Pressemitteilung

Jahresbilanz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes 2018

Regierungspräsident Reimer dankt beteiligten Behörden und Organisationen für die reibungslose Zusammenarbeit

​Im Zweiten Weltkrieg fielen rund 1,35 Millionen Tonnen Abwurfmunition auf das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Alleine auf das Land Baden-Württemberg entfielen etwa 100.000 Tonnen Abwurfmunition. Hiervon detonierten etwa 10 bis 15 Prozent nicht, sodass noch etliche Bombenblindgänger in Baden-Württembergs Böden zu vermuten sind.

Bombenblindgänger und auch andere Kampfmittel in Böden und Gewässern können lebensgefährlich sein. Auch mehr als 70 Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges sind diese Folgen noch nicht beseitigt – im Gegenteil: Durch die voranschreitende Materialermüdung der Kampfmittel nimmt das Gefahrenpotenzial und das Risiko der Selbstdetonationen zu. Darüber hinaus befinden sich unzählige Kampfmittel aus Bodenkampfhandlungen, der unsachgemäßen Entledigung, dem Übungsbetrieb und letztendlich aus der Produktion sowie der Vernichtung in den Nachkriegsjahren in Böden und Gewässern. Um diese gegenwärtigen Gefahren zu beseitigen, sind mit mehreren Jahrzehnten Erfahrung die Frauen und Männer des Kampfmittelbeseitigungsdienstes (KMBD) im Regierungspräsidium Stuttgart zur Stelle. Sie sind täglich im ganzen Hoheitsgebiet des Landes Baden-Württemberg unterwegs und bergen, oft in Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen, die aufgefundenen Kampfmittel.

„Ob bei der Entschärfung, Beförderung und Vernichtung von Kampfmitteln, der Luftbildauswertung, bei Verdacht oder Fund von Kampfmitteln auf Grundstücken oder bei der Beschaffung und Auswertung der im Zweiten Weltkrieg von der amerikanischen und britischen Luftwaffe gefertigten Luftbildaufnahmen – der Kampfmittelbeseitigungsdienst leistet täglich eine wichtige Aufgabe im Land, die höchster Sorgfalt und einer umfassenden Fachkenntnis bedarf“, lobt Regierungspräsident Wolfgang Reimer die Arbeit des KMBD.

Im Jahr 2018 wurden dem KMBD von der Polizei und anderen Dienststellen 1.062 Munitionsfunde (2017: 860) gemeldet. Die geborgene Munition hatte ein Gesamtgewicht von 29.332 Kilogramm (2017: 50.595 Kilogramm). Der Rückgang des Gesamtgewichts bei den Munitionsfunden ist auf ein deutlich geringeres Fundaufkommen auf von privaten Kampfmittelräumdiensten betreuten Räumstellen zurückzuführen. Unter den Funden befanden sich 2018 außerdem 14 Bomben (2017: 19) mit einem Mindestgewicht von 50 Kilogramm.

Neben der Bombenbergung darf auch die Gefahr, die von Kleinmunition ausgeht, nicht unterschätzt werden. Gerade solche Munition, die vielfach in Kampfhandlungen verwendet wurde, kann ein unvorhersehbares Risiko bergen und sorgt für die meisten Unfälle bei der Bergung. Munition mit vorgespannten Zündsystemen, die oftmals vor Ort als nicht transportfähig eingestuft wird, wird mit den Jahren immer gefährlicher und handhabungsunsicherer. In diesen Fällen ist es erforderlich, das Kampfmittel vor Ort zu sprengen. Dann sind umfangreiche Absperrungen und Evakuierungen notwendig, um die Sprengung ohne Gefährdung Dritter durchzuführen. Regierungspräsident Wolfgang Reimer: „Ich danke den beteiligten Ortspolizei- und Sicherheitsbehörden sowie der Feuerwehr und den Hilfsorganisationen für die stets unkomplizierte Zusammenarbeit. Ohne ihr tatkräftiges Mitwirken bei Evakuierungen könnten die Entschärfungen nicht so zügig erfolgen, wie es in der jahrelangen Praxis der Fall ist.“

Im Rahmen der Luftbildauswertung gingen im Jahr 2018 insgesamt 1.628 Anträge von Bauherren, Baufirmen, Ingenieurbüros und Kommunen beim Kampfmittelbeseitigungsdienst ein (2017: 1.771). Hierfür stehen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 110.000 Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte zur Verfügung.

Im Zuge der Überprüfung von mit Kampfmitteln belasteten Flächen wurde im Jahr 2018 eine Fläche von 94.791 m² (2017: 412.527 m²) abgesucht, um eine Bebauung zu ermöglich. Dies entspricht einer Größe von rund 13 Fußballfeldern. Der starke Rückgang bei der Flächensuche steht im Zusammenhang mit dem Anstieg der Fundmunitionsmeldungen, die aus Gründen der Gefahrenabwehr vorrangig abzuarbeiten sind.

Im Jahr 2018 wurden zudem 41.450 Kilogramm Munition (2017: 58.379 kg) und 47.650 Kilogramm Waffen (2017: 27.196 Kilogramm) vernichtet. Dies entspricht in etwa einer Anzahl von 28.600 Waffen oder Gegenständen nach dem Waffengesetz (2017: 16.400). Zu den Waffen zugehörige Munition mit einem Gewicht von 12.177,77 Kilogramm (2017: 11.519 Kilogramm) wurde ebenfalls vernichtet. Seit dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 wurden zwischenzeitlich über 300.000 Waffen beim KMBD abgegeben und vernichtet.

Hintergrundinformationen:

Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg wie Granaten, Patronen, Minen oder Bomben, die über den Industriezentren Baden-Württembergs wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn, Friedrichshafen und Ulm abgeworfen wurden, aber nicht detoniert sind, stellten – und stellen bis heute – eine erhebliche Gefährdung für die Bevölkerung dar. Wann immer Blindgänger gemeldet werden oder Bauvorhaben auf Geländen anstehen, die über die Luftbildauswertung als besonders gefährdet für diese Altlast gelten, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) Baden-Württemberg zum Einsatz.

1946 wurden erstmals Sprengkommandos eingesetzt, die mit Fachleuten besetzt waren und so eine fachgerechte Beseitigung der Munition gewährleistete. Hieraus entstand der KMBD. Zum 1. Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart übertragen. Das dortige Referat 16 ist zuständig für alle vier Regierungsbezirke in Baden-Württemberg.

Der Einsatzbereich reicht von der Entschärfung von Kampfmitteln über die Beförderung geborgener Kampfmittel bis hin zur Vernichtung und der anschließenden Verwertung des angefallenen Materials. Die Vernichtung findet im Sindelfinger Wald statt. Dort hat der KMBD auf einer Fläche von rund 6 Hektar seinen Sitz.

Nicht alle Bomben lassen sich entschärfen. Dies kann vor allem bei Bombenlangzeitzündern der Fall sein. In letzter Konsequenz werden derartige Bomben kontrolliert zur Detonation gebracht.

Neben der Entschärfung von Bomben und der Vernichtung der Kriegsmunition kümmert sich der KMBD auch um die Vernichtung von abgegebenen Waffen, deren Munition und verbotener Gegenstände nach dem Waffengesetz. Ein Großteil der zu vernichtenden Waffen ergibt sich aus jenen, die freiwillig von Bürgerinnen und Bürgern bei der Polizei- oder Waffenbehörden abgegeben werden. Die gesammelten Waffen werden vom KMBD in eigenen Vernichtungsöfen ausgebrannt und anschließend zur Einschmelzung verbracht.

Zurzeit sind 33 Mitarbeiter beim KMBD beschäftigt – darunter neun Feuerwerker, vier Munitionsvorarbeiter, zehn Munitionsfacharbeiter und sechs Luftbildauswerter.
Bis zu neun Teams werden jeden Tag losgeschickt, um Blindgänger und Munition des Zweiten Weltkrieges zu bergen. Ein Bereitschaftsdienst stellt die Einsatzfähigkeit nach Dienstschluss und an Wochenenden und Feiertagen sicher. Die Leitung des KMBD hat Ralf Vendel inne.