Pressemitteilung

Naturschutzgebiet „Lappen und Eiderbachgraben“ zwischen Buchen und Walldürn: der Kiebitz hat Nachwuchs

Schutzbemühungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe zahlen sich aus

Kiebitz-Küken auf Nahrungssuche

Kiebitz im Flug

Im Natur- und Vogelschutzgebiet „Lappen und Eiderbachgraben“ zwischen Buchen und Walldürn sind in diesen Tagen junge Kiebitze flügge geworden. Nachdem die empfindlichen Wiesenbrüter dort zuletzt jahrelang keinen Nachwuchs mehr großziehen konnten, scheinen sich die verstärkten Schutzbemühungen des Naturschutzreferats am Regierungspräsidium Karlsruhe sowie der Ehrenamtlichen vor Ort auszuzahlen.

Kiebitze sind in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht. Wie bei anderen Feld- und Wiesenvögeln auch sind ihre Bestände in den letzten Jahrzehnten europaweit stark eingebrochen, denn ihre Lebensbedingungen haben sich durch Zersiedlung und Intensivierung der Landwirtschaft zunehmend verschlechtert.

Im Natur- und Vogelschutzgebiet „Lappen und Eiderbachgraben“ befindet sich das letzte Bruthabitat im gesamten Neckar-Odenwald-Kreis. Drei bis fünf Brutpaare haben sich dort in den letzten Jahren jährlich niedergelassen. Seit 2021 werden die Brutflächen der Tiere im Frühjahr mit einem Elektrozaun eingezäunt. So sollen die Tiere vor Fressfeinden geschützt und damit der Bestand stabilisiert werden. Letztes Jahr konnten so immerhin vier Küken überleben, diese Frühjahr waren es noch einmal deutlich mehr. Dabei hatten die Vögel während der Balz- und Brutzeit mit schwierigen Witterungsbedingungen zu kämpfen. Anfang April musste die Brut wegen eines Wintereinbruchs mit heftigem Schneefall sogar unterbrochen werden.

Zum Glück haben sich die Kiebitze davon nicht beirren lassen. „Die erfreuliche Bilanz: Von 15 geschlüpften Küken sind 12 flügge geworden“, freut sich der ehrenamtliche Vogelkundler Peter Rückert. Seit über 20 Jahren besucht er zur Vogelsaison regelmäßig das Gebiet, um die Vögel zu beobachten, teilweise sogar zweimal täglich. Unterstützung erhält das Regierungspräsidium auch vom Biotopschutzbund Walldürn, der den Elektrozaun einmal wöchentlich ausmäht, um seine Funktionsfähigkeit zu sichern.

So soll es mit vereinten Kräften gelingen, die Kiebitz-Population im Neckar-Odenwald-Kreis zu erhalten. Dabei wird die zunehmende Trockenheit infolge des Klimawandels Vögel und Naturschützer vor besondere Herausforderungen stellen. Diese Brutsaison war aber erst einmal sehr erfolgreich. Im Herbst werden sich die jungen Kiebitze wie ihre Artgenossen auf die Reise nach Süden begeben und zum Ende des Winters hoffentlich zu ihrem Brutplatz im „Lappen und Eiderbachgraben“ zurückkehren.

 

Hintergrundinformationen zum Natur- und Vogelschutzgebiet „Lappen und Eiderbachgraben“

Das Naturschutzgebiet (NSG) „Lappen und Eiderbachgraben“ liegt zwischen Buchen und Walldürn. Es ist über 60 Hektar groß und steht bereits seit über 40 Jahren unter Schutz (1979: Erste Ausweisung; 1996: Erweiterung und neue Ausweisung). Im Gebiet wächst ein Mosaik aus blumenbunten Mähwiesen, feuchten Sumpfdotterblumenwiesen, Seggenrieden und Feuchtgehölzen. Der Eiderbach durchfließt das Gebiet und speist einige kleinere Wasserflächen. Die Böden sind lehmig und wasserstauend. So entsteht im Frühjahr bis in den Sommer hinein eine ausgedehnte Wasserfläche. Die biologische Vielfalt ist groß: unzählige Insektenarten nutzen die vielfältigen Pflanzen, zahlreiche Amphibien laichen in den Wasserflächen und Wiesenbrüter bauen ihre Nester in den ausgedehnten Wiesenbereichen. Besondere Bedeutung hat das Gebiet als Rastgebiet für Zugvögel. In Baden-Württemberg sind rund zwei Prozent der Landesfläche als NSG ausgewiesen. Wie in jedem NSG gilt: Erholungssuchende müssen auf den Wegen bleiben und jede Störung der Tiere ist verboten. Schilder weisen in den Gebieten auf die besonderen Verhaltensregeln hin.

Weitere Informationen bieten die Steckbriefe im Schutzgebietsverzeichnis der Landesanstalt für Umweltschutz.

Das NSG steht außerdem unter europäischem Schutz. Es ist als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet) und gleichzeitig auch als Vogelschutzgebiet ausgewiesen. Die Europäische FFH-Richtlinie von 1992 und die Vogelschutzrichtlinie von 1979 dienen dazu, das europäische Naturerbe über die Grenzen der Mitgliedsstaaten hinweg zu erhalten und einen günstigen Zustand zu entwickeln. Der „Lappen und Eiderbachgraben“ bei Walldürn ist Lebensstätte für zahlreiche heimische Vogelarten und darüber hinaus auch ein wichtiger Rastplatz für Wat- und Wasservögel. Auf ihrem Zug in nördliche Brutgebiete rasten im Frühjahr Kampfläufer, Grünschenkel und Bruchwasserläufer. Der Natura 2000-Managementplan zum FFH-Gebiet „Odenwaldtäler zwischen Schloßau und Walldürn“ und dem Vogelschutzgebiet „Lappen bei Walldürn“ mit Informationen zu den europäisch geschützten Lebensräumen und Arten wurde 2017 fertiggestellt und ist auf der Homepage der Landesanstalt für Umwelt zum Download verfügbar.

Hintergrundinformationen zum Kiebitz

Der Kiebitz ist ein ausgesprochener Kulturfolger. Er besiedelt vor allem landwirtschaftliche Nutzflächen, die durch hohe Grundwasserstände besonders feucht sind. Dabei meiden die Vögel Gehölzstrukturen und andere Sichtbarrieren, um rechtzeitig auf mögliche Fressfeinde aufmerksam zu werden.

Im Herbst ziehen Kiebitze in großen Schwärmen in westlicher oder südwestlicher Richtung, etwa nach Frankreich oder Spanien. Dabei reagieren sie auf die Witterung und weichen bei Eis und Schnee in mildere Regionen aus. Auch nach der Rückkehr ins das Brutgebiet kann es so noch einmal zu Rückwärtsbewegungen kommen.

Hauptnahrung der Kiebitze sind Insekten, Spinnen und wirbellose Kleintiere wie Würmer am und im Boden. In feuchten, artenreichen Wiesen mit lückiger Vegetation finden sie besonders viel davon.

Ihre Eier legen Kiebitze in offenen Nestmulden am Boden ab. Das macht sie besonders störungsanfällig. Die Jungen – meist vier an der Zahl - sind Nestflüchter, die ihr Nest kurz nach dem Schlupf verlassen. Nach etwa vier Wochen sind sie flugfähig und kurz darauf selbstständig. Jedoch kommen bei weitem nicht alle Eier zum Schlupf, und im Durchschnitt überleben nur rund 60 Prozent der flüggen Jungvögel ihr erstes Lebensjahr.

Mitte des 20. Jahrhunderts war der Kiebitz in Deutschland noch weit verbreitet. Heute ist er aus vielen Regionen verschwunden oder vom Aussterben bedroht. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Verlust von Lebensräumen durch Trockenlegung von Feuchtwiesen und intensive Landnutzung, allgemeiner Rückgang der Insektenmasse, Störungen durch vermehrte Freizeitnutzungen, Zunahme von Fressfeinden. Letztere sind vor allem Füchse, aber auch Wachbären oder Marder, und auch Greif- und Rabenvögel können den Kiebitzgelegen gefährlich werden.

Kiebitze können über 20 Jahre alt werden. Sie kehren häufig an ihren angestammten Brutplatz zurück, können sich zum Beispiel nach Brutverlusten aber auch über viele Kilometer umsiedeln. Begrenzender Faktor ist dabei der Mangel an geeigneten Brutlebensräumen. Um einen Bestand stabil zu halten, ist ein Bruterfolg von mindestens 0,8 flüggen Jungvögeln pro Brutpaar und Jahr nötig. Wichtigste Schutzmaßnahmen sind daher die Erhaltung und Entwicklung geeigneter Bruthabitate sowie der Schutz der Gelege vor Störungen und Fressfeinden.

Der kurze Film des Regierungspräsidiums Stuttgart „Eine Insel für den Kiebitz“ zeigt, neben der Lebensweise des Vogels, mit welchen Maßnahmen ihm geholfen werden kann.

Weitere Infos zum Kiebitz