Die Fischereibehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe hat gestern, 16. März 2023, 70.000 Glasaale in die Seitengewässer des Rheins bei Karlsruhe gesetzt. Nach etwa sieben Jahren sollen diese Aale wieder tausende Kilometer in die Sargassosee zurückschwimmen, um dort in 1.000 Meter Wassertiefe zu laichen.
Der Glasaal ist ein frühes Stadium des Aals und ähnelt einer Glasnudel mit zwei Knopfaugen. Durch seine durchsichtige Haut ist das winzige, schlagende Herz zu sehen. In diesem Stadium wurden gestern rund 70.000 Tiere besetzt. Die Glasaale für den Rhein wurden mit einem Sonderflug direkt aus den Wildfängen am Atlantik nach Schweinfurt geflogen. In gekühlten Kisten werden Glasaale „feucht“ transportiert. Diese Methode ist weniger aufwändig und sicherer als der Transport im Wasser, da der Sauerstoff im Wasser rasch aufgezehrt würde. Gerade junge Aale können in feuchter Luft ausreichend über die Haut atmen, so dass der Transport in Kisten auch über längere Zeiträume kein Problem für die Tiere darstellt. Früher sind die jungen Aale von Natur aus in „100 Meter langen Bändern“ zu hunderttausenden den Rhein hinauf geschwommen. Diese Zeiten sind jedoch infolge des Bestandseinbruches schon lange vorbei.
Ohne Besatzmaßnahmen wäre der Europäische Aal bei uns bereits ausgestorben. Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Landesbetrieb Vermögen und Bau, Ämter Karlsruhe und Pforzheim sowie der Berufs- und Angelfischerei in den letzten Jahrzehnten durchgeführten umfangreichen Besatzmaßnahmen haben geholfen, den Aalbestand im Rhein wieder deutlich anzuheben. Der Aalbesatz in Karlsruhe ist daher eine klassische Artenschutzmaßnahme, die das Aaldefizit kompensiert und zudem die Überlebenswahrscheinlichkeit der Aale in besonders geeigneten Habitaten deutlich erhöht.
Der Aalbestand in Baden-Württemberg zeigt gute Tendenzen einer Erholung:
An allen Rheinstrecken können ansteigende Dichten mit einer Zunahme an nachwachsenden Jungaalen dokumentiert werden. Dem Habitat entsprechend hohe Aaldichten mit ausgeglichenem Längenaufbau sind abschnittsweise erreicht. Es ist bekannt, dass Besatzmaßnahmen mit jungen Aalen sehr gut wirken. Der überwiegend nachtaktive Aal versteckt sich tagsüber und wird dadurch seltener als andere Fischarten zur Beute.
Hintergrundinformationen zum Europäischen Aal
Der Europäische Aal ist eine gefährdete Tierart. Seit Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts ist das Glasaalaufkommen in Europa stark gesunken. Verglichen mit sehr hohen Werten vor dem Einbruch, gingen die Rückkehrerraten der Glasaale an manchen Küstenabschnitten auf unter fünf Prozent zurück. Die Ursache für den Rückgang liegt vor allem an seinem komplexen Lebenszyklus und vielfältigen Einflüssen auf dem langen Weg. Der Aal muss vom Rhein bis in die 5.500 - 7.000 Kilometer entfernten Sargassosee im Westatlantik wandern, um zu laichen. Etwa drei Jahre lang driften die winzigen Larven des Aals mit dem Golfstrom zurück an die Europäische Küste, um dann in die Binnengewässer aufzusteigen. In unseren Binnengewässern reifen Aale dann zu erwachsenen Tieren heran, was wiederum sieben bis 15 Jahre dauern kann. Dieser komplexe und lange Lebenszyklus birgt zahlreiche Gefahren und daher überleben nur wenige Tiere und werden schließlich zum laichfähigen Aal.
Im Juni 2007 wurde bei der 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) beschlossen, den Europäischen Aal (Anguilla anguilla) mit Wirkung zum 13. März 2009 mit auf die Liste der besonders zu schützenden Arten (Anhang II) aufzunehmen. In einer nachfolgenden Verordnung der Europäischen Union werden den Mitgliedstaaten verschiedene Maßnahmen zur Wiederauffüllung des Bestandes des Europäischen Aals vorgegeben. Neben einer gesicherten Abwanderung in Richtung Meer ist der Besatz mit Glasaalen und Satzaalen eine zielführende und bestandsstützende Maßnahme. Sinnvolle Besatzgewässer sind reichhaltig strukturierte Gewässer mit freier Abwanderungsmöglichkeit in Richtung Atlantik. Aus diesem Grund sind die an den Rhein angebundenen Altgewässer um Karlsruhe besonders geeignete Aallebensräume. Entgegen der Annahme, dass die nur 0,3 Gramm leichten Glasaale sehr zerbrechlich wären, können sich die Winzlinge im Lebensraum bereits sehr gut durchsetzen. Sie sind so robust, dass sie sogar wieder aus dem Maul der gefräßigen Grundeln entkommen können. Grundeln sind fremde Fischarten aus dem Donauraum, welche den Rhein vor Jahren invasiv besiedelt haben. Auf einer Länge von einem Kilometer Rheinufer, kommen streckenweise über 10.000 Grundeln vor. In den Seitengewässern des Rheins ist die Grundeldichte geringer und junge Aale finden dort ausgezeichnete Lebensbedingungen und damit auch sehr gute Überlebenschancen vor. Wichtig für die Glasaale sind Versteckmöglichkeiten, wo sie vor Fressfeinden sicher sind.
Das Regierungspräsidium Karlsruhe setzt mit Partner-Angelvereinen noch zahlreiche weitere Fischartenschutzprojekte in unseren Gewässern um. Neben den heimischen Fischarten Atlantischer Lachs, Wildkarpfen, Quappe, Strömer, Steinbeißer, Karausche und vielen anderen Arten müssen auch alle heimischen Muschel- und Krebsarten unterstützt werden. Nur durch spezifische Schutzmaßnahmen bleiben uns diese Arten langfristig erhalten. Viele aquatische Tierarten im Regierungsbezirk sind trotz deutlicher Verbesserungen ihrer Lebensräume nach wie stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Vor allem die Auswirkungen des Klimawandels mit ständigen Wechseln von Starkregenereignissen und langen Trockenperioden werden unseren Gewässern und ihren Fischen in Zukunft zu schaffen machen. Um diese Auswirkungen auf Fischbestände und den Aal zumindest abzumildern, werden vor allem ihre Lebensräume robuster gestaltet und Durchgängigkeiten an Barrieren wiederhergestellt.
Einst war der Europäische Aal (Anguilla anguilla) in zahlreichen Gewässern Europas weit verbreitet. Heute ist er in seinem Bestand massiv gefährdet. So ist das Glasaalaufkommen an den europäischen Küsten seit den 90er Jahren massiv zurückgegangen. Im Vergleich zu damals finden sich nur noch ein bis zwei Prozent der Glasaale an den Mündungen der großen Flüsse ein. Der Internationale Rat zur Meeresforschung teilte mit: „Der Europäische Aal befindet sich außerhalb sicherer biologischer Grenzen“. Die Gründe für den Rückgang sind vielschichtig und sind letztendlich nach wie vor nicht abschließend erforscht. Wesentliche Anteile am Rückgang des Europäischen Aals haben der Glasaalfang wie auch der Verbau zahlreicher Gewässer. So finden einerseits in den Flüssen, aufwandernde Aale immer weniger geeigneten Lebensraum vor, andererseits besteht für viele Aale an ungeschützten Wasserkraftstandorten nicht mehr die Möglichkeit, den Rückweg in die Sargassosee unbeschadet durchzuführen. Als Langdistanzwanderer zwischen den europäischen Flüssen und der Sargassosee im Atlantik hat der Aal Höchstleistungen zu meistern, um über tausende von Kilometern zu seinen Laichgründen zu gelangen. Der Lebenszyklus des Europäischen Aals ist dem des Atlantischen Lachses entgegengesetzt. Der Aal lebt im Süßwasser und wandert zum Laichen ins Meer. Zudem werden Parasiten und der Wegfraß durch fischfressende Vögel von Wissenschaftler als weitere wesentliche Faktoren für den Rückgang angeführt. Erschwerend kommt hinzu: der Europäische Aal lässt sich nicht künstlich vermehren.
Vor diesem Hintergrund hat sich die Europäische Kommission dem Aalschutz angenommen und 2007 eine Aalschutzinitiative ins Leben gerufen. Im Rahmen von sogenannten Aalbewirtschaftungsplänen wurden dabei von den betroffenen Mitgliedsstaaten der EU zahlreiche Maßnahmen zum Schutz bzw. zur Förderung des Aalbestandes beschlossen. Neben Fangeinschränkungen für Aale und einem EU-weiten Ausfuhrverbot von Glasaalen gehören dazu die Verbesserung der abwärts gerichteten Durchgängigkeit wie auch der Aalbesatz. Ohne derartige Maßnahmen ist der langfristige Erhalt des Europäischen Aals nach Einschätzung der Europäischen Kommission und vieler Experten nicht mehr sichergestellt. Seit 2009 ist der Europäische Aal auch im Anhang zwei des Washingtoner Artenschutzübereinkommens aufgeführt und genießt damit denselben Schutzstatus wie der Afrikanische Elefant oder das Zwergflusspferd. Aufgrund der dramatischen Situation beim Europäischen Aal hat sich Baden-Württemberg zu weiterreichenden Maßnahmen entschlossen. So war der Aal nach der Landesfischereiverordnung von Baden-Württemberg in den maßgeblichen Aallebensräumen im Rheingebiet, neun Jahre lang ganzjährig geschont. Das heißt, dass in den maßgeblichen Gewässern weder von der Freizeitfischerei noch von der Erwerbsfischerei Aale gefangen werden durften. Heute ist der Fang zeitlich beschränkt und limitiert. Auf diese Weise soll der Anteil an Aalen, die zum Laichen ins Meer zurückkehren, bestmöglich gesteigert werden.
Informationen zum Aalbesatz in Baden-Württemberg
Ausschließlich in Baden-Württemberg und insbesondere im Regierungsbezirk Karlsruhe wird der Aalbestand im Rhein lückenlos und bereits seit Jahrzehnten durch jährlichen, regelmäßigen Besatz gestützt. Auch bestand nur in Baden-Württemberg entlang des Rheins und im Unteren Neckar ein absolutes Fangverbot für die Fischerei. Dabei hat das Regierungspräsidium in Abstimmung mit der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg die Besatzmodalitäten ständig angepasst. Wurden zu Beginn der Besatzmaßnahmen noch ausschließlich Glasaale besetzt, hat sich dies in den vergangenen Jahren zu einem Besatz mit vorgestreckten Farmaalen hin verschoben. Die Gründe dafür lagen im Wesentlichen in den hohen Preisen für Glasaale wie auch in der verbesserten Überlebensrate der Farmaale. Besetzt werden heute Aale, die als Glasaale an den Atlantikküsten und Flussmündungen Portugals, Frankreichs bis Großbritannien gefangen und zur weiteren Aufzucht bis zu einem Gewicht von etwa zehn Gramm in eigens dafür errichteten Anlagen überführt werden. Dies ist aufgrund der kontrollierten Haltungsbedingungen und einem ausgezeichneten Gesundheitszustand der Fische, eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Besatzmaßnahme. Der Besatz setzt sich finanziell aus einem Landesanteil zusammen und einem Anteil, der von der Freizeit- und Erwerbsfischerei getragen wird. Die Mittel des Landes entstammen aus zweckgebundenen, fischereilichen Ausgleichzahlungen Dritter, die jährlich geleistet werden müssen sowie zu geringen Anteilen aus Haushaltsmitteln. Aktuell kostet ein Kilogramm Glasaale etwa 400 Euro.
Organisiert und durchgeführt wird der Aalbesatz von der Fischereibehörde im Regierungspräsidiums Karlsruhe mit Unterstützung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Ämter Karlsruhe und Pforzheim. Das Regierungspräsidium Karlsruhe überwacht die Wirkung der verschiedenen Maßnahmen für den Aal durch geeignete Untersuchungsprogramme. In den letzten Jahren konnte im Rahmen von Erhebungen der Fischereibehörde eine deutliche Tendenz zur Verbesserung des Aalbestands im Rhein festgestellt werden.