Pressemitteilung

Seltener Wanderfisch drängt in den Neckar

Regierungspräsidium Karlsruhe zählt am Fischpass in Ladenburg 30 aufsteigende Maifische

 

In der diesjährigen Maifischaufstiegssaison wurden im Fischpass des untersten Neckarwehrs in Ladenburg bei einer Erhebung der Pachtgemeinschaft Kurpfalz 30 Maifische registriert. Dieses an sich schon für Fachleute sensationelle Ereignis ist umso bemerkenswerter, da die bis vor kurzem als ausgestorben geltenden Wanderfische nicht aus Besatzmaßnahmen im Neckar stammen können. Claus Neuer von der Pachtgemeinschaft leitete die Aktion am Fischpass in Absprache mit dem Regierungspräsidium Karlsruhe: „So ein Maifischjahr hatten wir noch nie und ich bin schon über 50 Jahre am Neckar aktiv “.

Der Maifisch zählt zu den Wanderfischen und wandert, so wie der Atlantische Lachs, aus dem Meer in die Flüsse auf, um auf gut überströmten Flusspassagen mit kiesigem Grund zu laichen. Dies geschieht beim Maifisch zwar für Beobachter verborgen mitten in der Nacht, jedoch deutlich hörbar durch das Klatschen der Schwanzflossen der Fische.

Es ist überliefert, dass Maifische im Neckar um 1870 noch so zahlreich aufstiegen und laichten, dass die Fischer und Schiffer auf dem Neckar vom nächtlichen Laichspektakel geweckt wurden. Anders als der Lachs wandert der Maifisch jedoch nicht bis weit hoch in die Flussoberläufe. Die Laichgebiete des Maifisches liegen in der sogenannten Barbenregion in den größeren Flüssen, wie etwa dem Rhein oder eben seinen größeren Zuflüssen, wie dem Neckar, der Mosel oder der Sieg. Im aufgestauten Neckar liegen potenzielle Laichplätze für den Maifisch heute unmittelbar flussabwärts von Wasserkraftwerkanlagen.

Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war der Maifisch auch im Neckar eine der häufigsten und auch wirtschaftlich bedeutendsten Fischarten. Maifische sterben nach dem Ablaichen und treiben dann den Fluss ab. An Brückenpfeilern und Flussbauwerken im Neckar bildeten sich vor noch über 150 Jahren „Berge von toten Maifischen“. In Heidelberg gab es regelmäßig Beschwerden über den Gestank von verwesenden Maifischen.

Im Zeitraum weniger Jahrzehnte brachen die Bestände ein, auch weil der Maifisch überfischt wurde. Hauptursachen für sein Verschwinden im Neckar waren der rigorose Ausbau des Flusses als Wasserstraße sowie die zunehmende Verschmutzung des Neckars. In ganz Europa gingen die ursprünglich reichen Maifischbestände drastisch zurück. Lediglich in einigen Atlantikzuflüssen in Westfrankreich, der iberischen Halbinsel und Marokko hielten sich Restbestände. Die größte dieser Populationen, jene im Gironde-Garonne-Dordogne-System, steht seit Jahr 2007 Pate für die Wiederansiedlung des Maifischs im Rheinsystem. In einem durch das EU Förderprogramm „Life“ unterstützen Projekt, wurden gemeinsam mit französischen Partnern Zuchttechniken etabliert, die es ermöglichten, Maifische aus dem Wildbestand in großer Zahl nachzuzüchten und im Rheinsystem auszuwildern.

„Dank intensiver Forschungsarbeit haben sich Hinweise ergeben, dass der Neckar für den natürlichen Bestandsaufbau des Maifischs im Rheinsystem womöglich eine bedeutende Rolle spielt“, berichtet Andreas Scharbert, vom Rheinischen Fischereiverband, der das Maifischprojekt von Nordrhein-Westfalen aus leitet. „Da nur ein Teil des Maifischbestandes sichtbar gemacht werden kann, ist es schwierig, die tatsächliche Größe des Bestandes abzuschätzen.“ Die 30 Maifische in Ladenburg wurden in nur wenigen Tagen gefangen, eine durchgehende Zählung erfolgte nicht. Anhand von genetischen Untersuchungen konnte die Arbeitsgruppe um Andreas Scharbert dennoch Informationen auf sogenannte „Hot Spots“ der Populationsentwicklung gewinnen. Und ein solcher scheint im Neckar zu liegen: In den Gehörsteinchen mehrerer Maifische fanden sich deutlich Hinweise, dass diese Fische aus dem Neckar stammen.

Nach Überzeugung von Frank Hartmann, dem Fischereireferenten des Regierungspräsidiums Karlsruhe, hätten daher auch in diesem Jahr weit mehr Maifische den Neckar aufwandern und im Neckar ablaichen können, als in Ladenburg gezählt wurden. „Das Potenzial für den Maifisch im Neckar ist enorm. Wir haben die Chance, die Art in Baden-Württemberg wieder zu etablieren und dadurch einen großen Beitrag zur Wiederherstellung der Biodiversität zu leisten“, so Hartmann.

Dazu müssen allerdings die teilweise über 100 Jahre alten, viel zu kleinen und für Fische schlecht auffindbaren Fischpässe im Neckar endlich neu gebaut werden. Seit 2010 besteht für die Wasserstraßenverwaltung des Bundes die rechtliche Verpflichtung, Fischpässe nach dem Stand der Technik an den Wehren der Bundeswasserstraßen zu errichten und zu betreiben. Für die besonders bedeutenden Standorte Schwabenheim und Feudenheim sind jedoch nicht einmal Planungen vorhanden. Beide Standorte sind die Eingangstore für Fische, die aus dem Rhein in den Neckar einwandern möchten. Je mehr Fische und Maifische hier aus dem Rhein aufsteigen können, desto größer ist auch die Besiedlung des Neckars hinauf bis zum Kocher und zur Jagst sowie in die Enz. Der aktuelle kleine Fischpass in Ladenburg ist lediglich ein winziges Nadelöhr, das als Ersatzbauwerk für den beschädigten historischen Fischpass ebenfalls nur eingeschränkt funktioniert. Auch weiter neckaraufwärts sieht es mit der Durchgängigkeit für Fische schlecht aus. Bislang wurde im Regierungsbezirk Karlsruhe an den Neckarwehren kein einziger Fischpass neu gebaut. Das hat sehr negative Auswirkungen auf die Entwicklung des gesamten Fischbestandes im Neckar, nicht nur auf den Maifisch. Gemeinsam beklagen Claus Neuer und Frank Hartmann: „In den letzten Jahren ist der natürliche Fischbestand des Neckars nahezu zusammengebrochen. Es fehlen entlang des gesamten schiffbaren Neckar angemessene Durchgängigkeiten für Fische und es fehlen Seitengewässer als bedeutende Laichgebiete und vor Welleschlag der Schiffe geschützte Aufwuchsgewässer, wie die gut gelungene Fischkinderstube in Edingen-Neckarhausen.“

Hintergrundinformationen zum Maifisch

Der Maifisch zählt zur Familie der Heringe und ist mit bis zu 50 Zentimeter Länge ihr größter Vertreter. Sie wachsen in küstennahen Regionen des nordöstlichen Atlantiks zu erwachsenen Fischen heran. Dort ernähren sie sich überwiegend von Zooplankton. In Schwärmen ziehen sie zur Laichzeit, im Mai und Juni, die Flüsse hoch, um die Laichgründe über kiesiger bis steiniger Sohle zu erreichen. Die Eier werden ins Freiwasser abgegeben und von der Strömung abgedriftet bis sie allmählich auf den Grund absinken. Schon nach wenigen Tagen schlüpfen die winzigen Larven. Nach wenigen Wochen beginnt schon die Reise der Jugendstadien stromabwärts in Richtung Meer, das sie noch im ersten Lebensjahr erreichen. 2014 wurden nach langer Zeit die ersten Maifische im Neckar entdeckt. Im Rhein ist die natürliche Reproduktion direkt nachgewiesen worden. Die Bemühungen der Wiederansiedlung des Maifisches im Rheinsystem zeigen damit erste vorzeigbare Erfolge.