Pressemitteilung

Naturschutzgebiet Eichenhain in Sillenbuch: Regierungspräsidium und Stadt verständigen sich auf Kompromiss für Naturschutz und Besuchersicherheit

Teile werden wieder geöffnet – Teile bleiben abgezäunt

Das bild zeigt 5 Holzwürfel auf türkisfarbenem Hintergrund mit der Aufschrift INFO i

Das Regierungspräsidium Stuttgart und die Landeshauptstadt Stuttgart haben sich in konstruktiven Gesprächen auf eine vorläufige Lösung im aktuellen Zielkonflikt zwischen Zugänglichkeit für die Bevölkerung und Verkehrssicherungspflicht einerseits sowie Natur- und Artenschutz andererseits verständigt. An einer langfristigen Lösung wird gemeinsam gearbeitet.

Aus Gründen der Verkehrssicherheit sind Teile des Sillenbucher Naturschutzgebiets Eichenhain abgesperrt. Das Regierungspräsidium Stuttgart und die Landeshauptstadt Stuttgart haben in konstruktiven Gesprächen eine vorläufige Lösung im aktuellen Konflikt gefunden. Laut Regierungspräsidentin Susanne Bay und Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper hat der Kompromiss folgenden Inhalt: Die umzäunten Flächen werden verkleinert. Weitere Bäume, von denen Gefährdungen ausgehen könnten, im Umfeld von Bänken, ausgetretenen Pfaden sowie in der direkten Umgebung des Elly-Heuss-Knapp-Denkmals, dürfen beschnitten werden. Die Landeshauptstadt Stuttgart prüft mit einem Rechtsgutachten, welchen Umfang die Verkehrssicherungspflichten der Landeshauptstadt Stuttgart haben.

Regierungspräsidentin Susanne Bay sagte: „Der Eichenhain hat seine besondere Schönheit und seinen Artenreichtum nur bewahrt, weil er ein Naturschutzgebiet ist. Ohne die Unterschutzstellung wäre der Eichenhain nicht nur nach dem Krieg als Brennholz-Quelle genutzt, sondern mittlerweile vermutlich auch längst bebaut worden. Wir wollen den Eichenhain weiterhin als Naturschutzgebiet erhalten. Gleichzeitig wollen wir den Menschen, die dort Erholung suchen, einen sicheren Aufenthalt ermöglichen. Daher suchen wir gemeinsam mit der Stadt nach Lösungen und haben nun im ersten Schritt welche gefunden. Bei den weiteren Schritten ist auch ein Besucherlenkungskonzept wichtig. “ Die Regierungspräsidentin dankte der Landeshauptstadt und Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper für die konstruktiven Gespräche: „Gemeinsam wollen wir die verschiedenen Interessen im Eichenhain in Einklang bringen. Ich bin zuversichtlich, dass uns dies gelingen wird.“

Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper sagte: „Wir haben einen vernünftigen Kompromiss gefunden. Bei allem Verständnis für den Natur- und Artenschutz gilt für mich: Der Eichenhain muss für die Bevölkerung zugänglich sein – jedenfalls so weit wie irgend möglich.“

Aktuelle Situation

Im Naturschutzgebiet Eichenhain im Stuttgarter Stadtbezirk Sillenbuch sind seit einigen Wochen einige Bereiche durch Zäune abgesperrt, da die Stadt Stuttgart bei Baumkontrollen Schäden festgestellt hat. So besteht Astbruchgefahr und zahlreiche Bäume sind nicht „verkehrssicher“. Viele der Eichen sind 300 bis 400 Jahre alt. Da eine Gefahr für Besuchende des Eichenhains besteht, die teils regelmäßig auch abseits der Wege unterwegs sind, sind Sicherungsmaßnahmen erforderlich.

Als Naturschutzgebiet steht der Eichenhain unter besonderem Schutz. Die alten Eichen und der Magerrasen sind naturschutzfachlich von herausragender Bedeutung. Sie sind Lebensraum für unzählige seltene und gefährdeten Arten, die außerhalb von Schutzgebieten kaum noch Lebensraum finden. Der Eichenhain ist unter anderem das bedeutendste Gebiet für Wildbienen in ganz Stuttgart und auch die Fledermausfauna mit neun teils sehr seltenen Arten ist besonders.

Darüber hinaus prägen die alten Bäume mit ihrer charakteristischen Wuchsform das Gebiet auch landschaftlich in besonderem Maße und machen es für Menschen sehr attraktiv. Dabei sind gerade die „verkehrssicherungsrelevanten Strukturen“ wie Totholz, Baumhöhlen, Spechtlöcher, Stammrisse und lose Rinde außerordentlich bedeutende Lebensräume unter anderem für Vögel, Fledermäuse und holzbewohnende Insektenarten. Aus diesem Grund sind Schnitt- und Fällmaßnahmen an den Bäumen nicht möglich, ohne den Lebensraum vieler Arten zu beeinträchtigen oder zu zerstören.

Austausch zur Lösungsfindung

In konstruktiven Gesprächen haben die beteiligten Ämter und Referate der Landeshauptstadt Stuttgart (LHS) und des Regierungspräsidiums Stuttgart (RPS) nun gemeinsam Lösungen erarbeitet, die sowohl dem sicheren Aufenthalt der Menschen, als auch den Belangen des Naturschutzgebiets gerecht werden.

Weil flächendeckende Schnittmaßnahmen oder gar Fällung der alten Eichen im gesamten Gebiet nicht mit dem Schutzzweck des Naturschutzgebiets zu vereinbaren sind, haben sich die LHS und das RPS nun darauf verständigt, dass in den Bereichen, die besonders von Besuchenden frequentiert sind – rund um das Elly-Heuss-Knapp Denkmal, an Sitzbänken und an einigen stark genutzten Ein- und Ausgängen des Naturschutzgebiets – vorsichtige Schnittmaßnahmen und Totholzentnahmen ermöglicht werden, um den Menschen weiterhin die Möglichkeit zu geben, sicher Erholung im Eichenhain zu suchen und finden.

Eine Entfernung der vorläufigen Zäune wird jedoch aus Gründen der Verkehrssicherung nur eingeschränkt möglich sein. Durch einmalige Schnittarbeiten kann die Verkehrssicherung allerdings nicht dauerhaft gewährleistet werden. Gründe hierfür sind, dass die Bäume sich kontinuierlich verändern und Schädigungen durch Wetter- und Klimaeinflüsse regelmäßig auftreten.

Die Sicherheit der Menschen im Eichenhain hat höchste Priorität. Daher wird das Regierungspräsidium Stuttgart als höhere Naturschutzbehörde nun – wie bereits erwähnt – vorsichtige Schnittmaßnahmen und Totholzentnahmen durch die Landeshauptstadt ermöglichen. Die Kombination von Bereichen im Eichenhain, in denen vorsichtige Schnittmaßnahmen naturschutzverträglich – ohne Beeinträchtigung von Vögeln und Fledermäusen – durchgeführt werden können und Bereiche, in denen die Sicherheit der Menschen durch Absperrungen gewährleistet wird, trägt einerseits dem Erholungsinteresse der Bevölkerung und andererseits dem Natur- und Artenschutz Rechnung.

Langfristige Lösung erforderlich

Um die verschiedenen Interessen im Naturschutzgebiet Eichenhain langfristig miteinander in Einklang bringen zu können, beabsichtigt die Landeshauptstadt Stuttgart durch ein Rechtsgutachten zu untersuchen, welchen Umfang die Verkehrssicherungspflicht der Stadt im Eichenhain hat. Auf Basis des Gutachtens werden langfristige Maßnahmen in Abstimmung zwischen der LHS und dem RPS umgesetzt werden.

Eine Option könnte die Errichtung eines sich harmonisch in die Landschaft einfügenden Weidezauns, vergleichbar dem Weidezaun am Hangkantenweg, sein. Dieser Weidezaun würde auch der Unterstützung des Schäfers dienen, denn erhalten und gepflegt wird das Gebiet bereits jetzt durch Beweidung. Diese Beweidung mit Schafen, Ziegen und Jungrindern dient der Entwicklung und Offenhaltung der artenreichen dortigen Vegetationsstrukturen. Für die genauen Festlegungen ist allerdings das Gutachten abzuwarten.

Hintergrundinformationen:

Das Naturschutzgebiet Eichenhain wurde bereits 1947 unter Naturschutz gestellt. Die Kategorie „Naturschutzgebiet“ zählt zu den höchsten Schutzkategorien im deutschen Naturschutzrecht. Sie zeichnet besonders wertgebende Flächen im Naturhaushalt aus. Naturschutzgebiete sind oft die letzten Rückzugsgebiete seltener Arten, sodass der Schutz ihrer Lebensräume dort von herausragender Bedeutung ist.

Das Regierungspräsidium Stuttgart ist als höhere Naturschutzbehörde dafür zuständig, Maßnahmen zur Pflege und zum Schutz der vorkommenden Tiere und Pflanzen ebenso wie Besucherlenkungsmaßnahmen innerhalb des Naturschutzgebietes zu planen. Das RPS bittet alle Besuchenden des Naturschutzgebiets, Rücksicht auf Flora und Fauna zu nehmen.

Die Landeshauptstadt Stuttgart ist Flächeneigentümerin des Gebietes und damit für die Verkehrssicherung zuständig. Darüber hinaus ist sie als untere Naturschutzbehörde auch dafür zuständig, Maßnahmen innerhalb des Gebietes umzusetzen.