Wie breitet sich das Corona-Virus durch ausgeatmete Luft im Raum aus? Wie lange überleben die Viren in der Luft? Welche Konzentration an virenbeladenen Aerosolen ist vor allem in geschlossenen Räumen kritisch? Und welche Maßnahmen können der Kontamination im Raum entgegengesetzt werden? Solche Fragen, die jetzt mit Einsetzen des Herbstes die Kontrolle des Pandemie-Geschehens massiv erschweren, soll ein neuer „Expertenkreis Aerosole“ rasch angehen, den das Wissenschaftsministerium bereits in der kommenden Woche einsetzen wird. Die Lenkungsgruppe „SARS-CoV-2 (Coronavirus) hat das Ministerium am Mittwochabend damit beauftragt.
„Zur Virusübertragung durch Aerosole müssen wir möglichst rasch mehr wissen. Die Wissenschaft kann uns helfen, weiter gut durch die Pandemie zu kommen“, sagte Wissenschaftsministerin Theresia Bauer am Donnerstag (8. Oktober) in Stuttgart. Aerosolausbreitung an sich sei in vielen Bereichen schon lange ein Thema. „Die Verknüpfung mit der SARS-CoV-2 Ausbreitung aber ist Neuland“, so Bauer. Entsprechend lägen aktuell eher Schätzungen und vorläufige Erkenntnisse zu den verschiedensten Facetten dieses Themas vor.
Erschwerend komme hinzu, dass hier mehrere Fachgebiete in der Beurteilung betroffen sind. Dementsprechend werde der „Expertenkreis Aerosole“ eine Vielzahl an Fachrichtungen abdecken. Der Expertenkreis soll verschiedene Schutzmaßnahmen – oder deren Kombinationen – hinsichtlich des Infektionsschutzes unter Berücksichtigung neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse neu bewerten.
Wissenschaftler des Expertenkreises
Prof. Dr.-Ing. Achim Dittler, Ingenieur, Leiter des Instituts für Mechanische Verfahrenstechnik und Mechanik (MVM), Arbeitsgruppe Gas-Partikel-Systeme (GPS), KIT: Fachgebiet Raumluftverteilung/Aerosolausbreitung, Projekte zur Entstehung, und Abscheidung von Tropfenaerosolen, Charakterisierung von Ultrafeinstaub, neue Partikelmessverfahren, aktuelle Projekte zur Aerosolforschung.
Prof. Dr. Boris Mizaikoff, Chemiker, Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie, Universität Ulm:Fachgebiet Analyse von Viren und selektive Anreicherung von virenbeladenen Aerosolen, Projekte im Bereich der Infrarot Sensortechnologie und Spektroskopie sowie biomimetischer Erkennung auf Basis molekular geprägter Polymere (MIPs), zwei aktuelle Projekte in der MWK Sonderförderlinie COVID-19 Forschung.
Prof. Dr.-Ing. Jennifer Niessner, Umweltschutztechnikerin, Institut für Strömung in additiv gefertigten porösen Strukturen (ISAPS), Hochschule Heilbronn: Fachgebiet Technische Physik und Strömungslehre, Forschungsprofessur für Fluidmechanik, Filterwirkung in Materialien, Projekte zur Ein- und Mehrphasenströmung in porösen Medien, grenzflächenbasierte Beschreibung von Strömungen, Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics), aktuelle Projekte in der Aerosolproblematik.
Prof. Dr. med. Hans-Georg Kräusslich, Leiter des Zentrums für Infektiologie, Dekan der Medizinischen Fakultät Heidelberg, Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften sowie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina: Fachgebiet Infektiologie und Virologie, Initiator der MWK Sonderförderlinie COVID-19 (Kinderstudie und Forschung).
Prof. Dr. Thomas Iftner, Biologe, Direktor des Instituts für Medizinische Virologie und Epidemiologie der Viruskrankheiten, Prodekan der Medizinischen Fakultät, Universitätsklinikum Tübingen: Fachgebiet Virologie und Epidemiologie, im Gutachtergremium der MWK Sonderförderlinie COVID-19 Forschung, online-Ringvorlesung sowie Lunchtalks etc. mit Bezug zur COVID-19 Pandemie.
Prof. Dr. Gunnar Grün, Experte für Raumklima, stellvertretender Leiter des Fraunhofer Instituts für Bauphysik IBP an der Universität Stuttgart, vielfältige Forschungsarbeiten im Themenfeld Aerosolausbreitung/Raumluftströmungen.
Stefan Brockmann, Landesgesundheitsamt am Regierungspräsidium Stuttgart, Leiter des Referats Gesundheitsschutz und Epidemiologie
Prof. Dr. med. Heike von Baum, Leiterin Sektion Krankenhaushygiene, Schwerpunkt Infektionsepidemiologie, Universitätsklinikum Ulm:Fachgebiet Hygiene und Infektionsverhütung, Hygienestandards, mitbeteiligt bei der Einrichtung der Drive-in-Corona Teststationen in Ulm und Ehingen, Stellvertretende Vorsitzende der RKI KRINKO Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Claudia Spahn / Prof. Dr. med. Bernhard Richter, Leiterin und Leiter des Freiburger Instituts für Musikermedizin, Universität Freiburg:Fachgebiet Musikermedizin/Behandlung von Instrumentalisten mit körperlichen und psychischen Beschwerden. Das FIM veröffentlicht seit April 2020 eine Risikoeinschätzung einer Corona-Infektion im Bereich Musik, die den jeweils geltenden wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst und aktualisiert wird.
Prof. Dr.-Ing. Michael Haibel, Professor für Lüftungs- und Klimatechnik, Thermodynamik und Baubiologie, Wissenschaftlicher Leiter Labor für Raumlufttechnik, HAW Biberach:Fachgebiet Lüftungs- und Klimatechnik, Thermodynamik und Baubiologie.
Prof. Dr. Konstantinos Stergiaropoulos, Leiter des Institutes für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE), Arbeitsgruppe "Raumklimatechnik", Universität Stuttgart: Fachgebiet Energieforschung, Umwelttechnik, Adaptives Bauen, Schwerpunkte: Wärmeübertragung, Kältetechnik, Thermische Speicher, Raumklima, Energiemanagement, Nachhaltige Gebäude und Quartiere.
Förderung des Instituts für Musikermedizin
Zum Expertenkreis zählt auch die Leitung des bundesweit einzigartigen Instituts für Musikermedizin. Das an der Hochschule für Musik Freiburg angesiedelte FIM ist eine gemeinsame Einrichtung der Musikhochschule und der Medizinischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Es wurde 2005 mit Unterstützung des Landes eingerichtet. Es erhält aktuell Corona-Hilfsmittel aus dem Sofortprogramm des Ministeriums die die Vereine der Breitenkultur. Das FIM berät das Wissenschaftsministerium sowie die Vereine der Amateurmusik im Land in allen Fragen der Risikominimierung und dabei, modellhaft Hygienekonzepte für Veranstaltungen der Amateurmusik zu erstellen.
Erstes Treffen nächste Woche
Der „Expertenkreis Aerosole“ soll bereits in der nächsten Woche seine Arbeit aufnehmen. Dabei geht es zunächst darum, aus allen Fachbereichen die aktuellen Informationen zusammentragen, offene Fragen zu identifizieren und Infektionsrisiken wissenschaftlich abzuschätzen. In der Folge können derzeitige Schutzkonzepte und deren Kombinationen bewertet werden. Der Expertenkreis sollte nach Bedarf erweitert werden und fachkundige Gäste hinzuziehen können, um auf spezifische oder neue Fragestellungen reagieren zu können.
Quelle: Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Ba-Wü