Pressemitteilung

Jahresbilanz des KMBD 2020: 24 Tonnen Kampfmittel aufgefunden, darunter 14 Bomben / 26 Tonnen Waffen vernichtet

Regierungspräsident Wolfgang Reimer dankt allen beteiligten Behörden und Organisationen für die stets unkomplizierte, reibungslose Zusammenarbeit | Neues Hobby „Magnetangeln“ beschert dem Kampfmittelbeseitigungsdienst zahlreiche Einsätze.

75 cm Sprenggranate gefunden durch Magnetangler im LK Rastatt

Dem Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) Baden-Württemberg, der im Stuttgarter Regierungspräsidium angesiedelt ist, wurden im vergangenen Jahr von der Polizei und anderen Behörden im Land 961 Munitionsfunde (2019: 862) gemeldet. Die geborgene Munition hatte ein Gesamtgewicht von 24.700 Kilogramm (2019: 41.195 Kilogramm). Unter den Funden befanden sich 14 Bomben (2019: 16) mit einem Gewicht von 50 Kilogramm oder mehr. Insgesamt suchte der KMBD im Jahr 2020 Flächen von rund 83.900 Quadratmeter nach Kampfmitteln ab, um eine Bebauung zu ermöglichen. Das entspricht der Größe von etwa zwölf Fußballfeldern.

„Bei Bombenbergungen arbeiten die beteiligten Akteure aus den Bereichen Polizei, Kommune, Feuerwehr und Hilfsorganisationen professionell Hand in Hand, um so die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Kampfmittelbeseitigungsdienstes zu schaffen – beispielsweise mit Absperrungen und Evakuierungen. Ich danke allen Beteiligten für die reibungslose Zusammenarbeit. Neben den hauptamtlichen Kräften gilt mein Dank den vielen Ehrenamtlichen, die zum Wohle unseres Gemeinwesens in solchen Ausnahmesituationen ihren Dienst verrichten“, sagte Regierungspräsident Wolfgang Reimer.

Der gestiegene Anteil an Munitionsfunden ist teilweise auf das veränderte Freizeitverhalten der Bevölkerung infolge der Corona-Pandemie zurückzuführen. Auch dank des tollen Wetters im vergangenen Frühjahr drängte es die Menschen in die Natur oder die Zeit wurde genutzt, die Gärten neu zu gestalten. Einige Personen haben sich einer nicht ganz ungefährlichen Freizeitaktivität zugewandt, dem „Magnetangeln“. Eigentlich geht es um alte Schätze aus Metall, die aus Gewässern geangelt werden. Leider handelte es sich bei den Fundstücken jedoch oftmals um Munition aus den Weltkriegen. Viele dieser Fundstücke wurden, vermutlich, weil sie den Anglerinnen und Anglern suspekt waren, oftmals an Brückengeländern festgebunden oder achtlos im Uferbereich der Gewässer abgelegt. Allein dieses neuartige Hobby hat dem KMBD im Jahr 2020 über 80 Einsätze beschert – meist abends oder an den Wochenenden. Einen kurzen Artikel über die Arbeit des KMBD im Corona-Jahr 2020 ist im diese Woche veröffentlichten Jahresbericht 2020 des Regierungspräsidium Stuttgart auf Seite 10 abrufbar.

„Egal ob beim Magnetangeln, auf dem eigenen Stückle, im Garten oder im Wald – bitte verständigen Sie sofort die Polizei, wenn Sie Munition oder andere Kampfmittel finden“, appelliert Regierungspräsident Wolfgang Reimer an die Bevölkerung. „Die Abholung und Beseitigung erfolgt kostenlos durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst. Gefundene Munition darf auf keinen Fall bewegt oder transportiert werden. Jedes Manipulieren an den Kampfmitteln ist gefährlich, da es zu Selbstentzündungen oder -detonationen führen kann“, so Reimer weiter.

Weiterführende Informationen zum Umgang mit Munitionsfunden können dem Informationsblatt „Maßnahmen und Verhaltensregeln beim Auffinden von Fundmunition“ im Anhang entnommen werden.

Neben der Gefahr, die von Bomben ausgeht sowie den Herausforderungen einer Bombenbergung darf auch die Gefahr, die von Kleinmunition ausgeht, nicht unterschätzt werden. Gerade solche Munition wurde vielfach in Kampfhandlungen verwendet. Sie kann ein unvorhersehbares Risiko bergen und sorgt für die meisten Unfälle bei der Kampfmittelräumung. Munition mit vorgespannten Zündsystemen, die oftmals vor Ort als nicht transportfähig eingestuft wird, wird mit den Jahren immer gefährlicher und handhabungsunsicherer. In diesen Fällen ist es erforderlich, dass das Kampfmittel vor Ort gesprengt werden muss. Hier sind dann, wie bei Bombenentschärfungen, umfangreiche Absperrungen und Evakuierungen notwendig, um die Sprengung ohne Gefährdung Dritter durchzuführen.

Bei der Luftbildauswertung des Kampfmittelbeseitigungsdienstes gingen im Jahr 2020 insgesamt 1.540 Anträge von Bauherren, Baufirmen, Ingenieurbüros und Kommunen ein (2019: 1.503). Hierfür stehen den Mitarbeitenden über 110.000 Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte zur Verfügung.

Im Jahr 2020 wurden in der Waffenannahme insgesamt 25.986 Kilogramm Waffen (2019: 28.385 Kilogramm) und 5.304 Kilogramm Munition (2019: 10.981 Kilogramm) vernichtet. Dies entspricht in etwa einer Anzahl von 15.600 Waffen oder Gegenständen nach dem Waffengesetz (2019: 17.100). Seit dem Amoklauf von Winnenden am 11. März 2009 wurden zwischenzeitlich etwa 286.800 Waffen beim KMBD abgegeben und vernichtet.

„Auch 75 Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ist die Arbeit des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Baden-Württemberg enorm wichtig und verdient Anerkennung und Respekt. Die Mitarbeitenden des KMBD leisten einen unschätzbaren Beitrag für die Sicherheit aller Bürgerinnen und Bürger des Landes“, lobt Regierungspräsident Wolfgang Reimer die Arbeit des KMBD. „Das tun sie mit einem hohen Maß an Professionalität und einem enormen Fachwissen.“

Hintergrundinformationen:

Im Zweiten Weltkrieg fielen ca. 1,35 Millionen Tonnen Abwurfmunition auf das Gebiet des damaligen Deutschen Reiches. Alleine auf das Land Baden-Württemberg entfielen rund 100.000 Tonnen Abwurfmunition. Hiervon detonierten etwa 10 bis 15 Prozent nicht, sodass noch etliche Bombenblindgänger in Baden-Württembergs Böden zu vermuten sind. Bombenblindgänger und auch andere Kampfmittel in Böden und Gewässern können lebensgefährlich sein. Auch 75 Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges sind die Probleme noch nicht beseitigt. im Gegenteil, durch die voranschreitende Materialermüdung der Kampfmittel (Zünderteile, Sprengstoffe usw.) nimmt das Gefahrenpotenzial und das Risiko der Selbstdetonationen zu. Deshalb muss in Zukunft beim Auffinden von Kampfmitteln, bei der Beseitigung und Vernichtung einer erhöhten Anzahl von Vernichtungssprengungen vor Ort gerechnet werden.

Darüber hinaus befinden sich unzählige Kampfmittel aus Bodenkampfhandlungen, der unsachgemäßen Entledigung, dem Übungsbetrieb und letztendlich aus der Produktion sowie der Vernichtung in den Nachkriegsjahren in Böden und Gewässern. Um die Kampfmittel die sich noch im Erdreich befinden zu bergen und unschädlich zu machen, werden noch Jahrzehnte benötigt. Um diese gegenwärtigen Gefahren zu beseitigen, unterhält das Land Baden-Württemberg beim Regierungspräsidium Stuttgart den Kampfmittelbeseitigungsdienst, der für das gesamte Landesgebiet Baden-Württembergs zuständig ist, um aufgefundene Kampfmittel zu bergen, entschärfen und vernichten.

Kampfmittel aus dem zweiten Weltkrieg, seien es Granaten, Patronen, Minen oder auch Bomben, die über den Industriezentren Baden-Württembergs wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn, Friedrichshafen und Ulm abgeworfen wurden, aber nicht detoniert sind, stellten – und stellen bis heute – eine erhebliche Gefährdung für die Bevölkerung dar. Wann immer Blindgänger gemeldet werden oder Bauvorhaben auf Geländen anstehen, die über die Luftbildauswertung als besonders gefährdet für diese Altlast gelten, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) zum Einsatz.

1946 wurden erstmals Sprengkommandos eingesetzt, die mit Fachleuten besetzt waren und so eine fachgerechte Beseitigung der Munition gewährleisteten. Hieraus entstand der KMBD. Zum 1. Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart übertragen. Das dortige Referat 16 ist zuständig für alle vier Regierungsbezirke in Baden-Württemberg. Der Einsatzbereich reicht von der Entschärfung von Kampfmitteln über die Beförderung geborgener Kampfmittel bis hin zur Vernichtung und der anschließenden Verwertung des angefallenen Materials. Die Einlagerung der geborgenen Munition erfolgt, bis zur endgültigen Vernichtung, im Munitionslager des KMBD.

Nicht alle Bomben lassen sich entschärfen. Dies kann vor allem bei Bomben mit sogenannten Langzeitzündern der Fall sein. Derartige Bomben werden dann kontrolliert zur Detonation gebracht. Neben der Entschärfung von Bomben und der Vernichtung der Kriegsmunition kümmert sich der KMBD auch um die Vernichtung von abgegebenen Waffen, deren Munition und verbotene Gegenstände nach dem Waffengesetz. Ein Großteil der zu vernichtenden Waffen ergibt sich aus jenen, die freiwillig von Bürgern bei den Polizei- oder Waffenbehörden abgegeben werden. Die gesammelten Waffen werden vom KMBD in eigenen Vernichtungsöfen ausgebrannt und anschließend zur Einschmelzung verbracht.

Derzeit sind 33 Mitarbeitende beim KMBD beschäftigt – darunter neun Feuerwerker, vier Munitionsvorarbeiter, neun Munitionsfacharbeiter und acht Luftbildauswerter. Bis zu neun Teams rücken täglich aus, um Blindgänger und Munition des Zweiten Weltkrieges zu bergen. Ein Rufbereitschaftsdienst stellt die Einsatzfähigkeit rund um die Uhr und an Wochenenden und Feiertagen sicher. Die Leitung des KMBD hat Ralf Vendel inne, vertreten wird er durch Mathias Peterle.

Informationen zum KMBD finden Sie auch online auf der Internetseite der Regierungspräsidien.

Anlage:
Faltblatt KMBD (pdf, 2 MB)

Handgranate gefunden durch Magnetangler im LK Heidelberg