Im September 2020 wurde das Entwicklungs-Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ bei Sandhausen ausgewiesen. Seitdem konnten bereits einige Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden, um Standorte für Sandrasen zu entwickeln (Pressemitteilung 19. Januar 2022).
Zur Vorbereitung auf die nächste Weidesaison im Spätsommer dieses Jahres wird der permanente Zaun entlang des Dünenwegs im Nordostteil des Naturschutzgebietes Brühlwegdüne in den nächsten Wochen um circa 400 Meter nach Süden erweitert. Die Beweidungsfläche wird dann zusammen mit dem Wildschutzzaun entlang der L598 und mobilen Zäunen auf insgesamt 9 Hektar vergrößert.
Die Entwicklung der bereits Anfang 2020 freigestellten Fläche verläuft aus Naturschutzsicht hervorragend. Viele Pflanzensamen wurden bereits von Wild- und Weidetieren oder durch Sammlung und Aussaat durch den Landschaftspflegetrupp des Regierungspräsidiums von der Pferdstriebdüne auf die Brühlwegdüne übertragen. Sie sind dort gekeimt und bilden nun bereits größere Bestände. Aktuell sind vom Dünenweg aus viele gelbe Blüten des Sand-Steinkrautes zu sehen, einer Charakterart der Sandrasen. Wie andere Sandrasen-Pflanzen ist das Sand-Steinkraut an die trockenen und nährstoffarmen Verhältnisse angepasst. Es ist an der Blattunterseite dicht behaart und damit gut vor Verdunstung geschützt. Die gleiche Funktion haben die zusammengerollten und borstigen Blätter des Silbergrases. Die silbrig-grünen Horste des Silbergras lassen sich ebenfalls gut vom Dünenweg aus, sehen. Hierzu muss die Fläche nicht betreten werden. Das Verlassen der Wege ist gemäß Naturschutzgebiets-Verordnung zum Schutz der gefährdeten Arten verboten.
Allerdings wachsen auf den Sandrasenflächen auch zahlreiche ungewünschte Pflanzen wie beispielsweise das Berufskraut, das ursprünglich aus Kanada stammt und auf nährstoffreicheren Böden den spezialisierten Pflanzenarten überlegen ist. Diese Entwicklung ist normal. Pflanzen, die an eher nährstoffreiche Verhältnisse angepasst sind werden durch die Beweidung zurückgedrängt. Langfristig sinkt die Nährstoffverfügbarkeit auf der Düne. Dann wird sich wie auf der Pferdstriebdüne eine stabile Sandrasengesellschaft entwickeln, die nur noch wenig Pflege benötigt.
Hintergrundinformationen zum Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“
Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umsetzung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535. Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten. Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten. Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkonzepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.
Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines 32 Hektar großen Naturschutzgebietes auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 im Beisein von Georg Kletti, Bürgermeister der Gemeinde Sandhausen, von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen Naturschutzgebiet in den nächsten 25 Jah-ren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt im Boden) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.
Die Brühlwegdüne ist in einer kurzen Kaltphase am Ende der letzten Eiszeit (Würm) vor rund 10.000 bis 11.000 Jahren entstanden. Die in der damaligen Rheinaue lagernden Sande wurden vom Wind ausgeweht und unter anderem als Binnendünenzug bei Sandhausen abgelagert, zu dem neben der Brühlwegdüne auch der sich nördlich anschließende Pferdstrieb gehört.
Das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.