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Einigkeit nach Spitzengespräch: Hochwasserhilfen des Landes greifen nur, wenn bestehende Programme pragmatisch gehandhabt werden

Lichtblicke und offene Fragen nach Dienstbesprechung mit Regierungspräsidentin Susanne Bay zu Hochwasserhilfen des Landes / Forderung nach Soforthilfe des Landes nicht vom Tisch

Bild zeigt Sandsäcke entlang eines Flusses zum Hochwasserschutz

Nach einer aktuellen Prognose (Stand: 3. Juli, 15:00 Uhr) haben die Hochwasser- und Starkregenereignisse Anfang Juni im Rems-Murr-Kreis zu Schäden in Höhe von 327 Millionen Euro geführt. Besonders betroffen sind beispielsweise die Straßeninfrastruktur mit Schäden in Höhe von rund 39 Millionen Euro, Schäden im Bereich Gewässer in Höhe von über 20 Millionen Euro und auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft rechnet man mit Schäden in Höhe von über 10 Millionen Euro. Die Schäden an der öffentlichen Infrastruktur betragen insgesamt rund 134 Millionen Euro und sind nur zu einem Bruchteil versichert.

Die Botschaft der Städte, Gemeinden und des Landkreises an die Stuttgarter Regierungspräsidentin war daher zu Beginn einer Dienstbesprechung am 4. Juli eine klare: Diese Schäden nach dem Starkregenerei-nis können die Kommunen unmöglich aus eigener Kraft stemmen. Ohne substantielle Unterstützung und Hilfe des Landes fehlt jede Planungssicherheit. Kommt keine Hilfe vom Land bei den betroffenen Kommu-nen an, bedeutet dies mit Blick in die Zukunft zwangsläufig Stillstand in den besonders betroffenen Städten und Gemeinden.

Gegenstand der Dienstbesprechung war die Erörterung der Vorschläge für Hochwasserhilfen, die von der Landesregierung am 2. Juli in einer Pressemitteilung zum Wiederaufbau und zur Schadensbewältigung angekündigt wurden. Die Hochwasserhilfen sollen nach Vorstellung des Landes vorrangig aus den Töpfen von 29 Landes- und Förderprogrammen kommen. Zusätzliche Mittel sind zunächst nicht vorgesehen.

Ergibt sich ein weitergehender Bedarf, wird das Ministerium des Inneren, für Digitalisierung und Kommunen – in Abstimmung mit den Kommunalen Landesverbänden – kurzfristig eine Kabinettsvorlage zur Gewährung eines zusätzlichen, darüber hinausgehenden Hilfspakets für die Behebung kommunaler Schäden dem Ministerrat zur Entscheidung vorschlagen.

Anwesend waren bei der Dienstbesprechung neben der Regierungspräsidentin Susanne Bay und den Fachexperten aus ihrem Haus seitens des Rems-Murr-Kreises Landrat Dr. Richard Sigel, Thomas Bernlöhr (Bürgermeister Stadt Welzheim und Sprecher für die Städte und Gemeinden), Bernd Hornikel (Oberbürgermeister Stadt Schorndorf), Thorsten Englert (Erster Bürgermeister Stadt Schorndorf), Raimon Ahrens (Bürgermeister Gemeinde Rudersberg) sowie Vertreterinnen und Vertreter des Landratsamts.

Lichtblicke und offene Fragen

Regierungspräsidentin Susanne Bay machte zu Beginn der Dienstbesprechung deutlich, dass das Land helfen wolle und dass das Regierungspräsidium nach Kräften unterstützen wolle. „Wir sind heute hier, um zu helfen. Wir wollen im Regierungspräsidium schnell und pragmatisch vorgehen. Nach der katastropha-len Sturzflut in Braunsbach 2016 ist das für das Land festgelegte Vorgehen, dass man zuerst bestehende Förderprogramme prüft, bevor zusätzlich Soforthilfen bereitgestellt werden können“, so die Regierungspräsidentin.

Im Gespräch mit der Regierungspräsidentin und ihren Fachexperten wurde das Engagement des Regierungspräsidiums sowie der Wille zu helfen spürbar. Es wurden konkret Möglichkeiten aufgezeigt, wie man Starkregen- und Hochwasserschäden aus bestehenden Programmen des Landes ausgleichen kann. Schäden im zweistelligen Millionenbereich an der Infrastruktur könnten tatsächlich aus bestehenden Programmen des Landes ausgeglichen werden.

Es wurde aber trotz dieses Lichtblicks schnell deutlich, dass nicht alle bestehenden Programme für die Bewältigung einer solchen Katastrophe gemacht sind. Es musste gemeinsam festgehalten werden, dass beispielsweise neue Anträge für den Ausgleichsstock erst im Februar 2025 eingereicht werden können und dies auch nur von finanzschwachen Kommunen. Letzteres würde beispielsweise Anträge der Stadt Schorndorf zunächst ausschließen. Im Rahmen des Ausgleichstockverfahrens 2024 soll dem Verteilungsausschuss dennoch vorgeschlagen werden, bereits laufende Anträge von besonders vom Hochwasser betroffenen Kommunen prioritär zu behandeln. Dies betrifft unter anderem die Gemeinde Rudersberg.

Ein durchaus positives Ergebnis der Besprechung war, dass bei pragmatischer Herangehensweise Schäden an Gewässern sowie an Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen im zweistelligen Millionenbereich über bestehende Landesprogramme ausgeglichen werden können. Allerdings wären nach den bestehenden Fördermodalitäten Anträge der Stadt Schorndorf im Bereich der Kläranlage wiederum ausgeschlossen, denn die Wasser- und Abwassergebühren dürfen nicht unter 6,50 Euro liegen, was in Schorndorf der Fall ist. In anderen Bereichen könnte Schorndorf als Mitglied des Wasserverbands von Förderungen profitieren.

Auch für die dringend notwendige und kostenintensive Sanierung von Schäden an der Straßeninfrastruktur stünden grundsätzlich finanzielle Mittel in Millionenhöhe bei den Programmen des Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (LGVFG) zur Verfügung. Allerdings erscheint eine Antragsstellung nach den bisherigen Regeln des LGVFG wenig zielführend mit Blick auf eine rasche Schadensbewältigung. Um darauf pragmatisch zugreifen und schnelle Hilfe ermöglichen zu können, könnte ein „Sondertopf“ aus Mitteln des LGVFG geschaffen werden, der die erforderlichen Zwecke abdeckt, damit die Schäden in zweistelliger Millionenhöhe in Bereichen der Kreis- und Gemeindestraßen tatsächlich mit Mitteln aus diesem Programm beseitigt werden können.

Pragmatisches Handeln ermöglichen / Soforthilfe muss Option bleiben

Die Überlegung der Landesregierung über bestehende Programme Hilfen zu ermöglichen sind für die Landkreisverwaltung als auch für die anwesenden Vertreter der Kommunen Rudersberg und Schorndorf ein erster richtiger Schritt. „Wir erkennen an, dass das Land unterstützen möchte und das Regierungspräsidium pragmatisches Vorgehen signalisiert“, so die kommunalen Vertreter.

„Was es jetzt aber braucht, sind schnelle und unbürokratische Hilfen. Die Menschen erwarten vom Land, dass es sich am Wiederaufbau beteiligt und dass es nach den Starkregen- und Hochwasserereignissen konkrete Zukunftsperspektiven gibt. Die Zusage, in bestehenden Förderprogrammen bevorzugt Anträge stellen zu können, ist ein Lichtblick, aber noch keine Zusage, dass am Ende auch Hilfen des Landes gewährt werden,“ so Landrat Richard Sigel

„Wir haben Woche fünf nach dem Starkregenereignis. Die Schäden sind überall sichtbar und auch der rechnerische Nachweis ist erbracht, dass die Voraussetzungen für Soforthilfe vorliegen. Die jetzt identifizierten Hilfen über Landesprogramme leisten wichtige Beiträge. Teilweise müssen aber noch Lösungsansätze und Überlegungen von der Landesregierung beschlossen werden. Wichtig ist, dass die Maßnahmen zügig bewilligt werden, sobald die Anträge gefertigt sind, so dass die Umsetzung schnell anlaufen kann“, so Bürgermeister Thomas Bernlöhr, der gleichzeitig als Sprecher der Bürgermeisterkreisversammlung fungiert. Ein kleiner, aber in der Breite wirkender Beitrag ist die Sonderlinie des Entwicklungsprogramms Ländlicher Raum (ELR), da sie auch den nicht ganz so dramatisch betroffenen Städten und Gemeinden im speziellen Fall hilft.

Allein in Rudersberg wird aktuell mit 120 Millionen Euro Schäden in Folge der Hochwasser- und Starkregenereignisse gerechnet, unterstrich Bürgermeister Raimon Ahrens. „Die Unterstützung mit den bestehenden Fachförderungen kann sicherlich ein Baustein beim Wiederaufbau unserer Gemeinden sein. Damit dieser Baustein jedoch Wirkung entfaltet, ist es unerlässlich, dass die Antragsverfahren verschlankt werden und an einer zentralen Stelle schnell beim Land bearbeitet werden. Sollte die Förderung nur im normalen Verfahren erfolgen, wird die Wirkung verpuffen. Wir in den betroffenen Kommunen benötigen dennoch zusätzlich direkte Finanzhilfen. Der alleinige Verweis auf Förderprogramme, kann bei der vorherrschenden Schadenslage nicht nachvollzogen werden“, so Raimon Ahrens, Bürgermeister der Gemeinde Rudersberg.

„In der Stadt Schorndorf gehen wir von 40 Millionen Euro Schaden an der städtischen Infrastruktur aus, die nicht versichert sind. Neben der Hilfe aus bestehenden Programmen wird es daher nach unserer Einschätzung weiterhin Soforthilfen brauchen, damit nicht alle Zukunftspläne der Stadt auf Eis gelegt werden müssen“, kommentiert Oberbürgermeister Bernd Hornikel das Ergebnis der Dienstbesprechung.

Die kommunalen Vertreter waren sich jedoch einig, dass das klare Signal des Regierungspräsidiums, hier pragmatisch zu handeln, Anerkennung verdient, wenngleich die Handlungsspielräume durch die Anforderungen der Programme begrenzt seien.

In einem gemeinsamen Brief haben die kommunalen Vertreter im Nachgang an die interministerielle Arbeitsgruppe appelliert, die unter dem Vorsitz des Amtschefs des Innenministeriums, Herrn Ministerialdirigent Reiner Moser, tagt: Dem Regierungspräsidium muss eine entsprechend pragmatische Handhabung der Förderprogramme ermöglicht werden beziehungsweise muss dafür gesorgt werden, Programme notfalls auch im Sinne einer schnellen Hilfe des Landes für Hochwasserschäden anzupassen.

Umgang mit privaten und gewerblichen Schäden offen

Nicht Gegenstand der Dienstbesprechung war der Umgang mit nicht versicherten Schäden, die Privathaushalte oder Unternehmer erlitten haben. Auch hier brauche es rasche Lösungen und Antworten auf offene Fragen der Betroffenen, unterstrichen die kommunalen Vertreter aus dem Rems-Murr-Kreis. Der Blick auf die Schäden an der nicht-versicherten öffentlichen Infrastruktur sei wichtig, aber nur ein Aspekt mit Blick auf die Schadensbilanz.

Quelle: Landratsamt Rems-Murr-Kreis