Im Jahr 2019 wurden dem Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) Baden-Württemberg, der im Stuttgarter Regierungspräsidium angesiedelt ist, von der Polizei und anderen Behörden 852 Munitionsfunde (2018: 1.062) gemeldet. Die geborgene Munition hatte ein Gesamtgewicht von 41.159 Kilogramm (2018: 29.332 Kilogramm). Der Anstieg des Gesamtgewichts der Munitionsfunde ist der starken Baukonjunktur geschuldet. Zwar gingen im Jahr 2019 weniger Fundmeldungen ein, das Munitionsaufkommen an den einzelnen Fundorten hatte jedoch vielfach ein deutlich höheres Volumen als im Jahr 2018. Unter den Funden befanden sich 16 Bomben (2018: 14) mit einem Mindestgewicht von 50 Kilogramm.
„Ich bin stets aufs Neue beeindruckt, wie bei Bombenbergungen die beteiligten Akteure aus den Bereichen Polizei, Kommune, Feuerwehr und Hilfsorganisationen professionell zusammenarbeiten, um die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zu schaffen – beispielsweise mit Absperrungen und Evakuierungen. Neben den hauptamtlichen Kräften gilt mein Dank insbesondere den vielen Ehrenamtlichen, die zum Wohle unseres Gemeinwesens in solchen Ausnahmesituationen ihren Dienst verrichten“, erklärte Regierungspräsident Wolfgang Reimer.
Neben der Gefahr, die von Bomben ausgeht sowie den Herausforderungen einer Bombenbergung darf auch die Gefahr, die von Kleinmunition ausgeht, nicht unterschätzt werden. Gerade solche Munition wurde vielfach in Kampfhandlungen verwendet. Sie kann ein unvorhersehbares Risiko bergen und sorgt für die meisten Unfälle bei der Kampfmittelräumung. Munition mit vorgespannten Zündsystemen, die oftmals vor Ort als nicht transportfähig eingestuft wird, wird mit den Jahren immer gefährlicher und handhabungsunsicherer. In diesen Fällen ist es erforderlich, dass das Kampfmittel vor Ort gesprengt werden muss. Auch hier sind dann, wie bei Bombenentschärfungen; umfangreiche Absperrungen und Evakuierungen notwendig, um die Sprengung ohne Gefährdung Dritter durchzuführen.
Leider kommt es immer wieder zu schweren und tödlichen Unfällen mit Kampfmitteln. Daher rät der Kampfmittelbeseitigungsdienst beim Auffinden von Munition und Munitionsteilen, diese niemals aufzunehmen oder gar Manipulationen daran vorzunehmen. Regierungspräsident Wolfgang Reimer warnt: „Finger weg von Munition! Auch harmlos aussehende Kampfmittel können bei unsachgemäßer Behandlung gefährlich werden. Melden Sie daher jegliche Munitionsfunde den örtlichen Polizeidienststellen oder dem Kampfmittelbeseitigungsdienst. Die Abholung und Beseitigung erfolgt kostenlos durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst.“ Weiterführende Informationen zum Umgang mit Munitionsfunden können dem beigefügten Informationsblatt „Maßnahmen und Verhaltensregeln beim Auffinden von Fundmunition“ entnommen werden.
Bei der Luftbildauswertung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes gingen im Jahr 2019 insgesamt 1.503 Anträge von Bauherren, Baufirmen, Ingenieurbüros und Kommunen ein (2018: 1.628). Hierfür stehen den Mitarbeitern über 110.000 Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte zur Verfügung.
Im Zuge der Überprüfung von mit Kampfmitteln belasteten Flächen wurde im Jahr 2018 eine Fläche von 93.014 m² (2018: 94.791m²) abgesucht, um eine Bebauung zu ermöglich. Dies entspricht einer Größe von rund 13 Fußballfeldern.
Im Jahr 2019 wurden Insgesamt 52.000 Kilogramm Munition (2018: 41.450 Kilogramm) und in der Waffenannahme 28.385 Kilogramm Waffen (2018: 47.650 Kilogramm) vernichtet. Dies entspricht in etwa einer Anzahl von 17.100 Waffen oder Gegenständen nach dem Waffengesetz (2018: 28.500). Ebenfalls wurde dazugehörige Munition mit einem Gesamtgewicht von 10.981 Kilogramm vernichtet. Seit dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 wurden zwischenzeitlich mehr als 271.200 Waffen beim KMBD abgegeben und vernichtet.
„Ob bei der Entschärfung, Beförderung und Vernichtung von Kampfmitteln, der Luftbildauswertung, bei Verdacht oder Fund von Kampfmitteln auf Grundstücken oder bei der Beschaffung und Auswertung der im Zweiten Weltkrieg von der amerikanischen und britischen Luftwaffe gefertigten Luftbildaufnahmen – der Kampfmittelbeseitigungsdienst leistet täglich eine wichtige Aufgabe im Land, die höchster Sorgfalt und einer umfassenden Fachkenntnis bedarf“, lobt Regierungspräsident Wolfgang Reimer die Arbeit des KMBD.
Hintergrundinformationen:
Im Zweiten Weltkrieg fielen ca. 1,35 Millionen Tonnen Abwurfmunition auf das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Alleine auf das Land Baden-Württemberg entfielen rund 100.000 Tonnen Abwurfmunition. Hiervon detonierten etwa 10 bis 15 Prozent nicht, sodass noch etliche Bombenblindgänger in Baden-Württembergs Böden zu vermuten sind. Bombenblindgänger und auch andere Kampfmittel in Böden und Gewässern können lebensgefährlich sein. Auch fast 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges sind die Probleme noch nicht beseitigt. im Gegenteil, durch die voranschreitende Materialermüdung der Kampfmittel (Zünderteile, Sprengstoffe usw.) nimmt das Gefahrenpotenzial und das Risiko der Selbstdetonationen zu. Deshalb muss in Zukunft beim Auffinden von Kampfmitteln, bei der Beseitigung und Vernichtung einer erhöhten Anzahl von Vernichtungssprengungen vor Ort gerechnet werden.
Darüber hinaus befinden sich unzählige Kampfmittel aus Bodenkampfhandlungen, der unsachgemäßen Entledigung, dem Übungsbetrieb und letztendlich aus der Produktion sowie der Vernichtung in den Nachkriegsjahren in Böden und Gewässern. Um die Kampfmittel die sich noch im Erdreich befinden zu bergen und unschädlich zu machen, werden noch Jahrzehnte benötigt. Um diese gegenwärtigen Gefahren zu beseitigen, unterhält das Land Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Stuttgart den Kampfmittelbeseitigungsdienst, der für das gesamte Landesgebiet Baden-Württembergs zuständig ist, um aufgefundene Kampfmittel zu bergen, entschärfen und vernichten.
Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg, seien es Granaten, Patronen, Minen oder auch Bomben, die über den Industriezentren Baden-Württembergs wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn, Friedrichshafen und Ulm abgeworfen wurden, aber nicht detoniert sind, stellten - und stellen bis heute - eine erhebliche Gefährdung für die Bevölkerung dar. Wann immer Blindgänger gemeldet werden oder Bauvorhaben auf Geländen anstehen, die über die Luftbildauswertung als besonders gefährdet für diese Altlast gelten, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) zum Einsatz.
1946 wurden erstmals Sprengkommandos eingesetzt, die mit Fachleuten besetzt waren und so eine fachgerechte Beseitigung der Munition gewährleisteten. Hieraus entstand der KMBD. Zum 1. Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart übertragen. Das dortige Referat 16 ist zuständig für alle vier Regierungsbezirke in Baden-Württemberg. Der Einsatzbereich reicht von der Entschärfung von Kampfmitteln über die Beförderung geborgener Kampfmittel bis hin zur Vernichtung und der anschließenden Verwertung des angefallenen Materials. Die Einlagerung der geborgenen Munition erfolgt, bis zur endgültigen Vernichtung, im Munitionslager des KMBD.
Nicht alle Bomben lassen sich entschärfen. Dies kann vor allem bei Bomben mit sogenannten Langzeitzündern der Fall sein. Derartige Bomben werden dann kontrolliert zur Detonation gebracht. Neben der Entschärfung von Bomben und der Vernichtung der Kriegsmunition kümmert sich der KMBD auch um die Vernichtung von abgegebenen Waffen, deren Munition und verbotene Gegenstände nach dem Waffengesetz. Ein Großteil der zu vernichtenden Waffen ergibt sich aus jenen, die freiwillig von Bürgern bei den Polizei- oder Waffenbehörden abgegeben werden. Die gesammelten Waffen werden vom KMBD in eigenen Vernichtungsöfen ausgebrannt und anschließend zur Einschmelzung verbracht.
Derzeit sind 34 Mitarbeiter beim KMBD beschäftigt – darunter neun Feuerwerker, vier Munitionsvorarbeiter, zehn Munitionsfacharbeiter und sechs Luftbildauswerter. Bis zu neun Teams rücken täglich aus, um Blindgänger und Munition des Zweiten Weltkrieges zu bergen. Ein Rufbereitschaftsdienst stellt die Einsatzfähigkeit rund um die Uhr und an Wochenenden und Feiertagen sicher. Die Leitung des KMBD hat derzeit Ralf Vendel inne, vertreten wird er durch Mathias Peterle.
Anlage:
Faltblatt KMBD (PDF, 2 MB)