Im September 2020 wurde das Entwicklungs-Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ bei Sandhausen ausgewiesen. Seitdem konnten bereits einige Naturschutzmaßnahmen umgesetzt werden, um Standorte für Sandrasen zu entwickeln (Pressemitteilung 19. Januar 2022).
Bis Ende März 2024 wird nun die Testphase bei der Entwicklung des Naturschutzgebietes Brühlwegdüne mit weiteren Auflichtungen und Bodenbewegungen, die im Rahmen der Umsetzung des Alternativkonzeptes zum nicht erfolgten Rückbau eines Teils der L 600 stattfindet, abgeschlossen werden. Die Arbeiten dafür starten in den nächsten Tagen.
Insgesamt sollen laut Naturschutzgebiets-Verordnung bis zum Jahr 2025, 2,8 Hektar große Freiflächen geschaffen werden auf denen sich Sandrasen und Sandheiden entwickeln. In den nächsten Wochen wird der Bewuchs auf der letzten etwa ein Hektar großen Fläche im Auftrag des Regierungspräsidiums Karlsruhe und in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde Sandhausen entfernt. Zusammen mit dem Forst wurde eine weitere Stelle auf dem Dünenrücken im Nordteil des Entwicklungs-Naturschutzgebietes ausgewählt, weil dort der Großteil der Bäume aufgrund von Trockenheit bereits abgestorben ist. Die Auflichtungsfläche grenzt im Süden an den Bettelpfad, der das Naturschutzgebiet in den Nord- und Südteil teilt.
Bis Ende Januar dieses Jahrs hatte die Gemeinde Sandhausen verwertbares Holz auf der Auflichtungsfläche entnommen. Dort werden in einem nächsten Schritt das Restholz und Wurzeln entfernt. Im Anschluss wird der humose Waldboden abgetragen, um nährstoffarme Bedingungen für die Entwicklung von Sandrasen zu schaffen. Der entnommene Waldboden wird aber nicht entsorgt, sondern zur Bodenverbesserung des Gemeindewaldes in nahem Umfeld verwendet.
Von der Lichtstellung des Bodens profitieren auch Brombeeren und Gebüsche. Um die aufkommenden Gehölze zugunsten der Sandrasenvegetation zurückzudrängen, werden die künftigen Sandrasenflächen und Flächen der lichten Kiefernwälder im gesamten Nordteil des Schutzgebietes zusammen mit den ersten Auflichtungsflächen von Ziegen und Schafen beweidet. Zusätzlich werden im Laufe des Jahres die zuletzt freigestellten Flächen mit Pflanzensamen aus dem benachbartem Naturschutzgebiet Sandhausener Düne – Pferdstrieb Nord beimpft. Dies beschleunigt die Entwicklung von Sandrasen und Sandheide, wie dies auch auf der ersten Auflichtungsfläche ganz im Norden zu sehen ist. Dort wachsen viele der gewünschten Zielarten der Sandrasen, wie beispielsweise Sand-Silberscharte und Sand-Steinkraut.
Hintergrundinformationen zum Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“
Die Entwicklung des Naturschutzgebietes „Brühlwegdüne“ ist Teil der Umsetzung des L 600-Alternativkonzepts. Anlass für den geplanten Rückbau der L 600 bei Sandhausen war der Neubau der B 535. Der Planfeststellungsbeschluss für die B 535 vom 13. Juli 1989 wurde 1997 bestandskräftig. Die Straße wurde am 4. Mai 2000 dem Verkehr übergeben, der Bund als Vorhabenträger war damit verpflichtet, den Rückbau der L 600 vorzunehmen. Die Gemeinde Sandhausen hingegen wollte diese Straße erhalten und stattdessen ein alternatives Ausgleichskonzept erarbeiten. Mit Unterstützung des Regierungspräsidiums Karlsruhe wurde 2010 eine solche Ausgleichsplanung vorgelegt. Gegen diese wurde jedoch eine von zahlreichen Bürgern unterstützte Petition beim Petitionsausschuss des Landtages eingereicht, zugleich mit einer Petition der Naturschutzverbände, die das Alternativkonzept unterstützten. Auf Vorschlag des NABU wurde nach diesem erneuten Stillstand ein Kompromiss gefunden und ein modifiziertes Ausgleichskonzept erarbeitet, das auch nach Empfehlung des Petitionsausschusses weiterverfolgt werden sollte. Nach langen Verhandlungen konnte im Sommer 2015 ein unter Federführung des Regierungspräsidiums Karlsruhe erarbeiteter öffentlich-rechtlicher Vertrag zwischen den beteiligten Gemeinden, der Straßenbauverwaltung und dem Regierungspräsidium abgeschlossen werden, der die Umsetzung dieses letzten Alternativkonzepts regelt. Daraufhin hat der Landtag mit Beschluss vom 18. Februar 2016 das Petitionsverfahren abgeschlossen und die Petition für erledigt erklärt.
Das Alternativkonzept umfasst insgesamt fünf Module. Eines davon ist die Ausweisung eines 32 Hektar großen Naturschutzgebietes auf dem Dünenzug am Brühlweg. Dieses Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ wurde am 15. September 2020 im Beisein von Georg Kletti, Bürgermeister der Gemeinde Sandhausen, von Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder ausgewiesen. Ein weiteres Modul besteht darin, im neuen Naturschutzgebiet in den nächsten 25 Jah-ren insgesamt 15 Hektar Sandrasen und 15 Hektar lichten Kiefernwald und Heide durch Entnahme von Gehölzen und nährstoffreichem Waldboden zu entwickeln. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen. In der ersten Phase wird ermittelt, inwiefern die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit (Mächtigkeit des humosen Oberbodens, Kalkgehalt im Boden) Einfluss auf die weitere Entwicklung der aufgelichteten Flächen hin zu den gewünschten verschiedenen Biotopen (Wintergrün-Kiefernwald, Weißmoos-Kiefernwald, Blauschillergrasrasen, Silbergrasrasen und Sandheide) hat. Sobald sich die gewünschten Ziele eingestellt haben, erfolgt die Umsetzung der nächsten Schritte.
Die Brühlwegdüne ist in einer kurzen Kaltphase am Ende der letzten Eiszeit (Würm) vor rund 10.000 bis 11.000 Jahren entstanden. Die in der damaligen Rheinaue lagernden Sande wurden vom Wind ausgeweht und unter anderem als Binnendünenzug bei Sandhausen abgelagert, zu dem neben der Brühlwegdüne auch der sich nördlich anschließende Pferdstrieb gehört.
Das Naturschutzgebiet „Brühlwegdüne“ ist das erste Entwicklungsnaturschutzgebiet Baden-Württembergs, dessen Entwicklung aus einem eigens dafür angelegten Projektkonto bezahlt wird, in das die Straßenbauverwaltung und die Gemeinde Sandhausen einbezahlt haben.
Weitere Informationen zum Projekt
Bild 1:
Die Sand-Silberscharte ist mit ihren filzigen Blättern perfekt an trocken-heiße Standorte angepasst. Sie kommt in Baden-Württemberg nur bei Sandhausen und Mannheim vor. Bildrechte: RPK
Bild 2:
Seltener Winzling: Die Sand-Steppenbiene – hier auf einer Blüte des Sand-Thymians, wird nur vier Millimeter groß. Ihr Nest gräbt sie ausschließlich in Bereichen mit offenem Sandboden. Bildrechte: RPK