Das beliebte Faltblatt über den Geigersberg im Landkreis Ludwigsburg, das vor zwanzig Jahren erstmals veröffentlicht wurde, war vergriffen – das einzigartige Gebiet lockt jedoch fortwährend viele Erholungssuchende an. Daher hat das Regierungspräsidium Stuttgart das Faltblatt in Zusammenarbeit mit der Stadt Sachsenheim völlig neu bearbeitet. Regierungspräsident Wolfgang Reimer hat das neue Faltblatt heute (Donnerstag, 8. Juli) im Beisein von Landrat Dietmar Allgaier sowie Sachsenheims Bürgermeister Holger Albrich offiziell vorgestellt. „Der Geigersberg ist ein Aushängeschild für die Sachsenheim-Ochsenbach. Das kulturhistorische und naturkundliche Kleinod im Kirbachtal ist im Landkreis und darüber hinaus bekannt. Deshalb freuen wir uns, Interessierte und Gäste viele Informationen zur Geschichte sowie zu den Pflanzen und Tieren dieses spannenden Gebiets geben zu können“, sagte Regierungspräsident Reimer. Das Faltblatt steht ab sofort als gedruckte und digitale Version kostenlos zur Verfügung.
Reimer lobte das vielfältige Engagement, den Geigersberg als kulturhistorische Weinlandschaft zu erhalten. Als seit den 1960er-Jahren am Geigersberg die traditionelle Weinbergnutzung stetig zurückging, fielen viele Parzellen brach. Dies führte dazu, dass in den 1990er-Jahren die Bewirtschaftung durch eine Rebflurbereinigung erleichtert werden sollte, um den Weinbau zu erhalten. „Somit wäre es hier vor 25 Jahren beinahe zu einer klassischen Rebflurbereinigung mit planierten Hängen gekommen. Doch es gab Stimmen dagegen und zum Glück auch viele engagierte Personen, die tatkräftig dazu beigetragen haben die Terrassenweinberge und die Trockenmauern zu erhalten. Durch ein gutes Miteinander gelang dann eine Flurneuordnung, die sowohl den örtlichen Weinbau als auch den Natur- und Landschaftsschutz stützt“, erklärte der Regierungspräsident. Das Wegenetz wurde verbessert, damit die Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer ihre Weinberge gut anfahren können, einige Grundstücke erhielten einen maschinengerechten Zuschnitt. Größtenteils blieben auch die alten Weinbergterrassen erhalten, einsturzgefährdete Trockenmauern wurden saniert oder erneuert. „Außerdem wurde ein Kulturlandschaftslehrpfad eingerichtet, um der Öffentlichkeit die Entwicklung des Geigersberg sowie die Bedeutung dieses Natur- und Kulturgut von höchstem Rang näherzubringen“, so Reimer.
Landrat Dietmar Allgaier erklärte dazu: „Der Geigersberg ist zu einem Vorbildprojekt geworden, wie durch die konstruktive und engagierte Zusammenarbeit aller Beteiligten Kulturlandschaft erhalten und erlebbar gemacht wird und ihr Gesicht behält. Gerade für unseren Landkreis mit den meisten terrassierten Trockenmauer-Steillagen im bundesweiten Vergleich ist es Pflicht, dass diese Trockenmauern geschützt und erhalten werden. Schwerpunkt unserer Naturschutzarbeit ist die Sanierung beschädigter Trockenmauern – allein zwischen 2018 bis 2020 wurden 100 Quadratmeter dieser Flächen saniert. Die Arbeit am Geigersberg ist fester Bestandteil unserer Partnerschaft mit dem ungarischen Komitat Pest – die Jugendlichen unterstützen uns in dieser Hinsicht jedes Jahr. Ich freue mich, dass dieser Flyer zum Rundweg genau rechtzeitig zum Start der Sommerferien veröffentlicht wird – so können sowohl Heimaturlauber ihre Region neu entdecken, als auch auswärtige Gäste auf den Rundweg am Geigersberg aufmerksam werden.“
Bürgermeister Holger Albrich betonte: „Die historische Weinlandschaft am Geigersberg ist Zeitzeuge einer gewachsenen Kulturlandschaft. Diese zu bewahren und gleichzeitig touristisch weiterzuentwickeln ist eine große Aufgabe für alle Beteiligten. Mit intensiver Öffentlichkeitsarbeit und der vor Ort aufgestellten Informationsbeschilderung möchten wir vor allem die Bewusstseinsentwicklung bei der Bevölkerung für diese einzigartige Raumschaft fördern, mit dem Ziel, Natur und Landschaft zu schützen und zu erhalten.“
Gemeinschaftliches Engagement
Um den Geigersberg kümmern sich bis heute viele Partnerinnen und Partner. Viele Wengerterinnen und Wengerter, die zunächst aufgeben und ihre Grundstücke verkaufen wollten, taten das dann doch nicht und bewirtschaften ihre Weinberge weiter – bis heute. Bereits brachgefallene Grundstücke kaufte das Land Baden-Württemberg über die Stiftung Naturschutzfonds für Naturschutzzwecke auf. Auch die Stadt Sachsenheim und der Landesjagdverband erwarben Flächen. Heute tragen Wengerterinnen und Wengerter gemeinsam mit Naturschützerinnen und Naturschützern Verantwortung für die Nutzung und Pflege des Geigersbergs. „Die Weinberge werden weiterhin bewirtschaftet, brachgefallene Terrassen mit ihren Wiesen, Halbtrockenrasen und Gebüschen vor dem Zuwachsen bewahrt, Trockenmauern instandgehalten. Das Land Baden-Württemberg stellt gemeinsam mit Stiftungen, Vereinen und Verbänden seit Jahren finanzielle Mittel bereit. Immer wieder finden außerdem Naturschutzcamps mit Jugendlichen statt, die sich an der Landschaftspflege beteiligen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen Unterstützerinnen und Unterstützern“, sagte Regierungspräsident Reimer.
Pflanzen und Tiere am Geigersberg
Das Nutzungsmosaik aus bewirtschafteten und nicht mehr bewirtschafteten Weinbergen mit Mauern, Staffeln, Magerrasen und Gehölzen bietet vielen selten gewordenen Pflanzen und Tieren Lebensraum. Unterschiedliche Brachestadien ermöglichen Wildbienen, Schmetterlingen und Schwebfliegen die Ansiedlung. Auf Dauer nicht mehr bewirtschaftete Rebflächen haben sich unter anderem zu artenreichen Magerrasen entwickelt. Die dünne Bodenkrume, ausbleibende Düngung, jährliches Abmähen gegen Verbuschung und das häufige Austrocknen des Bodens fördern eine bunte Pflanzen- und Tierwelt. So wachsen hier Karthäuser-Nelke und Wundklee. Mauereidechsen und Schlingnattern finden in den Trockenmauern Unterschlupf. Mit dem Weinhähnchen kommt eine seltene Heuschreckenart vor, die durch ihren gläsernen, in den Abendstunden weit hörbaren Gesang auffällt.
Weinlehrpfad und Wengertschützenhaus
Besucherinnen und Besucher können den Geigersberg auf dem Kulturhistorischen Weinlehrpfad erkunden. Auf dem zwei Kilometer langen Rundweg geben 30 Informationstafeln und ein Rebsortengarten Einblicke in die Entwicklung des Weinbaus, Anbauarten und Techniken, Schädlingsbekämpfung, Erhaltung der Trockenmauern sowie die Pflanzen- und Tierwelt. Höhepunkt ist ein Stichweg, der über eine Weinbergstaffel zum Wengertschützenhaus oben am Bergsporn führt. Hier wohnte früher während der Traubenreife der sogenannte Wengertschütz und achtete darauf, dass sich weder Diebe noch hungrige Stare an den Trauben zu schaffen machten. Von hier ist nicht nur ein großer Teil des Geigersbergs zu überblicken – die Aussicht reicht über Ochsenbach und das Kirbachtal hinweg bis weit ins Neckarland.
Hintergrundinformationen
Natura 2000
Als Teil des FFH (Fauna-Flora-Habitat)- und Vogelschutzgebiets Stromberg gehört der Geigersberg zum europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Auch dies zeigt die Bedeutung des Geigersbergs für den Arten- und Biotopschutz. Dabei stehen insbesondere die Magerrasen und Gehölze der brachgefallenen Weinberge so-wie die Vogelart Neuntöter und in den Streuobstwiesen der Halsbandschnäpper un-ter dem strengen Schutz von Natura 2000.
Mergelgruben im Keuper
Der Weinlehrpfad führt zu zwei Mergelgruben am Geigersberg, eine in den Oberen Bunten Mergeln und eine in den Stubensandsteinschichten. Diese kleinen Steinbrüche verraten nicht nur etwas zur Geologie des Keuperberglands, sondern sind auch kulturhistorische Zeugnisse. Die im Untergrund anstehenden Tonsteine verwittern bröckelig und zerfallen zu feinem Mergelgrus. Dieser wurde früher von den Wengertern abgegraben und zur Bodenauffrischung in die angrenzenden Weinberge gebracht. Mergel, auch Wengert-Kies genannt, war mehrfach nützlich: er diente zur Düngung, schuf eine gute Bodenstruktur und ersetzte abgeschwemmten Boden.
Das neue Faltblatt „Kulturhistorische Weinlandschaft Geigersberg-Ochsenbach“ ist über den Publikationsdienst der LUBW, beim Regierungspräsidium Stuttgart, sowie bei der Stadtverwaltung Sachsenheim kostenlos erhältlich. Auf der Internetseite des Regierungspräsidiums Stuttgart sowie der Internetseite der Stadt Sachsenheim können Interessierte außerdem eine digitale Version des Faltblatts abrufen.
Sehen Sie weitere Impressionen in der Mediathek des Regierungspräsidiums Stuttgart.