IMKEREI-NEWS 06 | März 2022
Liebe Imkerinnen und Imker,
wir befinden uns mitten in der „Durchlenzung“ der Bienenvölker. Die überwinterten Altbienen gehen nach und nach ab und werden durch kurzlebigere Sommerbienen ersetzt. Trotz wachsender Brutnester schrumpfen die Völker deshalb in dieser Zeit eher, als dass sie stärker werden. Inzwischen ist in Tübingen die Salweide aufgeblüht, doch bei eisigem Ostwind können die Bienen kaum ausfliegen. Zum Wochenende sind nun allerdings steigende Temperaturen zu erwarten und auch für die kommende Woche liegt die Prognose im zweistelligen Bereich. Also ganz gute Voraussetzungen, um bei den Völkern mal rein zu schauen und eine „Frühjahrsdurchsicht“ zu machen, für diejenigen, die bisher damit gewartet haben.
Worauf ist jetzt zu achten?
1. Ist das Volk „in Ordnung“, hat also eine funktionierende Königin und pflegt die Arbeiterinnenbrut?
Weisellose oder drohnenbrütige Völker erkennt man meist schon an der Unruhe beim Öffnen der Beute. In der Regel hat man derzeit keine Ersatzkönigin, deshalb
a) Abwarten bis die restlichen Völker angeschaut sind und dann
b) die Bienen vors Flugloch des schwächsten Volkes stoßen. Achtung, die Bienen sind dabei meist etwas anhänglich (nicht unbedingt aggressiv) und lassen sich auf dem Kopf und der Kleidung nieder…
Foto 1: "Klassische“ Buckelbrut bei fehlender oder unbegatteter Königin.
Foto 1a: Verdeckelte Drohnenbrutzellen neben Arbeiterinnenzellen: Vermutlich ist der Spermienvorrat der Königin erschöpft durch schlechte Begattung in 2020.
In diesem speziellen Fall (1a) könnte das Volk ca. 1 bis 2 Stunden nach Entnahme der Königin direkt mit einem (schwächeren) Volk vereinigt werden, einfach durch Einhängen der bienenbesetzten Waben.
2. Ist noch genug Futter drin?
Völker brauchen im März und April noch bis zu 4 kg Futter pro Monat, da auch an sonnigen Tagen meist wenig Nektar, dafür aber reichlich Pollen gesammelt werden kann. Wer hat, kann mit Futterwaben ausgleichen (evtl. ein bis zwei von gut versorgten Völkern wegnehmen) oder eine Futtertasche mit Flüssigfutter an den Bienensitz schieben.
Nur zur Erinnerung: Situation im April 2021:
Foto 2: Volk am Verhungern, die letzten Reserven in den Wabenecken sind aufgebraucht!
Foto 3: Notfütterung mit kristallisiertem Honig und Futterteig auf Rähmchenoberseite (etwas Papier darunter wäre noch optimaler)
3. Volksstärke prüfen und evtl. Raumangebot anpassen
Wie sitzt das Volk und kann es so optimal die Brut pflegen? Bei zweizargiger Einwinterung kann meist eine Zarge entfernt werden, Brutwaben werden nebeneinander gehängt, daneben volle Futterwaben. Dunkle oder gar verschimmelte (Rand-) Waben können jetzt herausgenommen werden. Wer mag, kann v.a. bei einzargig geführten Völkern ein Schied setzen, das ist aus meiner Sicht aber kein „Muss“.
Foto 4: Hier passt alles! Offene und verdeckelte Brut, Arbeiterinnen und Vorräte.
4.
Auch wenn es angeblich wenig bringt, kann man für die nächsten paar Wochen den Schieber wieder einlegen, um so etwas Zugluft von der Bienenkugel abzuhalten. Natürlich kann man auch nach Varroas Ausschau halten, doch um den Durchblick (bei den vielen Wachskrümmeln) zu bewahren, muss man dann schon nach wenigen Tagen einen Blick darauf werfen.
5.
Das ist derzeit (fast) alles! Eingelötete Mittelwände hat man hoffentlich schon in wenigen Wochen meist nie genug…;-)
6.
Wer jetzt Völker zukaufen muss, bitte auf ein aktuelles Gesundheitszeugnis achten, und verzichten Sie möglichst auf den Zukauf von Kunstschwärmen aus dem (südlichen) Ausland. Leider hat sich dort der kleine Beutenkäfer etablieren können…
7.
Hatten auch Sie Winterverluste? Verlässliche Zahlen darüber, wie viele Völker das Frühjahr nicht erlebt haben sind nur schwer zu ermitteln. Aus dem pfälzischen Mayen gibt es dazu seit Jahren eine Umfrage. Bitte beteiligen Sie sich daran, (sobald der Link veröffentlicht ist), auch wenn Sie keine Verluste hatten!
8.
Am 28.1.2022 gab es eine Änderung beim Tierarzneimittelgesetz (TAMG). Wesentlich für Imker*innen: Aufzeichnungspflicht (Bestandsbuch) bei Anwendungen von allen Medikamenten, egal ob apothekenpflichtig oder frei verkäuflich.
Ach ja, noch etwas: Der Mehrwertsteuersatz für Landwirt*innen und Imker*Innen beim Verkauf von Erzeugnissen aus der Urproduktion wurde zum Jahresbeginn von 10,7 auf jetzt 9,5 Prozent gesenkt.
Wenn nun die Wettervorhersagen zutreffen, werden die Völker in den „unteren Lagen“ (300 – ca. 500 m NN) also doch noch Pollen von der Weide und weiteren Frühblühern eintragen können.
In der Regel wird dadurch ein starker Brutanreiz ausgelöst, so dass drei bis vier Wochen später mit einer Zunahme der Bienenzahl zu rechnen ist.
Herzlichen Gruß!
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Bildquellennachweis: Fotos von Remigius Binder, RP Tübingen – außer den explizit gekennzeichneten Fotos mit gesonderter Ausweisung der Bildautor*innen.
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Remigius Binder
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