen – auch dieses Jahr bieten können!
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Remigius Binder
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