Pressemitteilung

Bei Sanierung des Stuttgarter Kunstgebäudes Grundstein des Neuen Lusthauses entdeckt

erhaltene Teile des Neuen Lusthauses, die sich heute im Schlossgarten in Stuttgart befinden
Freigelegter Grundstein des Neuen Lusthauses. Deutlich zu erkennen sind Gründungsjahr und württembergisches Wappenschild sowie die im Hohlraum gestellte bronzene Bronzeplatte mit eingravierter Urkunde
 Detail Leder (evtl. Lederetui) - Erkennbar ist eine Oberfläche aus Leder mit Nähten. Inhalt und das mögliche Etui waren jedoch nur sehr schlecht erhalten
erhaltene Teile des Neuen Lusthauses, die sich heute im Schlossgarten in Stuttgart befinden

Am Donnerstag (10. Februar) präsentierte das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW), die oberste Denkmalschutzbehörde Baden-Württembergs, gemeinsam mit dem Amt Stuttgart des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg und dem Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im Regierungspräsidium Stuttgart den Fund bei einem Pressetermin in den Räumen des LAD in Esslingen.

Durch die Sanierung des Stuttgarter Kunstgebäudes an der Nordseite des Schlossplatzes wurden auch im Keller verschiedene Bodeneingriffe notwendig, die im Januar 2021 die Einbeziehung des LAD erforderlich machte. Grund hierfür war, dass an dieser Stelle bis 1844 mit dem Neuen Lusthaus einer der bedeutendsten Profanbauten der deutschen Renaissance gestanden hatte. Als die Sanierungsarbeiten im Keller begannen, stieß man auf die Spuren der Fundamentpfähle des Lusthauses. Im Oktober teilte das Amt Stuttgart des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg mit, dass beim Aushub für die neuen Aufzugsfundamente ein mächtiger Sandsteinblock (Länge 110 Zentimeter, Breite 80 Zentimeter, Höhe 45 Zentimeter) mit der Jahreszahl 1584 aufgefunden wurde. Wie sich herausstellte, handelte es sich dabei um einen Grundstein des Neuen Lusthauses.

Die Maße des Sandsteinblocks sind mit einem weiteren bekannten Grundstein vergleichbar, der bereits 1911 entdeckt wurde. Innerhalb einer zentralen Vertiefung kam eine Bronzeplatte zum Vorschein, unter der sich organische Reste erhalten hatten.
Nachdem die erhaltenen Fundamente durch die Firma ArchaeoBW dokumentiert worden waren, wurde der rund 660 Kilogramm schwere Stein in die Arbeitsstelle des LAD nach Ludwigsburg transportiert. Dort konnten die darin enthaltenen Deponierungen fachgerecht durch die archäologische Restaurierungswerkstatt freigelegt werden. Es zeigte sich, dass der Inhalt bereits weitgehend vergangen war und nur einzelne Reste – möglicherweise eines Lederetuis – festzustellen waren.

Auf der Bronzeplatte zeichnete sich wie auf dem 1911 gefundenen Grundstein eine Inschrift ab. Aus dieser wurde ersichtlich, warum der zweite Grundstein gelegt wurde. Anlass hierfür waren die Arbeiten an dem Pfahlrostfundament, bei der Herzog Ludwig wenige Wochen vor der eigentlichen Grundsteinlegung selbst in Anwesenheit seiner Ritterschaft den ersten Pfahl in den Boden geschlagen hatte. Da die Inschrift der Bronzeplatte an den Rändern nur schwer zu lesen war, war es eine glückliche Fügung, dass eine Überprüfung der entsprechenden Archivalien für den Grundstein von 1911 auch für diesen Grundstein einen Textentwurf lieferte.

„Ich kann mir kaum eine geeignetere Entdeckung für das Jubiläumsjahr 2022 der Landesdenkmalpflege vorstellen als diejenige, die wir Ihnen heute präsentieren: den Grundstein eines der schönsten Festhäuser der Renaissance“, sagte Ministerialdirektor Dr. Christian Schneider vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen (MLW), der obersten Denkmalschutzbehörde des Landes. „Das Neue Lusthaus befand sich an der Stelle des heutigen Kunstgebäudes in Stuttgart – also in direkter Nachbarschaft zum Landtag. Dort wurde vor 50 Jahren das Denkmalschutzgesetz unseres Landes verabschiedet. Der Fund zeigt beispielhaft, wie wichtig authentische historische Quellen sind und welche Erkenntnisse durch die Arbeit der Denkmalpflege möglich sind“, so Schneider.

Auch die Beteiligten des Amtes Stuttgart des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Abteilungsleiterin Tanja Werner und Projektleiterin Christiane Mussotter zeigten sich erfreut: „Dank der sehr guten Zusammenarbeit mit dem LAD konnte dieser wichtige Fund schnell geborgen und die Baumaßnahmen zügig fortgeführt werden, damit das Kunstgebäude schnell wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.“

„Wir freuen uns, dass mit der Entdeckung des zweiten Grundsteins das Ereignis der Grundsteinlegung und damit auch das Neue Lusthaus selbst wieder in das Bewusstsein der Gesellschaft gelangt“, schloss Prof. Dr. Claus Wolf, der Präsident des LAD im Regierungspräsidium Stuttgart.

Geschichtliche Hintergrundinformationen:

Herzog Ludwig beauftragte seinen Baumeister Georg Beer zum Bau des Lusthauses. Für dessen Fundamentierung wurden insgesamt 1.700 Eichenpfähle geliefert, von denen der erste vom Herzog selbst am 30. März 1584 in den Boden geschlagen wurde. Am 2. Mai desselben Jahres erfolgte die Grundsteinlegung und neun Jahre später wurde der Bau fertiggestellt. Er zählte schon bald zu einem der bedeutendsten Bauwerke seiner Zeit und diente dem Herrscher als repräsentatives Veranstaltungshaus für Feste und Empfänge in der Abgeschlossenheit des bei der Residenz gelegenen Gartens und war typisch für die höfische Kultur der Renaissance und des Barock.

Nach einer kurzen Blütezeit verlor das Gebäude durch die Nachwirkungen des Dreißigjährigen Krieges seine ursprüngliche Funktion und wurde 1750 zum Opernhaus umgebaut. Bereits wenige Jahrzehnte später verschoben sich unter Wilhelm I. die Wertmaßstäbe. Es sollte ein modernes Bildungstheater an derselben Stelle errichtet werden. Nach einem ersten Umbau 1811 erfolgte 1844 der weitgehende Abbruch. Der beauftragte Architekt erkannte jedoch die Qualität des Gebäudes und fertigte umfangreiche Planzeichnungen an, die uns heute ein detailliertes Bild des Prachtbaus vermitteln.

Nach einem Brand 1902 entstand der Wunsch zum Wiederaufbau des Renaissancegebäudes, der jedoch aus finanziellen Gründen scheiterte, sodass die verbliebenen Reste abgerissen wurden. Lediglich die doppelläufige Freitreppe wurde 1904 im Schlossgarten wiederaufgebaut. Heute befindet sich an der Stelle mit dem Kunstgebäude von 1910/13 ebenfalls ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung, das nach der Zerstörung 1943 von Paul Bonatz und Günter Wilhelm 1956/57 mit moderner Unterkellerung wiedererrichtet wurde.

Bereits am 8. März 1911 wurde beim Abbruch der Fundamente des Neuen Lusthauses ein Grundstein entdeckt. Darin fanden sich eine vergoldete Bronzeplatte mit der eingravierten Gründungsurkunde, eine venezianische Doppelhalsflasche und eine Auswahl herzoglicher Münzprägungen. Die Funde befinden sich heute im Landesmuseum Württemberg.

Bild 1 (jpg, 3.5 MB): Freigelegter Grundstein des Neuen Lusthauses. Deutlich zu erkennen sind Gründungsjahr und württembergisches Wappenschild sowie die im Hohlraum gestellte bronzene Bronzeplatte mit eingravierter Urkunde (Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ ArchaeoBW).

Bild 2 (jpg, 3.5 MB): Detail Leder (evtl. Lederetui) - Erkennbar ist eine Oberfläche aus Leder mit Nähten. Inhalt und das mögliche Etui waren jedoch nur sehr schlecht erhalten (Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ ArchaeoBW).

Bild 3 (jpg, 7.2 MB) und Bild 4 (jpg, 4.3 MB): erhaltene Teile des Neuen Lusthauses, die sich heute im Schlossgarten in Stuttgart befinden (Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart/ F. Pilz).