Pressemitteilung

In weniger als 24 Stunden vom Atlantik nach Karlsruhe

Fischereibehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe setzte gestern 70.000 Glasaale in die Seitengewässer des Rheins bei Karlsruhe

Die Fischereibehörde im Regierungspräsidium Karlsruhe hat gestern, 27. Februar 2025, 70.000 Glasaale in die Seitengewässer des Rheins zwischen Karlsruhe-Daxlanden und Leopoldshafen gesetzt. Nach etwa sieben Jahren sollen diese Aale wieder tausende Kilometer in die Sargassosee zurückschwimmen, um dort in 1.000 Meter Wassertiefe zu laichen.

Der Glasaal ist ein frühes Stadium des Aals und ähnelt einer Glasnudel mit zwei Knopfaugen. Durch seine durchsichtige Haut ist das winzige, schlagende Herz zu sehen. In diesem Stadium wurden gestern rund 70.000 Tiere besetzt. Die Glasaale für den Rhein wurden mit einem Sonderflug direkt aus den Wildfängen am Atlantik nach Schweinfurt geflogen. In gekühlten Kisten werden Glasaale „feucht“ transportiert. Diese Methode ist weniger aufwendig und sicherer als der Transport im Wasser, da der Sauerstoff im Wasser rasch aufgezehrt würde. Gerade junge Aale können in feuchter Luft ausreichend über die Haut atmen, so dass der Transport in Kisten auch über längere Zeiträume kein Problem für die Tiere darstellt. Früher sind die jungen Aale von Natur aus in „100 Meter langen Bändern“ zu hunderttausenden den Rhein hinauf geschwommen. Diese Zeiten sind jedoch infolge des Bestandseinbruches schon lange vorbei.

Ohne Besatzmaßnahmen wäre der Europäische Aal bei uns bereits ausgestorben. Die vom Regierungspräsidium Karlsruhe und dem Landesbetrieb Vermögen und Bau in Pforzheim in den letzten Jahrzehnten durchgeführten umfangreichen Besatzmaßnahmen haben geholfen, den Aalbestand im Rhein wieder deutlich anzuheben. In Baden-Württemberg weist der Bestand heute wieder eine natürliche Zusammensetzung auf. Zwischen Iffezheim und Mannheim sind hohe Aaldichten in allen Größen vorhanden. Im Fischpass der Rheinstaustufe in Iffezheim werden im Jahr rund 100.000 flussaufwärts wandernde Tiere gezählt.  Der Aalbesatz in Karlsruhe ist daher eine klassische Artenschutzmaßnahme, die das Aaldefizit kompensiert und zudem die Überlebenswahrscheinlichkeit der Aale in besonders geeigneten Habitaten deutlich erhöht.

Hintergrundinformationen zum Europäischen Aal

Fisch des Jahres 2025

Der Europäische Aal ist eine gefährdete Tierart. Während er noch vor 150 Jahren in vielen deutschen Gewässern so häufig vorkam, dass flussaufwärts schwimmende Jungaale abgefangen und als Dünger auf die Felder ausgebracht wurden, ist das Glasaalaufkommen in Europa seit Ende der 90er Jahre stark gesunken. Verglichen mit sehr hohen Werten vor dem Einbruch finden sich heute nur noch ein bis zwei Prozent der Glasaale an den Mündungen der großen Flüsse ein. Die Ursache für den Rückgang liegt vor allem am komplexen Lebenszyklus der Tiere sowie an den vielfältigen Einflüssen auf dem langen Weg: Der Aal muss vom Rhein bis in die rund 6.000 Kilometer entfernte Sargassosee im Westatlantik wandern, um zu laichen. Etwa drei Jahre lang driften die winzigen Larven des Aals mit dem Golfstrom zurück an die Europäische Küste, um dann in die Binnengewässer aufzusteigen. In unseren Binnengewässern reifen Aale dann zu erwachsenen Tieren heran, was wiederum sieben bis fünfzehn Jahre dauern kann. Dieser komplexe und lange Lebenszyklus birgt zahlreiche Gefahren, weshalb nur wenige Tiere überleben und schließlich zum laichfähigen Aal werden. Darüber hinaus haben auch der frühere Glasaalfang sowie der Verbau zahlreicher Gewässer wesentlich zum Rückgang der Zahlen beigetragen. So finden einerseits flussaufwärts wandernde Aale immer weniger geeigneten Lebensraum vor, andererseits besteht für viele Aale an ungeschützten Wasserkraftstandorten nicht mehr die Möglichkeit, den Rückweg in die Sargassosee unbeschadet durchzuführen. Zudem werden Parasiten und der Wegfraß durch fischfressende Vögel von der Wissenschaft als weitere wesentliche Faktoren für den Rückgang angeführt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich der Europäische Aal nicht künstlich vermehren lässt.

Im Juni 2007 wurde bei der 14. Vertragsstaatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) beschlossen, den Europäischen Aal (Anguilla anguilla) mit Wirkung zum 13. März 2009 mit auf die Liste der besonders zu schützenden Arten (Anhang II) aufzunehmen. Dieser genießt damit denselben Schutzstatus wie der Afrikanische Elefant oder das Zwergflusspferd. In einer nachfolgenden Verordnung der Europäischen Union werden den Mitgliedstaaten verschiedene Maßnahmen zum Schutz beziehungsweise zur Wiederauffüllung des Bestandes des Europäischen Aals vorgegeben. Ohne derartige Maßnahmen ist der langfristige Erhalt des Europäischen Aals nach Einschätzung der Europäischen Kommission und vieler Expertinnen und Experten nicht mehr sichergestellt. Neben dem Aalbesatz gehören dazu auch die Verbesserung der abwärts gerichteten Durchgängigkeit sowie Fangeinschränkungen und ein EU-weites Ausfuhrverbot. Europol bezeichnet den Aalschmuggel als eines der größten Wildtierverbrechen weltweit. Trotz strenger Kontrollen werden nach Angaben der Behörden jährlich schätzungsweise 300 Millionen Aale illegal aus Europa exportiert, überwiegend nach Asien. Hinter dem Schmuggel stehen laut Europol organisierte Banden, die die Jungfische im Gepäck transportierten. Im Jahr 2019 konnte die Fischereibehörde in Karlsruhe in einer gemeinsamen Rettungsaktion 170.000 Glasaale in den Rhein evakuieren, die am Stuttgarter Flughafen vom Zoll beschlagnahmt wurden. Die Tiere waren in zwei Koffern versteckt.

Informationen zum Aalbesatz in Baden-Württemberg

Aufgrund der dramatischen Situation hat sich Baden-Württemberg zu weitreichenderen Maßnahmen entschlossen. So war der Aal nach der Landesfischereiverordnung von Baden-Württemberg in den maßgeblichen Aallebensräumen im Rheingebiet neun Jahre lang ganzjährig geschont. Das heißt, dass in den maßgeblichen Gewässern weder von der Freizeitfischerei noch von der Erwerbsfischerei Aale gefangen werden durften. Heute ist der Fang zeitlich beschränkt und limitiert. Auf diese Weise soll der Anteil an Aalen, die zum Laichen ins Meer zurückkehren, bestmöglich gesteigert werden.

Ausschließlich in Baden-Württemberg und insbesondere im Regierungsbezirk Karlsruhe wird der Aalbestand im Rhein lückenlos und bereits seit Jahrzehnten durch jährlichen, regelmäßigen Besatz gestützt. Dabei hat das Regierungspräsidium in Abstimmung mit der Fischereiforschungsstelle des Landes Baden-Württemberg die Besatzmodalitäten ständig angepasst. Wurden zu Beginn der Besatzmaßnahmen noch ausschließlich Glasaale besetzt, hat sich dies in den vergangenen Jahren zu einem Besatz mit vorgestreckten Farmaalen hin verschoben. Die Gründe dafür lagen im Wesentlichen in den hohen Preisen für Glasaale wie auch in der verbesserten Überlebensrate der Farmaale. Besetzt werden heute Aale, die als Glasaale an den Atlantikküsten und Flussmündungen Portugals, Frankreichs bis Großbritannien gefangen und zur weiteren Aufzucht bis zu einem Gewicht von etwa zehn Gramm in eigens dafür errichteten Anlagen überführt werden. Dies ist aufgrund der kontrollierten Haltungsbedingungen und einem ausgezeichneten Gesundheitszustand der Fische eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg der Besatzmaßnahme.

Organisiert und durchgeführt wird der Aalbesatz von der Fischereibehörde im Regierungspräsidiums Karlsruhe mit Unterstützung des Landesbetriebs Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Pforzheim. Das Regierungspräsidium Karlsruhe überwacht die Wirkung der verschiedenen Maßnahmen für den Aal durch geeignete Untersuchungsprogramme. In den letzten Jahren konnte im Rahmen von Erhebungen der Fischereibehörde eine deutliche Tendenz zur Verbesserung des Aalbestands im Rhein festgestellt werden.