In baden-württembergischen Gewässern sind natürlicherweise drei Flusskrebsarten heimisch. Diese sind der Edelkrebs (Astacus astacus), der Dohlenkrebs (Austropotamobius pallipes) und der Steinkrebs (Austropotamobius torrentium). Stein- und Edelkrebse waren ehemals landesweit verbreitet, während der Dohlenkrebs natürlicherweise nur im südbadischen Raum vorkommt. Seit Ende des 19. Jahrhunderts gehen die Bestände der heimischen Flusskrebse jedoch kontinuierlich zurück, wobei sich der negative Bestandstrend in den vergangenen Jahrzehnten nochmals deutlich verschärft hat. Viele lokale Bestände sind unwiederbringlich erloschen und die heimischen Flusskrebsarten gelten inzwischen als stark gefährdet oder als vom Aussterben bedroht. Aus diesen Gründen unterliegen sie einem europarechtlichen wie nationalen Schutz.
Die Hauptursache für den fortschreitenden Verlust heimischer Flusskrebsbestände sind mehrere invasive gebietsfremde Flusskrebsarten und die damit verbundene Verbreitung einer für die heimischen Arten tödlichen Tierseuche, der sogenannten Krebspest. Der Erreger der Krebspest stammt wie die meisten der invasiven Flusskrebsarten aus Nordamerika und wird von diesen ohne erkennbare Krankheitsanzeichen übertragen. Treffen infizierte nordamerikanische Flusskrebse im Gewässer auf heimische Arten, wird der Erreger übertragen. Die Ausbreitung des Erregers kann ganze Bestände der heimischen Arten in kürzester Zeit auslöschen. Für den Menschen oder andere Tiergruppen geht keine Gefahr von der Krebspest aus.
Die Fischerei- und Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Stuttgart, die unteren Naturschutzbehörden und die Fischereiforschungsstelle des Landes engagieren sich in den vergangenen Jahren mit großem Aufwand zum Schutz der letzten Bestände der heimischen Flusskrebse. Ein Schwerpunkt liegt in der gezielten Öffentlichkeitsarbeit. Die wichtigste Maßnahme im Kampf gegen die Krebspest und damit gegen das Aussterben unserer heimischen Flusskrebse ist unbedingt auf das verbotene Verbringen von Flusskrebsen in andere Gewässer zu verzichten. Das Um- oder Aussetzen kann in diesem Zusammenhang unbeabsichtigt fatale Folgen haben. Da die Sporen der Krebspest an feuchten Stiefeln, Kleidung, Maschinen und Geräten aber auch an Wild- und Haustieren haften und somit übertragen werden können, sind in Gewässern mit heimischen Flusskrebsen außerdem besondere Vorsichtsmaßnahmen zu beachten. Hierzu gehört unter anderem das Desinfizieren beziehungsweise vollständige Durchtrocknen von mit Gewässern in Berührung gekommenen Gegenständen. Außerdem sollten Mensch und Haustier nicht mehrere Gewässer oder Bereiche entlang eines Gewässerverlaufs betreten.
Haben sich die aus Nordamerika stammenden Flusskrebsarten einmal in einem Gewässer etabliert, ist es praktisch unmöglich, diese und damit auch die Krebspest wieder vollständig daraus zu entfernen. Die oftmals einzig verbleibende und nachweislich wirksame Bekämpfungsmöglichkeit von invasiven Flusskrebsen ist daher deren weitere Ausbreitung in Fließgewässern bachaufwärts zu verhindern, um dadurch in den Oberläufen und Nebenbächen sichere Refugien für heimische Flusskrebse und Ökosysteme zu schaffen. Hierzu werden im Einzelfall in kleinen Fließgewässern Ausbreitungsbarrieren, sogenannte Krebssperren, erhalten oder neu errichtet. Dabei wird durch bauliche Veränderungen, meist Blechauskleidungen aus Edelstahl, an bestehenden Querbauwerken oder Verdohlungen, verhindert, dass invasive Flusskrebse weiter bachaufwärts gelangen können. Da Flusskrebse auch kurze Distanzen über Land gehen können, muss ein Umwandern der Barriere durch geeignete Auskleidungen oder bauliche Einrichtungen verhindert werden. Eine regelmäßige Prüfung und Wartung der Krebssperren ist für deren dauerhafte Funktion elementar. In Baden-Württemberg wurden bereits zahlreiche Krebssperren zum Schutz bedeutender heimischer Flusskrebsbestände installiert, viele weitere sind in Planung und sollen in den nächsten Jahren realisiert werden. Baden-Württemberg ist dadurch bundesweit führend bei der Planung und dem Bau solcher Schutzeinrichtungen.
Hintergrundinformation:
Der Steinkrebs ist die kleinste heimische Flusskrebsart und insbesondere auf die sommerkühlen und strukturreichen Oberläufe unserer Fließgewässer als Lebensraum angewiesen. Er besiedelt (noch) zahlreiche Fließgewässer der Mittelgebirge in Baden-Württemberg. Dort nimmt der Steinkrebs als Allesfresser und Verwerter organischer Substanz eine wichtige Rolle im Ökosystem ein. Seine Schwesterart, der Dohlenkrebs, ähnelt in vielen Aspekten dem Steinkrebs, ist aber im Gegensatz zu diesem natürlicherweise in Deutschland nur im südbadischen Raum anzutreffen. Der Edelkrebs ist der größte einheimische Vertreter und stellt etwas geringere Anforderungen an die Wasserqualität als die beiden anderen heimischen Arten. Er hatte früher eine große Bedeutung als Speisekrebs und ist heute nur noch vereinzelt in Baden-Württemberg, meist in Stillgewässern wo er durch Besatz eingebracht wurde, anzutreffen.
Besonders problematisch ist die landesweite massive Ausbreitung des nordamerikanischen Signalkrebses (Pacifastacus leniusculus) in den mittelgroßen und kleinen Fließgewässern. Dieser besiedelt rasch ganze Gewässersysteme bis in die sauerstoffreichen Quellregionen hinein und bedroht dadurch insbesondere die letzten Bestände von Dohlen- und Steinkrebs in Baden-Württemberg. Signalkrebse sind robuster, aggressiver und vermehren sich rascher als unsere heimischen Flusskrebse. Somit gefährden sie die heimischen Populationen nicht allein durch eine Infektion mit der Krebspest, sondern auch durch Verdrängung.
Die aus Nordamerika stammenden Flusskrebsarten wurden durch den Menschen aus unterschiedlichsten Gründen (illegal) in unsere Gewässer eingebracht. Daher sind seit 2014 durch eine Verordnung der EU zum Umgang mit invasiven Arten die Haltung, Zucht und insbesondere das Ausbringen ins Freiland für vier gebietsfremde Flusskrebsarten verboten. In Baden-Württemberg sind bisher fünf invasive gebietsfremde Flusskrebsarten im Freiland nachgewiesen: Kamberkrebs, Kalikokrebs, Marmorkrebs, Roter Amerikanischer Sumpfkrebs und Signalkrebs.
Weiterführende Informationen finden sich im Leitfaden „Der Schutz der Flusskrebse“, der bei der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg (LAZBW) bezogen werden kann. Diese unterhält unter https://www.lazbw-ffs-krebse.de/home.html auch einen Online-Bestimmungsschlüssel. Zudem ist die Broschüre „ Artenschutz durch Krebssperren“ unter https://www.lfvbw.de/2-uncategorised/1470-artenschutz-durch-krebssperren abrufbar.
Signalkrebs (Pacifastacus leniusulus), Quelle: Benjamin Waldmann, RPS