Pressemitteilung

Hochwasserschutz in Neckartenzlingen (Landkreis Esslingen): Spatenstich für die Ertüchtigung der Hochwasserschutzeinrichtungen an Neckar und Erms mit Regierungspräsidentin Susanne Bay und Bürgermeisterin Melanie Braun

Gemeinsames Projekt vom Landesbetrieb Gewässer im Regierungspräsidium Stuttgart und der Gemeinde Neckartenzlingen

Alle Teilnehmer stehen in einer Reihe mit einem Spaten in der Hand
Frau Regierungspräsidentin Bay steht am Rednerpult und hält Ihre Ansprache, dahinter Stehtische und ein Bagger, neben Ihr eine Skulptur
Frau Regierungspräsidentin Bay steht am Rednerpult und hält Ihre Ansprache, dahinter Stehtische und ein Bagger, neben Ihr eine Skulptur
Frau Bürgermeisterin Braun steht am Rednerpult und hält Ihre Brüßungsrede, dahinter Stehtische, neben Ihr eine Skulptur
Alle Teilnehmer stehen in einer Reihe mit einem Spaten in der Hand
Herr Zweig vom Regierungspräsidium Stuttgart steht vor zwei Clipcharts mit Plänen und erläutert die Maßnahme
Rüdiger Koch steht vor zwei Clipcharts mt Plänen und erklärt die Maßnahme
Drei Clipcharts stehen in einer Reihe mit Plänen und Informationen

Baumaßnahmen für die Ertüchtigung der Hochwasserschutzeinrichtungen starten im Mai 2023

Das Land Baden-Württemberg und die Gemeinde Neckartenzlingen haben gemeinsam die Verbesserung des Hochwasserschutzes an Neckar und Erms geplant. Die Ertüchtigung der Hochwasserschutzeinrichtungen an den Gewässern erster Ordnung Neckar und Erms in Neckartenzlingen, für die das Regierungspräsidium Stuttgart (RPS) zuständig ist, wird ab Mitte Mai 2023 beginnen. Ein erster Auftrag zur Umsetzung der umfangreichen Baumaßnahmen wurde kürzlich vom RPS Stuttgart vergeben.

Zur gemeinsamen Feier des Spatenstichs haben Regierungspräsidentin Susanne Bay, Regierungspräsidentin des Regierungsbezirk Stuttgart, und Melanie Braun, Bürgermeisterin von Neckartenzlingen, Gäste und Presse heute (27. April 2023) eingeladen. „Dass wir nun nach rund zehnjähriger Planungszeit die umfangreichen Baumaßnahmen für die Verbesserung der Hochwasserschutzmaßnahmen hier in Neckartenzlingen beginnen können, ist eine gute Nachricht für die Bürgerinnen und Bürger“, betonte Regierungspräsidentin Susanne Bay.

Die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Neckartenzlingen haben in den vergangenen Jahrzehnten schon einige Hochwasserereignisse miterleben müssen. Das große Neckarhochwasser im Mai 1978 hat in den meisten Gemeinden entlang des Neckars im Stuttgart Regierungsbezirk – und so auch in Neckartenzlingen – viele Schäden hinterlassen. Beim damaligen Hochwasserereignis sind nach heutigen Erkenntnissen etwa 780 m³/s an Wasser in Neckartenzlingen oberhalb der Ermsmündung neckarabwärts geflossen. Als Folge dieses Hochwassers wurde in 1979 ein Sonderprogramm Hochwasserschutz vom Landtag verabschiedet. Daraufhin wurden verschiedene Hochwasserschutzbauten am Neckar errichtet, auch in Neckartenzlingen. Diese Baumaßnahmen wurden in 1992 abgeschlossen.

„Die vor über 30 Jahren am Neckar errichteten Hochwasserschutzeinrichtungen können nach heutigen Erkenntnissen leider keinen umfassenden Schutz gegen ein statistisch alle 100 Jahre auftretendes Hochwasser bieten“, sagte Bay. Die vorhandenen Schutzeinrichtungen würden dann zumindest teilweise überflutet werden. Die vom Land erstellten Hochwassergefahrenkarten zeigen, dass im Gemeindegebiet von Neckartenzlingen bei einem hundertjährlichen Hochwasser über 700 Gebäude von Überflutungen betroffen wären. Der dabei auftretende Gesamtschaden wird vom RPS auf über 10 Millionen Euro geschätzt. Nach heutigen hydrologischen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass aktuell bei einem hundertjährlichen Hochwasser etwa 860 m ³/s Wasser oberhalb der Ermsmündung abfließen werden – deutlich mehr als 1978.

„Ich bin froh, dass wir gemeinsam mit Neckartenzlingen die Ertüchtigung des Hochwasserschutzes angehen. In Zeiten von Erderwärmung und zunehmenden Starkregenereignissen ist dies unerlässlich. Der Landesbetrieb Gewässer in meinem Haus wird die rund fünf Millionen Euro teure Maßnahme in enger Abstimmung mit der Gemeinde umsetzen. Die Kommune beteiligt sich mit 30 Prozent an diesen Kosten “, so die Regierungspräsidentin. Gleichzeitig dankte Bay allen am Projekt Beteiligten: „Für so ein umfangreiches und anspruchsvolles Projekt braucht es einen langen Atem. Daher gilt mein Dank allen an diesem wichtigen Hochwasserschutzprojekt beteiligten Personen.“

Bürgermeisterin Melanie Braun ergänzte: „Auch für uns ist der Spatenstich ein langersehnter Meilenstein. Bereits im Jahr 2010 wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Wenn man bedenkt, dass dies nun 13 Jahre her ist, sieht man wie lange die Genehmigungsverfahren andauern und wie hoch die gesetzlichen Anforderungen an dieses Projekt sind. Dies bedarf dringend einer Änderung der gesetzlichen und verfahrenstechnischen Vorgaben zum Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner an Gewässern. Wir freuen uns nun über die Umsetzungsphase, um bei den kommenden Starkregenereignissen geschützt zu sein. Vielen Dank an alle Beteiligten in diesem Verfahren und wir wünschen uns eine gelungene und sichere Bauphase.“

Regierungspräsidentin Susanne Bay wies darauf hin, dass neben den Genehmigungsanforderungen es auch Fragen der Finanzierung in Zeiten angespannter Haushaltslagen gäbe. Außerdem brauche es für solche umfangreichen Projekte qualifiziertes Personal. „Ich bin daher froh, dass wir nun gemeinsam starten können“, so Bay.

Hochwasserschutz im Rückblick und in der Vorschau

Aufgrund von wiederholten Hochwasserereignissen entlang des Neckars, kamen das Land und die Gemeinde überein, den Hochwasserschutz am Neckar dauerhaft zu verbessern. Es wurde vereinbart, die Hochwasserschutzeinrichtungen so zu ertüchtigen, dass sie künftig nicht nur Schutz gegen ein hundertjährliches Hochwasser bieten, sondern es wurde gleichzeitig vereinbart, dass ein Klimazuschlag und zusätzlich ein sogenannter Freibord, das heißt ein Sicherheitszuschlag gegen Wind und Welleneinfluss berücksichtigt werden sollen. Der Klimazuschlag besagt, dass auf Grundlage von Studien davon auszugehen ist, dass die Hochwasserabflüsse im gesamten Neckar etwa unterhalb von Horb bis zum Jahr 2050 um bis zu 15 Prozent ansteigen werden. Am Neckar oberhalb der Ermsmündung werden demzufolge bei einem hundertjährlichen Abfluss etwa 1.000 m ³/s Wasser abfließen. Daher werden die neu geplanten Hochwasserschutzeinrichtungen bereits auf diesen höheren Abfluss bemessen sein.

Die Planungen wurden zunächst unter Regie und auf Kosten der Gemeinde Neckartenzlingen durchgeführt. Im Mai 2017 konnte dann zwischen dem RPs mit seinem Landebetrieb Gewässer und der Gemeinde vertraglich vereinbart werden, dass die weiteren Planungen und die Durchführung der Baumaßnahmen unter Regie des Landesbetriebes Gewässer, angesiedelt beim RPS, durchgeführt werden. Diese Vereinbarung sieht regelmäßige und umfangreiche Abstimmungen zwischen dem Regierungspräsidium und der Gemeinde vor. Die Planungs- und Baukosten werden im Verhältnis 70 Prozent Land und 30 Prozent Gemeinde aufgeteilt.

Die Genehmigungsplanung für die Herstellung des hundertjährlichen Hochwasserschutzes am Neckar und im Mündungsbereich der Erms konnte im Herbst 2020 durch das RPS fertig gestellt werden. Ende 2020 informierte das RPS gemeinsam mit der Gemeinde die Bürgerinnen und Bürger in einer Öffentlichkeitsveranstaltung umfassend über den Stand der Planungen. Die Planfeststellungsunterlagen wurden im April 2021 beim Landratsamt Esslingen eingereicht. Das Landratsamt Esslingen hat den Planfeststellungsbeschluss im April 2022 erstellt. Ab diesem Zeitpunkt konnten die umfangreichen Ausführungspläne und die Ausschreibungsunterlagen für die Baumaßnahme erstellt werden. Im Januar 2023 informierten das RPS und die Gemeinde erneut auf einer gut besuchten Öffentlichkeitsveranstaltung zur Vorstellung der Gesamtmaßnahme in Neckartenzlingen.

Bedeutende Hochwasserschutzmaßnahme in drei Bereichen/Bauabschnitten

Die am Neckar vorgesehenen Maßnahmen gliedern sich in drei Bereiche/Bauabschnitte:

  • Bereich 1: Stuttgarter Straße
    Hier ist die Erhöhung der Schutzeinrichtungen entlang des linken Neckarufers auf rund 650 Meter erforderlich. Dazu muss die Bundesstraße 297 bereichsweise in Fahrtrichtung Nürtingen halbseitig gesperrt werden. Ein Ampelbetrieb soll ab Montag, 15. Mai 2023, eingerichtet werden. Der Radverkehr wird über die rechte Neckarseite umgeleitet. Etwaiger Fußverkehr kann den Gehweg auf der anderen Straßenseite benutzen beziehungsweise wird örtlich umgeleitet. Das RPS bittet für diese Beeinträchtigungen aufgrund der Hochwasserschutzmaßnahme um Verständnis. Entlang des Höllenbaches wird die Ertüchtigung des Hochwasserschutzdammes auf eine Länge von 650 Metern durchgeführt. Beide Maßnahmen sollen bis Februar 2024 abgeschlossen sein. Die halbseitige Sperrung der Bundesstraße erfolgt voraussichtlich ab 15. Mai 2023 für die Dauer von etwa sechs Monaten.
     
  • Bereich 2: Neckarstraße/In der Steige
    Direkt im Anschluss an den Bereich/den Bauabschnitt 1 beginnt die Maßnahmen am rechten Neckarufer. Hier werden die Schutzeinrichtungen am rechten Neckarufer sowie im Mündungsbereich der Erms auf einer Länge von insgesamt etwa 750 Metern ertüchtigt. Diese Arbeiten können mit örtlichen Sperrungen und Umleitungen einhergehen, über die das RPS nochmals informieren wird. Die Umsetzung dieser Teil-Maßnahme ist ebenfalls schon beauftragt. Die Bauarbeiten sollen bis Ende 2024 abgeschlossen werden.
     
  • Bereich 3: Im Wasen
    Als letzter Abschnitt sind die Hochwasserschutzeinrichtungen „Im Wasen“, entlang des linken Neckarufers und des Kraftwerkskanals, auf einer Länge von insgesamt 1,2 Kilometern zu ertüchtigen. Derzeit werden die Ausführungsplanung und die Ausschreibungsunterlagen erstellt. Der Bauauftrag für diesen dritten Abschnitt soll voraussichtlich Anfang 2024 erteilt werden. Die bauliche Umsetzung soll mit dem dritten und letzten Bauabschnitt im Jahr 2025 abgeschlossen sein.

Als Teil der Planung und im Vorfeld der anstehenden Baumaßnahmen wurden umfangreiche ökologische Untersuchungen, sowohl in den Uferbereichen, als auch im Gewässerbett in der Ermsmündung durchgeführt. Als Folge der vorgesehenen Eingriffe sind unter anderem umfangreiche Ausgleichspflanzungen und Maßnahmen zum Schutz einer Eidechsenpopulation durchgeführt worden. Die Bauarbeiten in ökologisch relevanten Bereichen werden durch entsprechende Fachleute begleitet und überwacht.

Bei den in den nächsten Monaten anstehenden Arbeiten ist mit Lärm – vor allem durch Baggerarbeiten und das Einrammen von Spundwänden – zu rechnen. Das RPS bittet auch für diese Beeinträchtigungen um Verständnis. Die Baumaßnahmen werden durch einen Lärmgutachter begleitet. Einzelne Gebäude in direkter Ufer- und Baustellennähe werden dabei etwas stärker betroffen sein. Das Regierungspräsidium und die Gemeinde werden daher rechtzeitig vor Beginn der Arbeiten auf die jeweiligen Eigentümerinnen und Eigentümer zukommen.

Mit den Baumaßnahmen am Neckar sollen gleichzeitig auch die an der Erms in Neckartenzlingen vorhandenen Gefahrenstellen beseitigt werden. Bei einem Hochwasser am 10. und 11. August 2002 trat die Erms über die Ufer und das Wasser lief über die Ermsstraße in Richtung Gemeindezentrum ab. Damals waren 98 Einfamilienhäuser, fast 200 Wohnungen, 21 Gewerbebetriebe und 50 Fahrzeuge von dem Hochwasser betroffen Der geschätzte Gesamtschaden belief sich auf über vier Millionen Euro.

Zur Verbesserung des Hochwasserschutzes an der Erms kamen das Land und die Gemeinde in 2004 überein, eine sogenannte Flutmulde zur Hochwasserentlastung im Bereich zwischen der Rundsporthalle und der Straßenbrücke Kelterplatz zu bauen. Die Flutmulde wurde 2006 gebaut. Sie entlastet im Hochwasserfall das eigentliche Ermsbett entlang der Ermstraße. Zeitgleich mit dem Bau Flutmulde sollte auch eine Engstelle an der Erms mit einem direkt am Ufer gebauten Schuppen beseitigt werden. Die Maßnahme konnte jedoch bisher wegen fehlendem Grunderwerb nicht umgesetzt werden. Der Gemeinde ist es jetzt allerdings gelungen, das notwendige Grundstück zu erwerben. Der Schuppen kann Mitte 2023 abgebrochen werden. Daher kann das Regierungspräsidium das Flussbett in diesem Bereich anschließend verbreitern und verschiedene Sanierungsmaßnahmen an der bestehenden Ufermauer und im Gewässerbett durchführen. Diese Maßnahme ist für das Jahr 2024 vorgesehen. Wir werden hierüber rechtzeitig informieren. Das RPS und die Gemeinde haben auch an der Erms das Ziel, einen hundertjährlichen Hochwasserschutz für die Menschen vor Ort zu erreichen.

Im Zuge der Hochwasserschutzmaßnahmen werden auch die Hochwasseralarm- und Einsatzpläne von der Gemeinde überarbeitet, sodass auch von öffentlicher Stelle die entsprechenden Maßnahmen im Hochwasserfall ergriffen werden können.

Dennoch kann auch der neu geplante und bald startende hundertjährliche Hochwasserschutz keine absolute Sicherheit gegen künftige Hochwasser bieten. Deswegen ist es notwendig, dass Bürgerinnen und Bürger auch durch Eigenvorsorge und eigene Maßnahmen Vorsorge gegen Hochwasser treffen. Dazu gehören neben dem Beobachten der Wasserstände im Hochwasserfall auch das Beachten von Verhaltens- und Vorsorgemaßnahmen im Hochwasserfall. Ausführliche Informationen dazu finden sich unter www.hochwasser.baden-wuerttemberg.de. Bei der Hochwasservorhersagezentrale des Landes können unter www.hvz.baden-wuerttemberg.de zudem die maßgebenden Wasserstände abgefragt werden.

Weitere Informationen zum Hochwasserschutz finden Sie auf dem Themenportal der Regierungspräsidien Baden-Württemberg unter www.rp.baden-wuerttemberg.de > Themen > Wasser > Hochwasserschutz.

Übersichtslageplan (pdf, 5.0 MB) (Quelle: RP Stuttgart)