Pressemitteilung

Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“: Große Bodenbewegungen in der nächsten Woche

Lichter Kiefernwald

Im September 2020 wurde das Entwicklungs-Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ bei Sandhausen ausgewiesen. Seitdem konnten bereits einige Naturschutzmaßnahmen erfolgen, um Standorte für Sandrasen zu entwickeln. Anfang nächster Woche (Kalenderwoche 4) findet nun mit großen Bodenbewegungen die nächste Maßnahme zur Entwicklung des Naturschutzgebiets statt: Nachdem Ziegen und Schafe Ende letzten Jahres reichlich Brombeeren, Büsche und krautige Pflanzen gefressen und aus dem Naturschutzgebiet entfernt haben (siehe Pressemitteilung vom 29. Oktober 2021), wurden in den letzten Tagen zusätzlich deren Wurzeln zerkleinert. Zusammen mit der obersten 10 bis 15 Zentimeter dicken Schicht humosen, nährstoffreichen Waldbodens werden diese nun aus dem gerodeten Bereich in das angrenzende Waldgebiet außerhalb des Naturschutzgebietes gebracht. Dort verbessert der humose Waldboden die Wachstumsbedingungen für nährstoffliebende Pflanzen. Im Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ bleibt reiner nährstoffarmer Sandboden übrig. Die Schaffung nährstoffarmer Sandböden ist die Voraussetzung dafür, dass Sandspezialisten aus dem benachbarten Naturschutzgebiet „Sandhausener Düne“ einwandern.

Auf dem Sandboden können sich Sandspezialisten, wie beispielsweise die Sandsilberscharte, gegenüber Konkurrenten durchsetzen, die auf nährstoffreichem Waldboden besser wachsen als sie. Außerdem finden weitere Sandspezialisten wie der Sandlaufkäfer und die Ödlandschrecke auf dem vegetationsarmen Sandboden Nahrung. Die Lebensgemeinschaft der Sandrasen ist auf diese Unterstützung angewiesen. Durch flächendeckende Einträge von Stickstoff über die Luft und die Aufgabe historischer Nutzungen wie beispielsweise das Streurechen im Wald, sind die Lebensräume dieser Arten auf kleinste Restflächen ge-schrumpft. Im Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ sollen daher neue Standorte für Sandrasen mit ihrer bedrohten Tier- und Pflanzenwelt und damit eine der herausragenden naturkundlichen und kulturhistorischen Besonderheiten Sand-hausens entstehen.

Für Rückfragen steht der zuständige Kreisökologe Dr. Jost Armbruster unter binnenduenen@rpk.bwl.de oder 0721 / 926-4300 zur Verfügung.

Hintergrundinformationen zum Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“

Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umset-zung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535.

Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten. Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten. Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regie-rungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkon-zepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.

Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines insgesamt 32 Hektar großen Naturschutzgebietes auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 im Beisein von Georg Kletti, Bürgermeister der Gemeinde Sandhausen, von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen Naturschutzgebiet in den nächsten 25 Jah-ren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt im Boden) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.
Die Brühlwegdüne ist in einer kurzen Kaltphase am Ende der letzten Eiszeit (Würm) vor rund 10.000 bis 11.000 Jahren entstanden. Die in der damaligen Rheinaue lagernden Sande wurden vom Wind ausgeweht und unter anderem als Binnendünenzug bei Sandhausen abgelagert, zu dem neben der Brühlwegdüne auch der sich nördlich anschließende Pferdstrieb gehört.

Das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.

Informationen zum Alternativkonzept finden sich auf der Projekt-Webseite.