Pressemitteilung

Verwandtschaft und Herkunft der Kelten in Baden-Württemberg

Genetische Analysen an keltischen Grabhügeln aus 500 vor Christus zeigen enge Verwandtschaften und geben neue Einblicke in die Machtstrukturen frühkeltischer Eliten (Landkreis Ludwigsburg)

View from the Heuneburg

Die keltische Kultur aus der vorrömischen Eisenzeit in West- und Zentraleuropa hat bis heute reiche Spuren hinterlassen, nicht zuletzt in Form gewaltiger Grabhügel und spektakulärer archäologischer Artefakte. Trotz dieser reichen Hinterlassenschaft ist uns vieles über diese Zivilisation bis heute verborgen. In einer Kooperation zwischen dem Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg, das zum Regierungspräsidium Stuttgart gehört, und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie (MPI-EVA) in Leipzig wurden nun erstmals die Erbgut-Sequenzen keltischer Individuen aus mehreren Grabhügeln rekonstruiert.

Besonders die als Fürstengräber bekannten Grabhügel von Eberdingen-Hochdorf und Asperg-Grafenbühl gehören mit ihren Goldfunden und kostbaren Bronzegefäßen zu den reichsten prähistorischen Bestattungen Deutschlands. Nun hat die neue genetische Analyse ergeben: Die beiden Fürsten, immerhin rund 10 Kilometer entfernt voneinander begraben, waren biologisch eng miteinander verwandt. „Schon länger gab es die Vermutung, dass zwischen den beiden Fürsten aus den Grabhügeln in Eberdingen-Hochdorf und Asperg „Grafenbühl“ eine Verwandtschaft bestehen könnte“, so Prof. Dirk Krausse vom Landesamt für Denkmalpflege, „aber erst jetzt ist diese Vermutung durch die neuen Analysen Gewissheit geworden“.

Für die jetzigen Analysen wurden am MPI-EVA Zähne und Schädelknochen des Innenohrs mit neuesten Methoden beprobt und die Reste vorhandener DNA sequenziert und so das Erbgut von insgesamt 31 Individuen rekonstruiert. Die beiden Zentralbestattungen heben sich aus der Gruppe durch ihre enge Verwandtschaft klar hervor.

Nach Feststellen einer genetischen Verwandtschaft, hat das Team alle möglichen Verbindungen untersucht, etwa als Brüder, Halbgeschwister, Großvater und Enkel sowie Onkel und Neffe. „Durch die recht genauen Sterbedaten, Schätzungen des Sterbealters, sowie der genetischen Übereinstimmung zwischen beiden Fürsten, kommt nur ein Szenario als Onkel und Neffe in Frage, genauer: die Schwester des Hochdorfer Fürsten war die Mutter des Asperger Fürsten“, wie Dr. Stephan Schiffels vom MPI-EVA erklärt.

„Dieses Ergebnis zeigt, dass politische Macht in dieser Gesellschaft höchstwahrscheinlich durch biologische Nachfolge vererbt wurde, wie in einer Dynastie.“, so Dr. Joscha Gretzinger vom MPI-EVA. Dazu passen auch Belege zu Verwandtschaften zwischen weiteren Individuen aus den beiden Grabhügeln, sowie dem deutlich weiter entfernten und etwa 100 Jahre früher angelegten Grabhügel des Magdalenenbergs. „Insgesamt scheinen wir es bei den Kelten in Baden-Württemberg also mit einem breiten Netzwerk zu tun zu haben, in welchem politische Macht durch biologische Verwandtschaft untermauert wurde.“

Aber wie waren die Kelten über Baden-Württemberg hinaus mit Bewohnerinnen und Bewohnern des damaligen Europas der Eisenzeit verwandt? Eine genaue Analyse der genetischen Herkunft dieser Gruppe zeigt vor allem eine genetische Herkunft die am ehesten im heutigen Frankreich zu finden ist, damals aber in ganz Süddeutschland verbreitet war. Darüber hinaus zeigen mehrere Individuen eine genetische Herkunft aus Italien, was auch gut zu den in den Gräbern gefundenen Objekten passt, von denen viele mediterrane Macharten aufweisen.

Die Studie ist damit ein wichtiges Puzzleteil in unserem Verständnis der europäischen Geschichte in der mittleren und späten Eisenzeit, die ja – anders als die römische und andere frühmittelalterliche Perioden – kaum durch Schriftquellen erforschbar ist.

Pressemitteilung in englischer Sprache (pdf, 251 KB)
Nature Human Behaviour DNA-paper (pdf, 2.3 MB)

Fotos:
Bild 1: Visualisation - Hochdorf, Quelle: Landesmuseum Württemberg, FaberCourtial; Thomas Hoppe (jpg, 3.3 MB)
Bild 2: Visualisation - Grafenbühl, Quelle: Landesmuseum Württemberg, FaberCourtial; Thomas Hoppe (jpg, 3.1 MB)
Bild 3: Gold objects hat - Hochdorf, Quelle: Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein; H. Zwietasch (jpg, 3.5 MB)
Bild 4: Bronze cauldron - Hochdorf, Quelle: Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein; H. Zwietasch (jpg, 2.1 MB)
Bild 5: Gold jewellery - Ditzingen-Schöckingen, Quelle: Landesmuseum Württemberg, P. Frankenstein; H. Zwietasch (jpg, 5.0 MB)
Bild 6: Reconstruction burial mound - Hochdorf, Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, O. Braasch (jpg, 2.4 MB)
Bild 7: Shaft at the Alte Burg, Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, ArcTron 3D GmbH (jpg, 1.3 MB)
Bild 8: View to the Heuneburg, Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, I. Rack (jpg, 8.3 MB)
Bild 9: View from the Heuneburg, Quelle: Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart, I. Rack (jpg, 7.7 MB)