Pressemitteilung

Die Rems fließt wieder

​Wo sich die Rems zwischen Winterbach und Remshalden noch vor einem Jahr eintönig, kaum merkbar, in der Landschaft versteckte, kann man sie heute wieder fließen sehen, befreit aus ihrem starren Korsett.

Ziele der Gewässerentwicklung: Die Rems ist rund 80 Kilometer lang und ein Seitengewässer des Neckar. Durch die Gewässerkorrekturen der vergangenen Jahrzehnte, insbesondere in den 30er und 50er Jahren und durch die hohen Anteile an Verkehrs- und Siedlungsflächen wurde die Rems gegenüber dem natürlichen Zustand stark verändert.

Das trapezförmig ausgebaute Gewässer verläuft in weiten Teilen geradlinig und strukturarm. Es gibt keine Vielfalt der Lebensräume und somit keine Vielfalt der Lebewesen. Diversität ist jedoch Ausschlaggebend für die gute Qualität eines Gewässers. Kiesbänke dienen den Fischen als Laich-Zone und für noch schwache Jungfische bieten stille, wärmere Bereiche die perfekte „Kinderstube“. Kolke sind Rückzugsorte für größere Exemplare und beschattete Unterstände kühlen das Gewässer im Sommer und bieten Schutz vor Fressfeinden (z.B. Kormoran). Strömung und Verwirbelung im Gewässer sorgen für Sauerstoffeintrag und folglich für eine chemische Aufwertung der Gewässerqualität. Das Rauschen hören Fische über weite Strecken und wandern – sofern möglich – an diese Stelle. Kleinere Organismen wie Makrozoobenthos sind ebenso auf eine gute Gewässerqualität angewiesen. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU hat zum Ziel, den guten ökologischen und chemischen Zustand der Oberflächengewässer herzustellen. Der „gute Zustand“ zeigt sich durch ein weitgehend natürliches Vorkommen von Pflanzen und Fischen in den Gewässern, die Durchgängigkeit für alle Lebewesen, naturnahe und naturbelassene Uferzonen sowie Schadstoffkonzentrationen innerhalb der festgesetzten Grenzwerte. Zur Zielerreichung sollen in „Programmstrecken“ entsprechende Maßnahmen durchgeführt werden. Konkret sollen dabei ökologische Funktionsräume für die Gewässerfauna in geeigneten Abschnitten der Rems nach dem Trittsteinprinzip geschaffen werden. Dies bedeutet, dass von einem ökologisch aufgewerteten Gewässerstück auch weiter flussab- und flussaufwärts positive Effekte für Kleinstlebewesen und Fische ausgehen.

Das Projekt: Es ist das größte ökologische Projekt in diesem Jahr an einem Fließgewässer im Regierungsbezirk Stuttgart. Fast ein Jahr hat die Baustelle zwischen Winterbach und Remshalden gedauert. Nun sind die Bauarbeiten bis auf kleine Restarbeiten abgeschlossen. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat für das Land Baden-Württemberg die Maßnahme umgesetzt, die der Wasserverband Rems und die Gemeinde Winterbach über Jahre hinweg geplant haben.

Wer sich nicht mehr erinnert, wie die Rems vorher aussah: ein Blick stromabwärts von der Hebsacker Brücke zeigt ein Gewässer in einem monotonen Trapezprofil und steilen Böschungen. Wasserbewegungen sind kaum zu sehen, das Wasser scheint zu stehen. Ganz anders sieht es im umgestalteten Bereich aus: Es gibt Inseln, Seitenarme, flache Böschungen und wechselnde Gewässersohlbreiten. Außerdem wurden Flachwasserzonen im Gleithangbereich angelegt. Punktuell beeinflussen Strukturbildner wie Störsteine, Steinschüttungen und Totholz den Strom. Dazu wurden weitestgehend vorhandene Baustoffe verwendet.

Die einmündenden Seitengewässer wurden mit rauen Rampen barrierefreie an die Rems angebunden. Um auch im Niedrigwasserfall einen durchgehenden Gewässerlauf mit ausreichender Wassertiefe sicherzustellen, wurde eine Niedrigwasserrinne mit einer Breite von maximal 4 m und einer Wassertiefe von mindestens 40 cm modelliert. An einigen Stellen wurde der Fluss eingeengt, um die Strömung zu erhöhen und ein Rauschen zu erzielen. Vorhandene Steilwände für den Eisvogel blieben erhalten und eine neue entstand. Im Zuge der Umsetzung wurde das vorhandene Profil der Rems inklusive den einheitlich steilen und strukturarmen Böschungen aufgelöst und die vorhandene Gewässerbefestigung rückgebaut. Der gerade Verlauf mit einer Längsneigung der Sohle von nur 0,02 % wurde gewunden und durch strukturelle Einbauten zum Strömen gebracht. Böschungssicherungen waren aufgrund der geringen Sohlspannungen demnach nicht notwendig.
Erdwälle wurden rückverlegt und somit zusätzlicher Retentionsraum bei Hochwasser geschaffen. Der angetroffene, ausgehobene Flusskies wurde vollständig wiedereingebaut.

Die alten Gehölzbestände zeigen, wo früher die Rems verlief. Ende 2017 wurden die Rodungen im Vorfeld der Baumaßnahme durchgeführt, 50% der Gehölze konnten erhalten bleiben.

Spatenstich für die eigentliche Maßnahme war dann am 15. Februar 2018 mit Umweltminister Untersteller und Regierungspräsident Reimer. Seitdem wurden große Erdmassen bewegt. Rund 8000 m3 Oberboden sind auf landwirtschaftliche Flächen mit minderer Bodenqualität in Manolzweiler zur Bodenverbesserung aufgetragen worden und etwa 34.000 m3 Erde sind als Auffüllmaterial im Gewerbegebiet Heusee II in Plüderhausen eingebaut worden. Besonderheit bei diesem Projekt war die Verfügbarkeit von großen Flächen, die alle im Besitz der Gemeinde Winterbach waren. Hierdurch konnte auf einer Strecke von ca. 1,1 km und einer Breite von bis zu 100 m der Rems wieder Raum gegeben werden.

Dem Flusslauf wird durch die Maßnahme weitgehend eine selbsttätige morphologische Entwicklung zugestanden, indem ausreichend Raum zur Verfügung gestellt wird. Gewässerdynamische Prozesse wie Seitenerosion, Uferunterhöhlungen und –abbrüche sowie Geschiebetrieb werden zugelassen, sind sogar erwünscht. Der Hauptbewuchs soll sich durch natürliche Sukzession einstellen. Bereits jetzt schon sprießen die ersten Weiden aus dem Boden, so dass sich bis zur Remstalgartenschau 2019 eine natürliche Begrünung einstellen wird. Zusätzlich wurden Gehölze und Sträucher angepflanzt.

Die Gesamtkosten der Maßnahme belaufen sich auf etwa 3,5 Mio €. Davon soll nicht nur die Natur sondern auch der Mensch profitieren. Durch die Erlebbarkeit und Zugänglichkeit rückt die Rems wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen. Bänke und Sitzsteine laden zum Verweilen ein und durch die flachen Uferbereiche können Kinder am Wasser spielen. Allerdings sollen sich die Erholungsbereiche auf zwei zugängliche Stellen konzentrieren, dazwischen soll die Natur in Ruhe gelassen werden.