Pressemitteilung

40 Jahre Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“ (Hohenlohekreis)

Das Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“ im unteren Kochertal feiert dieses Jahr seinen 40. Geburtstag. „Hier brütet eine der größten Graureiherkolonien im Regierungsbezirk Stuttgart – und das seit Jahrzehnten“, erklärt Regierungspräsident Wolfgang Reimer. „Das Gebiet ist mit einer Größe von 216 Hektar einzigartig, denn es ist das größte unter den 21 Naturschutzgebieten im Hohenlohekreis. Das führt jedoch auch dazu, dass viele Nutzungen und Interessen zu berücksichtigen sind und mit den Schutzzielen des Naturschutzgebiets in Einklang gebracht werden müssen“, so Regierungspräsident Reimer.

Der Bereich „Mühlberg“, ein ehemaliger Weinbergshang mit artenreichen Halbtrockenrasen, werde nun mit Burenziegen und Highland-Rindern beweidet. Die Beweidung hält die Fläche offen und fördert somit besondere Tier- und Pflanzenarten.„Ich freue mich, dass zum runden Geburtstag der ‚Vogelhalde‘ die Landschaftspflege im Gebiet verbessert wird. Ziegen und kleine Rinderrassen wie die Highlands sind ‚geländegängige Rasenmäher‘ und beweiden seit Kurzem die Flächen am Mühlberg“, so Reimer.

Die Tiere leisten einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Vielfalt von Pflanzen und Tieren, weil sie auch Wiesen am Steilhang offenhalten und damit den Lebensraum lichtbedürftiger Arten wie Orchideen und Schmetterlinge erhalten. Der Halbtrockenrasen im Gewann Mühlberg wurde bislang maschinell gepflegt. Dabei konnte nicht verhindert werden, dass die extrem schwer zu bewirtschaftende Biotopfläche durch aufkommende Gehölze immer kleiner wurde. Um den ursprünglichen Charakter wieder herzustellen und die Gehölze dauerhaft zurückzudrängen, wird der Mühlberg jetzt im Auftrag des Regierungspräsidiums Stuttgart beweidet. Zusätzlich hat das Regierungspräsidium zur Unterstützung der Maßnahme einen Festzaun finanziert.

Naturschutzgebiet mit vielfältiger Pflanzen- und Tierwelt
Grau- und Silberreiher, Roter und Schwarzer Milan, Zwergtaucher, Eisvogel, Hirschkäfer – wer durch das Schutzgebiet wandert oder radelt, kann viele nicht alltägliche Tierarten beobachten. Auch der Biber bewegt sich im Gebiet. Dass das Gebiet so viele floristische und faunistische Besonderheiten bietet, liegt an den vielen verschiedenen Lebensräumen, die hier in der weit ausholenden Flussschlinge des Kochers miteinander verbunden sind: der weitgehend naturnahe Fluss, Altarme, ein Weiher, Ufergehölze, Wiesen und der denkmalgeschützte Kraftwerkskanal. Naturnahe Laubwälder bedecken die Talhänge. Dazu kommen kleinere Flächen mit Obstbaumwiesen, Hecken und eben der Halbtrockenrasen am Mühlberg. Im Herbst und Frühling ist die „Vogelhalde“ ein bedeutender Rastplatz für durchziehende Vögel wie Fischadler und Kraniche. In der kalten Jahreszeit findet die seltene Krickente hier ein ruhiges Plätzchen zum Überwintern.

Flusslandschaft mit vielen Nutzungsinteressen
Um die Schönheit und die schutzwürdigen Lebensräume des Gebiets zu erhalten, ist es wichtig, dass bei den vielen verschiedenen Nutzungen und Interessen von Land- und Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei und Erholungssuchenden der Schutz der Natur im Vordergrund steht. Bei Arbeiten im Naturschutzgebiet, wie der Instandhaltung des Kraftwerkkanals zur Erzeugung regenerativer Energie oder der Gewährleistung der Verkehrssicherung auf Wegen, wird deshalb vorab geprüft, wie Störungen und andere Beeinträchtigungen von Arten und Biotopen minimiert oder kompensiert werden können.

Besucherinnen und Besucher können dazu ebenfalls einen Beitrag leisten, indem sie die erforderlichen Verhaltensregeln im Naturschutzgebiet einhalten. Dazu gehört, die Wege nicht zu verlassen, keine Blumen zu pflücken und Tiere zu stören sowie Hunde an die Leine zu nehmen. Außerdem dürfen die Gewässer im Naturschutzgebiet vom 15. Januar bis 15. September nicht befahren werden. Dann dürfte auch den nächsten runden Geburtstagen nichts im Weg stehen.

Hintergrundinformationen:

Naturschutzgebiet und Natura 2000-Gebiet – vielfältige Schutzgründe
Das Regierungspräsidium hat die „Vogelhalde“ 1979 wegen einer bedeutenden Brutkolonie des Graureihers zum Naturschutzgebiet ernannt. Mitte der 1970er-Jahre gab es im Hohenlohischen nur noch drei solcher Brutplätze. Sie sicherten letztlich das Überleben des Graureihers an Kocher und Jagst. Auch heute noch brüten Graureiher im Hangwald nahe dem Kocher. Ihre Nahrung, in erster Linie Mäuse und Fische, holen sie sich aus den Wiesen der Talaue und den Gewässern. Weitere Schutzgründe stützen sich auf europäisches Recht. So müssen nach der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie und nach der EU-Vogelschutz-Richtlinie die Lebensräume von Eisvogel, Biber, und Großem Feuerfalter geschützt werden. Europarechtlichen Schutz genießen auch die artenreichen Blumenwiesen, die sogenannten Mageren Flachland-Mähwiesen, die Waldmeister-Buchenwälder, der Auenwaldstreifen entlang des Kochers und die Wasserpflanzenvegetation im Kocher. Daher gehört das Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“ seit 2005 zum FFH-Gebiet „Ohrn-, Kupfer- und Forellental“ und zum Vogelschutzgebiet „Kocher mit Seitentälern“. FFH- und Vogelschutzgebiete bilden das europäische Schutzgebietsnetz Natura 2000.

Hinweise für Besucherinnen und Besucher
Besucherinnen und Besucher erreichen das Naturschutzgebiet von Sindringen oder von Ohrnberg aus. Ein rund fünf Kilometer langer, fast ebener Weg führt durchs Kochertal, größtenteils am denkmalgeschützten Kraftwerkskanal entlang. Der neu beweidete Mühlberg liegt, von Sindringen kommend, rechts oben am Hang. Das Regierungspräsidium bittet alle Besucherinnen und Besucher, die Hinweise zum Verhalten im Naturschutzgebiet auf den Schildern vor Ort zu beachten. 


Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“, Halbtrockenrasen am Mühlberg und Kocheraue (Quelle: RP Stuttgart / S. Bonn)


Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“, Kocher-Kraftwerkkanal (Quelle: RP Stuttgart / E. Klotz)


Naturschutzgebiet „Vogelhalde Sindringen-Ohrnberg“, Highlands (Quelle: RP Stuttgart / S. Bonn)