Pressemitteilung

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder, Landrat Stefan Dallinger und Bürgermeister Matthias Renschler informierten zur aktuellen Entwicklung der Haubenlerche im Baugebiet Walldorf-Süd

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder, Landrat Stefan Dallinger und Bürgermeister Matthias Renschler, Walldorf, haben heute, 5. September 2022, über die aktuelle Entwicklung der Haubenlerche im Neubaugebiet in Walldorf-Süd informiert. Die am 14. Mai 2022 von der unteren Naturschutzbehörde des Landratsamts Rhein-Neckar erlassene Allgemeinverfügung, die sich an Halter/innen von Freigängerkatzen zum Schutz der Haubenlerche im Bereich des Baugebiets Walldorf-Süd und angrenzende Siedlungsbereiche richtet, hatte in den letzten Wochen zu kontroversen Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt. Die Allgemeinverfügung gilt bis zum Jahr 2025: Halterinnen und Halter von Katzen müssen demnach dafür sorgen, dass ihre Katzen jeweils vom 1. April bis einschließlich 31. August das Haus nicht verlassen. Die diesjährige Verfügung konnte bereits am 15. August – zwei Wochen früher als vorgesehen – aufgehoben werden (Pressemitteilung des Landratsamtes Rhein-Neckar vom 8. August 2022).

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder fasste zunächst den Sachverhalt und den Sachstand seit dem In-Kraft-Treten der Verfügung zusammen: Seit der Erschließung im Jahre 2013 ist in dem mit Wohnbauflächen ausgewiesenen Baugebiet „Walldorf Süd“ die Haubenlerche nachgewiesen. Es handelt sich hierbei um eine streng geschützte und mittlerweile akut vom Aussterben bedrohte Art. Eine Bebauung des Gebiets war artenschutzrechtlich daher nur unter der Voraussetzung zulässig, dass es der Stadt Walldorf gelingt, die in dem Baugebiet vorhandenen Brutreviere der Haubenlerche trotz Bebauung zu erhalten und den Schwerpunkt des Brutgebiets aus dem Baugebiet heraus in angrenzende landwirtschaftlich genutzte Bereiche zu verlagern.

Insofern handelt es sich hier um Ausgleichsmaßnahmen der Stadt Walldorf zum Schutz der Haubenlerche und nicht um allgemeine Artenschutzmaßnahmen des Regierungspräsidiums Karlsruhe.

Die Naturschutzbehörden waren zu dem damaligen Zeitpunkt davon ausgegangen, dass durch geeignete Schutzmaßnahmen die Haubenlerchenpopulation räumlich verlagert werden könnte. Unter anderem wurden Flächen als mögliche Ersatzhabitate eingerichtet und ein von der Stadt beauftragtes Fachbüro begleitet die Umsetzung der Maßnahmen. Leider ging der Brutbestand trotzdem seit 2015 von fünf auf bis heute zwei Brutpaare zurück. Daher waren nun weiterführende Maßnahmen zur Erhaltung und Stärkung der Haubenlerchenpopulation notwendig, zu der flankierend auch die von der unteren Naturschutzbehörde erlassene Allgemeinverfügung vom 14. Mai 2022 gehört.

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder: „Die Allgemeinverfügung zeigte die erhoffte Wirkung: In der relevanten Zeit in 2022 war das Gebiet weitgehend, wenn auch nicht hundertprozentig, katzenfrei. Dennoch waren die Gefahren für die Haubenlerchen dadurch signifikant reduziert. In diesem Jahr wurden acht Haubenlerchen flügge. Im Vergleich zu den Vorjahren haben im Ergebnis die meisten dieser Jungvögel die kritischste Phase erfreulicherweise unversehrt überstanden. Abschließend kann der diesjährige Schutz der Jungvögel aber erst dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sich auf dieser Basis in den kommenden Jahren mehr Brutpaare bilden als bisher. Dies bleibt noch abzuwarten.“

Landrat Stefan Dallinger berichtete, dass beim Landratsamt Rhein-Neckar insgesamt 43 Widersprüche gegen die Allgemeinverfügung eingegangen sind. Diese wurden nun geprüft: Im Ergebnis konnte den Widersprüchen nicht abgeholfen werden, ein Katzenhalter erhielt eine Befreiung, ein Widerspruch wurde zurückgenommen und ein Widerspruch ist noch ungeklärt. Die übrigen 40 Widersprüche wurden am 17. August 2022 dem Regierungspräsidium als zuständige Widerspruchsbehörde zur Bearbeitung und Entscheidung weitergeleitet. Landrat Stefan Dallinger: „Auch wenn die Allgemeinverfügung verständlicherweise bei Katzenhalterinnen und -haltern nicht auf ein positives Echo stößt, zeigt sich, dass sie ein wirksames Instrument ist, die Rahmenbedingungen für einen stärkeren Reproduktionserfolg der Haubenlerche zu verbessern. Damit ist sie ein wichtiger Beitrag zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Art in Walldorf. Unser Ziel ist es, im Laufe der Zeit mit allen Beteiligten einen lebbaren Konsens zu erreichen“.

Der Walldorfer Bürgermeister Matthias Renschler machte deutlich, dass es nicht einfach sei, den Bedürfnissen der Bauherren im Neubaugebiet einerseits und den Auflagen des Naturschutzes andererseits gerecht zu werden. „Die Stadt Walldorf ist gefordert, eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung anzubieten“, sagte er. Im Zwiespalt sieht der Bürgermeister die Stadt auch, was die Allgemeinverfügung angeht. „Der Naturschutz und der Schutz gefährdeter Arten ist der Stadt Walldorf wichtig und im Interesse des Gemeinwohls“, erklärte der Bürgermeister, der sich sehr über die diesjährigen Bruterfolge der Haubenlerchen freut. Andererseits hat Renschler auch vollstes Verständnis für alle Katzenhalter, deren Tiere unter der mehrmonatigen Ausgangssperre zu leiden hatten. „Ich hoffe nach wie vor auf eine bessere Lösung im Sinne aller Beteiligten“, will sich der Bürgermeister nicht damit zufriedengeben, dass die Allgemeinverfügung bis zum Jahr 2025 Bestand haben soll.

Das von der Stadt Walldorf beauftragte Fachbüro hatte die Anwohner im Jahr 2020 in einem Informationsschreiben gebeten, ihre Katzen während der Brut- und Aufzuchtzeit der Haubenlerchen im Haus zu halten. Ebenso hatten das Fachbüro und das Ordnungsamt der Stadt ihnen bekannte Katzenhalter auch direkt angesprochen. Dennoch sind im vergangenen Jahr einige Katzen weiterhin im Brutgebiet gesichtet worden. Das Fachbüro hatte daher das Landratsamt Rhein-Neckar um Unterstützung gebeten. Nach Prüfung alternativer Mittel, wie zum Beispiel Methoden zur Katzenvergrämung, hat dieses dann gegenüber drei Katzenhaltern Einzelverfügungen erlassen, dass diese den Freigang ihrer Katzen zu unterbinden haben. Leider war im Ergebnis diese Maßnahme nicht ausreichend, daher wurde von der Unteren Naturschutzbehörde in diesem Jahr eine Allgemeinverfügung für alle Katzenhalterinnen und –halter im Umfeld der Vorkommen der Haubenlerchen erlassen.

Informationen zum Artenschutzprogramm Haubenlerche und Maßnahmen

Die Höhere Naturschutzbehörde hat die Aufgabe, die letzten Vorkommen dieser akut vom Aussterben bedrohten und streng geschützten Art der Haubenlerche in Baden-Württemberg zu sichern und wieder zu verbessern. Hierzu werden Maßnahmen über das Artenschutzprogramm durchgeführt. Wo Eingriffe durch Baugebiete erfolgen, ist nach dem Verursacherprinzip allerdings der Eingreifer, das heißt, regelmäßig die veranlassende Kommune in der Pflicht, den Bestand zu erhalten und den erforderlichen Ausgleich herzustellen. Die ursprünglich in Baden-Württemberg weit verbreitete Art ist extrem stark zurückgegangen und kommt aktuell nur noch in der nordbadischen Oberrheinebene vor.

Mit einer neu entwickelten Methodik im Rahmen des Artenschutzprogramms Haubenlerche konnte nun eine Trendwende erreicht werden: Der Tiefpunkt der bisher rückläufigen Entwicklung war 2019 mit knapp 40 Revieren. Nun nimmt der Bestand wieder zu und befindet sich mit 63 Revierpaaren schon wieder auf dem Niveau von 2013. (Zum Vergleich: Bei einer Brutbestandserfassung 1987/88 lag die Anzahl der Reviere noch bei 670). Ziel ist es, den Erhaltungszustand wieder aus dem überlebenskritischen Bereich herauszuführen, wieder zusätzlichen Lebensraum für die Haubenlerche zu schaffen und die lokalen Inselpopulationen zu vernetzen. Dabei spielt Walldorf als Trittstein für die Wiederbesiedlung schon verloren gegangener Revierstandorte in Nachbargemeinden eine wichtige Rolle.

Die erfolgreiche neue Methodik aus dem Artenschutzprogramm Haubenlerche wird daher auch in Walldorf angewandt. Diese besteht im Wesentlichen aus einem intensiven Brutmonitoring und konsequentem Nestschutz. Die Haubenlerche brütet gleich zwei- bis dreimal in der Saison und legt dabei je drei bis fünf Eier. Sie erreicht auch ein vergleichsweise hohes Alter von zehn bis zwölf Jahren. Dies sind gute Voraussetzungen, um ausreichend viele Jungvögel hochzubringen, die in der Nachbarschaft – und vor allem auf den vorbereiteten Ausgleichsflächen – ein eigenes Brutrevier einrichten könnten. Denn die Verlagerung des Schwerpunktes einer Population kann nur über ausreichend viele Jungvögel gelingen. Die Altvögel hingegen sind extrem standorttreu und geben ihr einmal ausgewähltes Brutrevier fast nie auf.

Der Bruterfolg wird allerdings häufig durch Prädatoren zunichtegemacht. Dies sind Rabenvögel, wie zum Beispiel Elstern oder andere Tiere, wie zum Beispiel Marder oder auch Hauskatzen. Hier greift der aktive Nestschutz über Zäunungen, die Schaffung von Strukturen zum Versteck sowie, wo möglich, über kleine Volieren im Bereich der Vogelnester, in die nur kleine Singvögel hineinfliegen können. Ergänzt wird dies durch Maßnahmen gegen die Prädation durch Rabenvögel. Einwirkungen von Fressfeinden können somit während der Brut- und Nestlingsphase ein Stück weit kontrolliert und minimiert werden. Der Schutz greift allerdings dann nicht mehr, wenn die Jungvögel die Zäunung um den Nestbereich verlassen, aber noch nicht vollständig flugfähig sind (neunter bis 20. Tag nach dem Schlüpfen) und somit leicht Opfer jagender Freigängerkatzen werden können.