Pressemitteilung

Neue Informationstafeln in den Naturschutzgebieten „Erkenbergwasen“ und „Unter dem Burz“ (Landkreis Esslingen)

Regierungspräsidentin Susanne Bay: „Hutewälder sind eine Bereicherung für die Natur – Besucherinnen und Besuchern erfahren hier Wertvolles über diese einzigartige Tier- und Pflanzenwelt“

Bild zeigt zwei Ziegen in einem Wald

Die Gegend um Neidlingen ist ein beliebtes Wandergebiet. Und immer wieder taucht bei Ausflüglern sowie Anwohnerinnen und Anwohner die Frage auf: Warum weiden hier, mitten im Wald, Schafe, Esel und Ziegen?
Regierungspräsidentin Susanne Bay weiß die Antwort: „Im Jahr 2016 wurde in Neidlingen ein Waldweideprojekt angestoßen. Hier befinden sich noch Reste von biologisch wertvollen Hutewäldern, die in Zusammenarbeit von Naturschutz- und Forstverwaltung, dem Landschaftserhaltungsverband Esslingen, der Gemeinde Neidlingen und Landwirten reaktiviert werden. Mit den Informationstafeln wollen wir den Besucherinnen und Besuchern zeigen, warum die Hutewälder eine Bereicherung für die Natur und wie wertvoll sie für die Tier- und Pflanzenwelt sind.“

Die neuen Informationstafeln zu den Hutewäldern stehen am Waldrand des Erkenbergs, einmal beim Sendemast und einmal am Albvereinswanderweg zur Burg Windeck. Eine weitere Schautafel befindet sich im Naturschutzgebiet „Unter dem Burz“, dort wo der Kirchsteig in den Panoramaweg mündet. Die Hutewaldflächen sind umzäunt, teils mit Festzaun, teils mit mobilen Zäunen. Dabei ist es auch an den Besucherinnen und Besuchern, dass die Hutewälder sich ungestört entwickeln können: Es ist wichtig auf den Wegen zu bleiben, keine Tiere zu füttern und Hunde an die Leine zu nehmen.

Eine historische Nutzungsform wird wiederbelebt
Im Neidlinger Talkessel gab es früher, angrenzend an die Wacholderheiden, lichte Wälder mit knorrigen, freistehenden Buchen, Linden und Feldahornen. Diese so genannten Hute- oder Weidewälder entstanden, weil früher, bevor sich die Stallhaltung durchsetzte, das Vieh zur Futtersuche in den Wald getrieben wurde. Schweine, Rinder, Schafe und Ziegen fraßen die Früchte der Laubbäume, aufkommendes Gras und junge Triebe. Dadurch wurde der Wald immer lichter, junge Bäume wuchsen kaum mehr nach. Diese lichten Wälder beherbergten einzigartige Lebensräume für Flora und Fauna. Hier wuchsen Silberdisteln und Orchideen und lebten unzählige Insektenarten.
Heute, ein bis zwei Jahrhunderte später, sind nicht nur die Hutewälder zu dichtem Wald geworden. Der Wald im Neidlinger Talkessel breitete sich auch talwärts bis in die Wacholderheiden hinein aus. Viele der licht- und wärmeliebenden Pflanzen- und Tierarten verschwanden. Geblieben sind noch wenige alte Weidbäume.

An diesen Hutewaldrelikten setzt das Projekt an. Es wurden einige Flächen ausgewählt, in denen man den Wald zunächst maschinell auslichtete und als Weide zugänglich machte. Alte Weidbäume wurden erhalten und freigestellt. Nun beißen wieder Schafe, Ziegen und Esel die aufkommenden Gehölze ab und schaffen Licht für die Pflanzen am Boden. Deren Blüten locken Insekten an, die wiederum Nahrungsquelle für Vögel sind. Beste Voraussetzungen also damit sich eine artenreiche Flora und Fauna erneut entwickeln kann. Auch die Weidetiere selbst spielen hierbei eine wichtige Rolle für die Ausbreitung von Pflanzen- und Tierarten. So können sie im Fell, im Magen und in den Klauen hunderte von Samen mit sich tragen und sogar Insekten transportieren. Die mächtigen Weidbäume sind als alt- und totholzreiche Lebensräume sehr wertvoll, insbesondere für Insekten. Der Alpenbock, eine europaweit geschützte Käferart, hat hier seinen Lebensraum zurückerobert und zeigt einen ersten Erfolg der Waldweide.

Hintergrundinformationen zur Waldweide
Die Begriffe Hutewald oder Weidewald stehen dafür, dass Vieh im Wald weidet oder gehütet wird. „Die Hut“ war einst ein vom Viehhüter beaufsichtigter Weideplatz. Heute werden Weidewälder wieder vermehrt gefördert; entsprechende Flächen in Natur- oder Waldschutzgebieten bieten sich dafür besonders an. Die heutige Waldweide dient primär dem Natur- und Artenschutz, denn sie fördert die biologische Vielfalt mit einzigartigen Strukturen und Lebensräumen und unterstützt den Biotopverbund. Daneben schaffen Hutewälder ein attraktives Landschaftsbild und dienen der Umweltbildung und Forschung. Ein weiterer Vorteil für Landwirte und Verbraucher: Die Waldweide ergänzt die Offenlandbeweidung und trägt zur Erzeugung hochwertiger Fleischprodukte bei.

Infotafel im Neidlinger Tal, Quelle: RPS (pdf, 1.8 MB)
Ziegen im Hutewald bei Neidlingen, Quelle: Ulrike Kreh (jpg, 4.3 MB)