Regierungspräsidentin Susanne Bay hat heute Abend (10. Oktober 2024) den Landrat des Landkreises Esslingen, Marcel Musolf, vereidigt und verpflichtet. Nach § 37 Absatz 4 Landkreisordnung vereidigt und verpflichtet die Rechtsaufsichtsbehörde den Landrat.
Bei ihrer Ansprache gratulierte die Stuttgarter Regierungspräsidentin Marcel Musolf zu seiner Wahl und wünschte ihm einen guten Start in eine erfolgreiche Amtszeit.
Gerne stellen wir Pressevertreterinnen und Pressevertretern die Rede von Regierungspräsidentin Bay zur Verfügung – es gilt das gesprochene Wort:
„Als Sie, lieber Herr Musolf, mit 53 von 93 Stimmen souverän bereits im ersten Wahlgang zum neuen Landrat des Landkreises Esslingen gewählt wurden, war es Ende Juli und Hochsommer. Nun haben wir Oktober, der Herbst ist eingekehrt und damit eine Jahreszeit der Veränderung, eine Jahreszeit des Wechsels.
Eine Veränderung – passend zur Jahreszeit – erfährt heute auch Ihr Landkreis Esslingen, lieber Herr Musolf, mit Ihrer Vereidigung: Es freut mich wirklich sehr, dass ich Ihnen nochmals in diesem Rahmen offiziell und von Herzen zu Ihrer Wahl gratulieren darf.
Als ehemaliger Fechter im Deutschlandkader wissen Sie, dass Sie mit Ihrer Wahl den ersten Treffer gelandet haben. Sie wissen aber ebenso, dass Sie nunmehr eigentlich erst die Planche betreten haben, sozusagen am Anfang des Gefechts beziehungsweise der großen Aufgaben stehen.
Diese sind Ihnen alles andere als fremd: Herausforderungen nehmen Sie gerne an, wie Ihr bisheriges Wirken, zum Beispiel Ihre Wahl 2011 zum jüngsten Bürgermeister Baden-Württembergs, zeigt. Nun sind Sie zum Zeitpunkt Ihres Amtsantritts der jüngste Landrat Baden-Württembergs – dies bedeutet einen großen Vertrauensvorschuss, der Ihnen Rückenwind geben wird für die nächsten Runden.
Schließlich stellt der Wechsel an der Spitze eines Landkreises stets eine Zäsur für alle Beteiligten dar, erst recht aber nach 24 Jahren, in denen Ihr Vorgänger Herr Landrat a. D. Einiger den Landkreis Esslingen außerordentlich erfolgreich vorangebracht und geprägt hat.
Nun ist es an Ihnen, Ihre eigenen Schwerpunkte zu setzen und gemeinsam mit dem Kreistag, der Landkreisverwaltung und den weiteren Engagierten den Landkreis in die Zukunft zu entwickeln, Herausforderungen anzugehen, Chancen zu erkennen und zu nutzen.
Und die Herausforderungen sind vielfältig – denken wir an den Klimawandel mit seinen spürbaren Folgen, die Sicherung der Energieversorgung durch Erneuerbare, die Forderung nach Bürokratieabbau, die Sie zum einen als Chef einer Verwaltung selbst erheben, zum anderen aber auch mit ihren Kolleginnen und Kollegen im Amt selbst umsetzen müssen, sei es die weitere Digitalisierung der Verwaltung, die Bereitstellung gedeihlicher Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, der Erhalt und Ausbau der Infrastruktur, die erforderlichen Investitionen in Bildung und die sozialen Sicherungssysteme, der demografische Wandel mit all seinen Folgen oder die Zukunft der Gesundheitsversorgung sowie die Bewältigung globaler Krisen, die auch auf lokaler Ebene direkt bei den Menschen ihre Auswirkungen haben.
Wie groß diese Auswirkungen solcher Krisen ganz konkret vor Ort sein können, hat uns zum Beispiel die Corona-Krise gezeigt. Doch nicht erst seit ihr wissen wir, wie wichtig eine flächendeckende gesundheitliche Versorgung ist. Einen ersten Fokus möchten Sie, lieber Herr Musolf, daher auf die hausärztliche Versorgung und deren strategische Ausrichtung setzen. Schließlich sind die Hausarztversorgung und Nach-wuchsgewinnung sowie ein standhafter Gesundheitssektor wie gesagt große Themen, sowohl in ganz Deutschland als auch im Landkreis Esslingen.
In Ihren Ehrenämtern als erster Vorsitzender des Krankenpflegevereins Bissingen an der Teck sowie als erster Vorsitzender des Beirats der DRK Zukunfts-Stiftung Nürtingen – Kirchheim/Teck wissen Sie sicherlich, wo es hier Not am Mann beziehungsweise an der Frau ist. Im Übrigen etwas, das auch wir im Regierungspräsidium Stuttgart mit Kampagnen wie „The Ländarzt“ zur Landarztquote oder unserem Landesprüfungsamt für Gesundheitsberufe tatkräftig mit angehen.
Sie möchten den Menschen auf Augenhöhe begegnen und Ihr Amt mit den Menschen gestalten. Gelegenheit dazu haben Sie häufig – und auch heute geht es dementsprechend weiter: Als erste Amtshandlung nach Ihrer Vereidigung steht das Einbringen des Kreishaushalts 2025 in das Gremium aus gewählten Vertreterinnen und Vertretern aus der Bürgerschaft auf der Tagesordnung, die – so sagt es die Erfahrung – ganz sicher den Entwurf mit eigenen Ideen mitgestalten werden.
Sie wissen aus Ihrer Zeit als Leistungssportler, dass es nicht nur auf die direkten Fähigkeiten im Trubel des Gefechts ankommt – was beim Thema Haushalt durchaus auch mal wörtlich genommen werden kann. Sondern auch darum, die Gesamtsituation strategisch zu lesen und das eigene Agieren entsprechend auszurichten.
Ähnlich verhält es sich mit einem Landrat: Es bedarf sowohl fachlicher Kompetenz, als auch einer klugen Strategie und der Fähigkeit, sich den aktuellen Herausforderungen und Konstellationen zu stellen, die unsere Gesellschaft tagtäglich prägen. Ein Landrat ist sowohl als Manager, als Verwalter, als Gestalter und als Repräsentant gefragt.
Den nötigen Mut und Willen, die Dinge anzugehen, haben Sie bereits mit ihrer erfolgreichen Bewerbung bewiesen. Zum Glück stehen dabei auch nicht, wie beim Fechten normalerweise üblich, alleine auf dem Platz.
In Zusammenarbeit mit dem Kreistag, der Verwaltung, den Kommunen, den Vereinen und Gruppierungen, der Wirtschaft und – ganz wichtig – den Bürgerinnen und Bürgern, können Sie den Landkreis Esslingen mitgestalten.
Es werden sich in der Sache nicht immer alle einig sein. Es wird sicherlich und hoffentlich auch mal kontrovers diskutiert, es werden Standpunkte ausgefochten, sozusagen. Diskussionen sind der Kern der Demokratie, aber dabei sollte immer mit Respekt für die Position der oder des anderen die jeweils bestmögliche Lösung gesucht werden – in gemeinsamer Verantwortung für das große Ganze.
Und hier kommen wiederum Sie zum Zuge, lieber Herr Musolf. Ganz bewusst haben Sie in Ihrer Bewerbungsrede unsere Demokratie und das, was sie ausmacht gegen Untergrabung verteidigt. Gerade auch in ihrem neuen Amt haben Sie nun weiter die Chance, ganz aktiv dabei mitzuwirken, dass wir zum Bewältigen der großen Herausforderungen eine breite demokratisch legitimierte Verständigung erreichen.
Eine Verständigung darüber, in was für einer Gesellschaft, mit welchem gemeinsamen Bild von Zukunft wir mit alle unserer Unterschiedlichkeit leben wollen.
Und ich finde, wir dürfen deshalb insbesondere zu solchen Anlässen wie dem heutigen darauf hinweisen, dass manche beklagten Untergangsszenarien, dass in unserem Staat gar nichts mehr funktioniere, erstens nicht stimmen und zweitens eine kollektive Niedergedrücktheit erzeugen, die genau das Gegenteil von dem bewirkt, was wir gerade brauchen. Wir brauchen eine offene und ehrliche Debatte darüber, an welchen Stellen wir im Moment zu kompliziert aufgestellt sind, wo Dinge konkret nicht funktionieren, wo wir uns neu committen müssen, wie viel wir in welcher Tiefe regeln wollen, und – wie viel Einzelfallgerechtigkeit wir als Bürgerinnen und Bürger hinterlegt haben wollen. Auch bei dieser Debatte spielen die Vertreterinnen und Vertreter „des Staates“, also auch Sie, lieber Herr Musolf, eine gewichtige Rolle.
Als Bürgermeister haben Sie in den vergangenen 13 Jahren bereits unter Beweis gestellt, dass Sie für all diese vielfältigen Aufgaben, die auf Sie zukommen, das richtige Rüstzeug haben. Den Landkreis bezeichnen Sie als „Heimat“, Ihre Kandidatur bezeichneten Sie als „Herzensangelegenheit“ – ich denke, da können auch die 44 Gemeinden in Ihrem Landkreis sicher sein, dass ihr neuer Landrat Ihre Seite sehr gut kennt.
Und deshalb bin ich überzeugt davon, dass Sie die großen Fußstapfen, in die Sie treten, nicht schrecken, sondern dass Sie Ihre eigenen Fußstapfen setzen, Iihren eigenen Weg gehen. Der Wechsel vom dienstältesten Landrat zum jüngsten Landrat in Baden-Württemberg kann sich hier ja schon einmal sehen lassen.
Ich gratuliere Ihnen nochmal ganz herzlich zu Ihrer Wahl und wünsche Ihnen alles Gute, insbesondere beste Gesundheit, viel Gestaltungswillen und das viel zitierte glückliche Händle für die nächsten Jahre! Als Rechtsaufsichtbehörde werden meinen Kolleginnen und Kollegen und ich, wenn nötig kritisch, viel lieber aber beratend und ermöglichend, an Ihrer Seite stehen.
Und ich hoffe sehr, dass Ihnen Ihre neue Aufgabe auch Zeit lässt zum Durchatmen – inzwischen zwar nicht mehr für Gefechte mit Degen, dafür aber für wunderbare Zeiten mit Ihrer Familie und entspannte morgendliche Runden mit Ihrem Hund – egal ob im sonnigen Hochsommer oder regnerischen Herbst.“
Vereidigung und Verpflichtung durch Regierungspräsidentin Susanne Bay.
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Quelle: Fotografie Ebinger