Pressemitteilung

Aktueller Stand denkmalgeschütztes Mehrfamilienhaus in Aichtal (Landkreis Esslingen)

Backsteingebäude mit dem Schild "Denkmalschutz" im Vordergrund

Die aktuelle mediale Berichterstattung hat die Aufmerksamkeit auf ein unter Denkmalschutz stehendes Mehrfamilienwohnhauses in Aichtal im Landkreis Esslingen gelenkt. Das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) möchte dies zum Anlass nehmen, um über den aktuellen Stand in dem Verfahren zu informieren.

Das Mehrfamilienwohnhaus wurde im Jahr 2016 im Hinblick auf eine Kulturdenkmaleigenschaft geprüft und durch das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) im RPS in das Verzeichnis der unbeweglichen Bau- und Kunstdenkmale aufgenommen. Das 1948 erbaute Gebäude ist denkmalwürdig und befand sich zu diesem Zeitpunkt definitiv auch in einem erhaltungsfähigen Zustand.

Nachdem das Mehrfamilienhaus als Kulturdenkmal erfasst wurde, wurde die Kulturdenkmaleigenschaft und die Erhaltungsfähigkeit des Gebäudes vor allem im Hinblick auf die heutigen Anforderungen, die an ein modernes Wohngebäude gestellt werden, durch die Stadt Aichtal als Eigentümerin angezweifelt. Vor einem Jahr fand aus diesem Grund ein Ortstermin mit der Unteren Denkmalschutzbehörde (Landratsamt Esslingen) und der praktischen Bau- und Kunstdenkmalpflege des LAD statt. Dabei konnte lediglich der äußere Zustand des Gebäudes bewertet werden. Eine Begehung des Gebäudeinneren war im Rahmen des Termins nicht möglich. Da somit eine vollständige Prüfung des Gebäudezustands nicht möglich war und es bisher nur eine sehr allgemeine Beschreibung der Schäden und der daraus resultierenden notwendigen Maßnahmen gibt, haben die Denkmalbehörden eine Baudokumentation anhand von Schadenserfassung, Fotos und Schätzung der Sanierungskosten bei der Stadt nachgefordert. Nur wenn alle Schäden und Kosten qualifiziert und quantifiziert dargestellt worden sind, kann über die Frage „Erhaltung oder Abbruch?“ denkmalschutzrechtlich entschieden werden.

Das RPS hält einen Austausch mit der Stadt Aichtal weiterhin für dringend notwendig. So fand in der vergangenen Woche erneut ein Gespräch statt, bei dem unter anderem erneut festgehalten werden konnte, welche Dokumente für eine vollumfängliche Prüfung des Falls durch das LAD und die Untere Denkmalschutzbehörde noch notwendig sind. In dem Zusammenhang hat die Stadt zugesagt, die ausstehenden Unterlagen möglichst zeitnah einzureichen. Dies ist bisher noch nicht erfolgt. Zudem soll ein gemeinsamer Vor-Ort-Termin stattfinden, bei dem das Gebäude vollständig begangen wird, um im gemeinsamen Austausch eine sachgerechte Lösung zu finden, die sowohl verfassungsrechtliche Belange seitens des Denkmalschutzes als auch die Interessen der Kommune würdigt. Zudem muss in diesem Rahmen geprüft werden, ob und inwiefern die Kommune in den vergangenen Jahren ihrer Unterhaltungspflicht nachgekommen ist.

Hintergrundinformationen:
Das Gebäude mit dem zugehörigen Wäschetrockenplatz ist aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen ein Kulturdenkmal gemäß § 2 Denkmalschutzgesetz Baden-Württemberg. Das Gebäude wurde 1948 als „Behelfsheim für Flüchtlinge“ errichtet. Bauherr war die Stadt, die Baupläne lieferte der Nürtinger Bauingenieur Werner Mehlhorn. Es sollte zunächst der Unterbringung von vier heimatvertriebenen Familien dienen, im Laufe des Jahres 1948 musste – zur Unterbringung weiterer vier Familien – umgeplant werden. Wie aus den Bauunterlagen hervorgeht wurde das Gebäude mit einfachen, der Stadt zur Verfügung stehenden Mitteln errichtet: Die Bruchsteine für das Untergeschoss stammen aus dem gemeindeeigenen Steinbruch, das Bauholz aus dem Gemeindewald. Die aufgehenden Wände (im Dach teilweise unverputzt) sind aus Lehmsteinen und vereinzelten Schlackesteinen gemauert. Die Lehmsteine wurden, unter Nutzung einer örtlichen Lehmgrube, in Eigenleistung der Heimatvertriebenen einfach und kostengünstig hergestellt. Das Gebäude ist Ergebnis der bevölkerungstechnischen Umwälzungen in Folge des Zweiten Weltkriegs und der damit verbundenen Wohnungsnot, nicht nur in Grötzingen. Es ist Zeugnis einer kurzen, aber wichtigen Phase der deutschen Nachkriegsgeschichte und belegt die Anstrengungen und Leistungen, die im Rahmen der Integration der Heimatvertriebenen bei alter und neuer Bevölkerung zu erbringen waren.

Eigentümer von Kulturdenkmalen sind gemäß § 6 Denkmalschutzgesetz dazu verpflichtet, „diese im Rahmen des Zumutbaren zu erhalten und pfleglich zu behandeln.“ Dieser Schutz hat in Baden-Württemberg Verfassungsrang. Grundsätzlich gibt es für solche Kulturdenkmäler seitens der Denkmalbehörden mehrere Möglichkeiten, unter anderem der Fortbestand durch Wohnnutzung. Dabei sind neben den nötigen Instandsetzungsarbeiten auch bauliche Veränderungen nach entsprechender Abstimmung mit den Denkmalbehörden grundsätzlich möglich. Im Falle eines Abbruchgesuchs müssen Schäden und Kosten seitens des Eigentümers/Antragstellers detailliert ermittelt und dargestellt werden. Erst dann können die Denkmalbehörden entscheiden, ob das Kulturdenkmal abhängig vom Umfang der notwendigen Teilerneuerung überhaupt als Kulturdenkmal erhalten bleiben kann und ob die Erhaltung dem Eigentümer zumutbar ist.