Das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart hat vergangenes Jahr seine archäologischen Rettungsgrabungen in Bad Friedrichshall-Kochendorf abgeschlossen. Die Untersuchungen im Gebiet „Obere Fundel“ führte die Grabungsfirma ArchaeoConnect GmbH durch. Die Funde und Befunde zeigen, dass der Geländesporn östlich des Neckars seit Jahrtausenden besiedelt war: Die ältesten Befunde stammen aus der Zeit um 5.500 v. Chr. Von besonderem Interesse ist ein zirka 5.000 Jahre alter Bestattungsplatz mit 14 Gräbern.
In Kochendorf ist die Bebauung eines gut 20 Hektar großen Areals durch einen privaten Investor geplant. Da bereits seit der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Plangebiet archäologische Funde bekannt sind, die zu einer Ausweisung des Gebiets als archäologisches Kulturdenkmal führten, waren im Vorfeld der Baumaßnahmen archäologische Untersuchungen notwendig. Im Winter 2019/2020 erbrachte eine Prospektion durch das LAD den Nachweis zahlreicher archäologischer Befunde und Funde. Daher wurden ab November 2020 auf dem Baufeld flächige Rettungsgrabungen vorgenommen, die schließlich Ende August 2021 fristgerecht abgeschlossen werden konnten.
„Besonders im Südosten des Gebiets fanden sich Gruben und Spuren von aus Holz gebauten Häusern“, berichtet Dr. Andrea Neth, Archäologin und Gebietsreferentin beim LAD. „Zeitlich gehören sie in die altneolithische Epoche der Bandkeramik ab etwa 5.500 v. Chr., benannt nach den Verzierungen auf den Tongefäßen. Ihre Bewohner gehörten zu den ersten sesshaften Bauern des Neckarlandes“, so Neth.
Zudem konnte ein Bestattungsplatz der endneolithischen Kultur der Schnurkeramik (3. Jahrtausend v. Chr.) mit insgesamt 14 Gräbern freigelegt werden. In den meisten Grabgruben war nur eine Person bestattet, in zwei Fällen konnten jedoch die Skelette von jeweils drei Individuen freigelegt werden. Die Toten waren mit angezogenen Beinen in der sogenannten „Hockerstellung“ niedergelegt worden (Abb. 1). Für die Reise ins Jenseits wurden den Toten verschiedene Gegenstände mitgegeben: Tongefäße, die mit den Eindrücken von gedrehten Schnüren verziert wurden – daher der Name Schnurkeramik – (Abb. 2), Steinbeile, Feuerstein- und Knochengeräte sowie als Besonderheit ein Dolch aus Feuerstein.
Im Südteil der Grabungsfläche wurden vor allem Siedlungszeugnisse der späten Bronze- und der frühen Eisenzeit (1. Jahrtausend v. Chr.) gefunden. Für diese Zeit typische Vorrats- oder Kellergruben wurden in großer Zahl entdeckt. Während der frühen Eisenzeit, als die Kelten in unserem Raum lebten, kam es auch vor, dass Tote nicht in Gräbern beigesetzt wurden, sondern am Boden solcher ehemaligen Vorratsgruben niedergelegt wurden. In Kochendorf konnte das sechsmal beobachtet werden. Da ein Skelett Armringe aus Bronze trug, ist davon auszugehen, dass es sich um eine Frau handelte. Die genaue Bestimmung von Sterbealter, Geschlecht und möglichen Krankheiten beziehungsweise Verletzungen der Skelette erfolgt erst im Zuge einer Bearbeitung nach der Ausgrabung und wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
- Bild 1: Eine Mehrfachbestattung der Schnurkeramik wird durch den Archäologen Frank Brodbeck (ArchaeoConnect) vorsichtig freigelegt
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Bild: S. Harding, ArchaeoConnect (jpg, 5.1 MB) - Bild 2: Verzierter Becher der Schnurkeramik als Beigabe in einem Grab
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/Bild: S. Harding, ArchaeoConnect (jpg, 4.2 MB)