Pressemitteilung

Naturschutzgebiet Reußenberg bei Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall) feiert 80-jähriges Jubiläum - Ehemalige Fischweiher werden künftig naturnah genutzt

Der Reußenberg bei Crailsheim (Landkreis Schwäbisch Hall) - das erste Naturschutzgebiet im heutigen Regierungsbezirk Stuttgart - steht seit 80 Jahren unter Schutz. Und das aus gutem Grund, denn er ist die bedeutendste Gipsdolinenlandschaft in Baden-Württemberg. Sickerwasser laugt die gipshaltigen Gesteinsschichten im Untergrund aus. Die dadurch entstehenden Hohlräume brechen allmählich, manchmal auch abrupt zusammen. Dolinen, auch Erdfälle genannt, entstehen. Wenn mergelhaltiges, toniges Gestein in die Dolinen rutscht und diese abdichtet, können sich Tümpel und Seen bilden. Solche Dolinenseen, mitunter nur von der Größe eines Tümpels, sind über das ganze Naturschutzgebiet verteilt und werden hier „Lachen“ genannt. Sie verändern sich oder entstehen neu, da die Auslaugung im Untergrund weitergeht. Wo vor einigen Jahrzehnten noch festes Land war, stehen heute abgestorbene Buchen bis zu einem Meter tief im Wasser. Die Grüne und die Neue Lache sind vor etwa 100 Jahren eingebrochen. Die Schwarze Lache ist bereits in einer Landkarte aus dem Jahr 1828 verzeichnet und verlandet allmählich. Andere verlandete Gewässer gleichen inzwischen schon einem Moor. 

Die Pflanzen- und Tierwelt der Lachen ist einzigartig in Hohenlohe. In der Schwarzen Lache hat sich ein Moorbirken-Bruchwald mit teils dichten Torfmoospolstern angesiedelt. Die jüngeren Lachen prägen Großseggenriede aus Sumpf-, Schnabel- oder Steifer Segge. Darin fallen die hübschen Gelben Schwertlilien auf. Besonders geschützt ist das im Juli mit tiefroten Blütensternen blühende Sumpfblutauge, das hier eines seiner wenigen Vorkommen im nördlichen Württemberg hat. In den Tümpeln finden Ringelnattern, Frösche und Molche wertvolle Lebensräume. Zahlreiche Libellen, darunter seltene Arten wie Falkenlibelle, Großes Granatauge oder Speer-Azurjungfer, können hier beobachtet werden.

Pünktlich zum 80-jährigen Bestehen des Naturschutzgebiets hat sich ein alter Wunsch der Naturschützer erfüllt, der bereits vom damaligen Leiter der staatlichen Naturschutzstelle, Hans Schwenkel, geäußert wurde, bevor das Schutzgebiet 1937 ausgewiesen wurde: der obere und untere Reußenbergweiher wurden dieses Jahr abgefischt, vorübergehend abgelassen und aus der Nutzung entlassen. 

Regierungspräsident Wolfgang Reimer: „Wir ziehen mit der Forstverwaltung, die die Weiher verwaltet, an einem Strang und werden diese wertvollen Gewässer als Lebensraum für Libellen und Amphibien optimieren. Ich kann Ihnen den Besuch unseres ältesten Naturschutzgebietes nur empfehlen - und mit der Umnutzung der Weiher lohnt sich der Besuch noch mehr“, so Reimer. 

Hierfür ist ein Management vorgesehen, das nicht nur den Weiher dauerhaft erhält, sondern durch welches letztendlich auch die Dynamik großer Fließgewässer oder natürlicher Seen mit wechselnden Wasserständen im Uferbereich simuliert wird: man lässt das Wasser für einen gewissen Zeitraum ab. Bereits in diesem Frühjahr geschah dies beim unteren Reußenbergweiher. Der Teichboden trocknete aus und der Schlamm zersetzte sich. Schon nach zwei Monaten hatte sich eine Teichbodenflora mit besonderen Pflanzenarten angesiedelt, wie dem Froschlöffel und dem gefährdeten Strand-Ampfer. Die Samen der Arten haben seit vielen Jahren im Teichschlamm überdauert und auf den Augenblick des Trockenfallens „gewartet“ - eine besondere Anpassung der Arten an diesen Lebensraum. Der obere Reußenbergweiher wurde jetzt im Herbst abgelassen und bleibt den Winter über leer, damit der Schlamm ausfrieren und sich zersetzen kann. Die Weiher sollen im nächsten Frühjahr wieder mit Wasser befüllt - im Fachjargon „bespannt“ -, aber nicht wieder mit Fischen besetzt werden. So können sich die Gewässer zu ungestörten Lebensräumen für Libellen, Amphibien und Co. entwickeln. Ein Ablassen und Wiederbespannen in regelmäßigem Turnus ist für die Weiher auch in Zukunft wichtig, damit sie nicht verschlammen.

Hinweise für Besucher des Naturschutzgebiets: 

Das Naturschutzgebiet liegt rund fünf Kilometer nordwestlich von Crailsheim. Es ist gut von Maulach im Süden oder Triensbach im Norden zu erreichen. Im Gebiet sind verschiedene Rundwanderstrecken ausgeschildert. Das Regierungspräsidium weist darauf hin, dass aus Naturschutzgründen das Entnehmen von Pflanzen und Tieren, das Befahren des Gebiets sowie Zelten und Lagern verboten sind.


Im Frühjahr abgelassener Reußenbergweiher. Der austrocknende Schlamm am Teichboden bekommt Risse. Foto: Bernd Kunz


Zwei Monate später hat sich eine spezielle Teichbodenflora angesiedelt. Foto: Bernd Kunz