Pressemitteilung

Naturschutzgebiet „Viehweide auf Markung Michelbach“ (Hohenlohekreis) wird nach Jahren erstmals wieder beweidet

​Wald und Weide: was heute meist strikt getrennt wird, war über Jahrhunderte ein wichtiger Bestandteil der landwirtschaftlichen Nutzung – die Waldweide. Ausladende, knorrige und uralte Weidbäume sowie zahlreiche Birken sind landschaftsprägende Zeitzeugen dieser einstigen Nutzung. Das Naturschutzgebiet „Viehweide auf Markung Michelbach“ auf dem Gebiet der Stadt Öhringen im Hohenlohekreis ist eines der wenigen verbliebenen Waldweidegebiete im Land. Bis heute zeichnet es sich durch eine einzigartige Flora und Fauna aus und beeindruckt Besucherinnen und Besucher mit seinem unvergleichlichen Landschaftsbild.

„Die ‚Viehweide auf Markung Michelbach‘ ist ein idyllisches, parkartiges Gebiet mit seltenen Pflanzen und Tieren. Es wurde bereits vor über 80 Jahren unter Naturschutz gestellt“, sagt Regierungspräsident Wolfgang Reimer. Der Erhalt dieser wertvollen Lebensräume bedürfe einer regelmäßigen und gezielten Pflege, so Reimer weiter. „Optimal ist eine Pflege, die sich an der historischen Nutzung orientiert. Nach Jahrzehnten der maschinellen Pflege werden hier nun wieder Rinder als Landschaftspfleger aktiv sein. Biss und Tritt der Weidetiere prägen die Tier- und Pflanzenwelt in unnachahmlicher Weise – die ausschließliche Mahd ist hier auf Dauer kein adäquater Ersatz“, erklärte Reimer.

Geflecktes Knabenkraut, Niedrige Schwarzwurzel, Quendel-Kreuzblume und Wachtelweizen-Scheckenfalter – die Michelbacher Viehweide birgt rare Besonderheiten aus der Tier- und Pflanzenwelt. Das Vieh wurde früher üblicherweise in den Wald getrieben und tat sich dort an den Früchten von Eiche und Buche, an aufkommendem Gras und jungen Gehölzen gütlich. Durch diese Nutzung entstanden hier Ersatzlebensräume für Tiere und Pflanzen, die auf äußerst karge, nährstoffarme Standorte spezialisiert sind und woanders kaum mehr Lebensräume finden. Daher war es von großer Bedeutung, hier ein Naturschutzgebiet auszuweisen, sonst wäre die Fläche vermutlich aufgeforstet worden.

Waldweide bedeutend für Schutz von Flora und Fauna
Eine kontrollierte Beweidung kann in ausgewählten Wäldern der biologischen Vielfalt förderlich sein. Der Tritt von Huftieren führt in Verbindung mit unterschiedlicher Verbissintensität zu kleinräumig wechselnden Standortverhältnissen und schafft ein optimales Saatbeet für die Samen, die die Weidetiere im Fell von Biotop zu Biotop tragen. „Das ist auch ideal für die in den Gebieten vorkommenden Borstgrasrasen. So hoffen wir auch die Bestände der Arnika, einer typischen Art dieses mageren Grünlands, im Gebiet wieder zu stabilisieren. Die sonnig gelben Blüten dieses Weideunkrauts waren früher prägend für die Waldenburger Berge und ihre Waldweiden“, so Reimer.

Um die jahrhundertelange Tradition der Pflege mit Rindern wiederzubeleben, weidet seit vergangenem Wochenende, auch dank der Unterstützung des zuständigen Landratsamts, eine kleine Rinderherde eines Betriebs aus Goldbach im Naturschutzgebiet. Hierfür wurde mit Mitteln des „Sonderprogramms zur Stärkung der biologischen Vielfalt“, das die Landesregierung zum Erhalt der Artenvielfalt aufgelegt hat, ein stationärer Weidezaun gebaut. Zunächst ist geplant, dass die Rinder die rund 11 Hektar große Weide in zwei Abschnitten im Wechsel beweiden. Weidesaison ist von Mai bis Oktober. Das erste Jahr ist als Testjahr vorgesehen.

Die Michelbacher Viehweide ist ein gerne besuchtes Naturschutzgebiet. Deshalb wurde beim Zaunbau auch darauf geachtet, dass an den ausgewiesenen Wanderpfaden Durchlässe im Elektrozaun eingelassen sind, damit Wanderinnen und Wanderer weiterhin auf den ausgewiesenen Pfaden unterwegs sein können. Das Regierungspräsidium Stuttgart bittet alle Besucherinnen und Besucher, sich zum Schutz des Gebiets umsichtig zu verhalten und die notwendigen Regeln einzuhalten. Das Grünland dient nun direkt den Kühen als Nahrung. Es sollte daher auf keinen Fall verunreinigt werden. Hunde sind an der Leine zu führen und deren Hinterlassenschaften mit aus dem Gebiet zu nehmen. Auch Essensreste sollten bitte nicht im Naturschutzgebiet entsorgt werden.

Hintergrundinformationen „Sonderprogramm zur Stärkung der biologischen Vielfalt“
Das Artensterben macht auch vor den streng geschützten Naturschutzgebieten nicht Halt. Am offensichtlichsten zeigt sich dies bei den Insekten. Mit dem Sonderprogramm biologische Vielfalt verstärkt das Land seine Anstrengungen zum Erhalt der Artenvielfalt und hat unter anderem die finanzielle Förderung der Landschaftspflege über die Landschaftspflegerichtlinie aufgestockt. Besonderes Augenmerk wird dabei auf den Erhalt und die Entwicklung von Natura 2000-Gebieten und Naturschutzgebieten sowie den Biotopverbund gelegt. Mit den Mitteln können Maßnahmen umgesetzt werden, die die Pflege in den Gebieten optimieren.

Grundlage für das Weidemanagement waren Erhebungen im Rahmen des Projekts „Qualitätssicherung von Naturschutzgebieten“ – auch dies Teil des Sonderprogramms biologische Vielfalt.

Faltblatt „Weidewälder bei Waldenburg“: Naturschutzgebiete „Obere Weide“, „Entlesboden“ und „Viehweide auf Markung Michelbach“
Wer mehr über die Weidewälder bei Waldenburg erfahren möchte und Tipps für einen Besuch benötigt, kann sich im Faltblatt des Regierungspräsidiums Stuttgart „Weidewälder bei Waldenburg: Naturschutzgebiete Obere Weide, Entlesboden und Viehweide auf Markung Michelbach“ informieren. Es ist beim Regierungspräsidium direkt, über den Bestellshop der LUBW, beim Landratsamt Hohenlohekreis und im Rathaus der Stadt Waldenburg kostenlos erhältlich. 

Faltblatt "Weidewälder bei Waldenburg: Naturschutzgebiete Obere Weide, Entlesboden und Viehweide auf Markung Michelbach" (pdf, 2.6 MB)