Pressemitteilung

Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“

Mehr Raum für seltene Tier- und Pflanzenarten durch Forstarbeiten im Norden des Naturschutzgebiets bis voraussichtlich Ende Februar 2023

Im September 2020 wurde das Entwicklungs-Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ bei Sandhausen ausgewiesen. Seitdem konnten bereits einige Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden, um Standorte für Sandrasen zu entwickeln (Pressemitteilung 19. Januar 2022).

Nun stehen weitere Maßnahmen an: Anfang nächster Woche wird der Strauch- und Krautbewuchs auf den nächsten beiden, insgesamt rund zwei fußballfeldgroßen, Flächen im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe und in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Sandhausen entfernt. Die beiden Flächen befinden sich im Norden des Entwicklungs-Naturschutzgebiets und wurden zusammen mit der Forstverwaltung ausgewählt, da hier bereits ein Großteil der Bäume abgestorben ist. In den letzten Tagen wurden auf der Fläche bereits Forstarbeiten ausgeführt, wobei rund 30 Gehölzgruppen mit Einzelbäumen, die gutes Potential haben, auch langfristig zu überleben, jedoch von den Auflichtungen ausgenommen wurden. Die Arbeiten werden voraussichtlich bis Ende Februar 2023 abgeschlossen und sind Teil des Alternativkonzepts zum nicht erfolgten Rückbau eines Teils der L600.

Im Anschluss an die Forstarbeiten wird der humose Waldboden abgetragen, um nährstoffarme Bedingungen für die Entwicklung von Sandrasen zu schaffen. Der entnommene Waldboden wird dann zur Bodenverbesserung des Gemeindewaldes in nahem Umfeld verwendet.

Mit der Auflichtung werden zunächst auch unerwünschte Pflanzenarten, beispielsweise Brombeeren, vermehrt wachsen. Um diese zugunsten der Sandrasenvegetation zurückzudrängen, werden die künftigen Sandrasenflächen und die Flächen der lichten Kiefernwälder im gesamten Nordteil des Schutzgebiets mit permanenten Zäunen umgeben und zusammen mit den ersten Auflichtungsflächen von Ziegen und Schafen beweidet.

Von den Maßnahmen werden zahlreiche, seltene und vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten, profitieren. Es handelt sich um Spezialisten für Sandböden, beispielsweise die Sand-Silberscharte oder die Sand-Steppenbiene, die in Baden-Württemberg teilweise nur in Sandhausen und Umgebung vorkommen.

Hintergrundinformationen zum Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“

Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umsetzung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535.

Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten. Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten. Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkonzepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.

Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines 32 Hektar großen Naturschutzgebietes auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 im Beisein von Georg Kletti, Bürgermeister der Gemeinde Sandhausen, von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen Naturschutzgebiet in den nächsten 25 Jah-ren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt im Boden) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.

Die Brühlwegdüne ist in einer kurzen Kaltphase am Ende der letzten Eiszeit (Würm) vor rund 10.000 bis 11.000 Jahren entstanden. Die in der damaligen Rheinaue lagernden Sande wurden vom Wind ausgeweht und unter anderem als Binnendünenzug bei Sandhausen abgelagert, zu dem neben der Brühlwegdüne auch der sich nördlich anschließende Pferdstrieb gehört.

Das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.

Weitere Informationen zum Alternativkonzept sind auf Projektseite des Regierungspräsidiums Karlsruhe zu finden.