Pressemitteilung

Naturschutzgebiet „Battertfelsen beim Schloss Hohenbaden“

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder beantwortet häufig gestellte Fragen zum neuen Schutzkonzept des Wanderfalkens

 

Fliegender Wanderfalke vor blauem Himmel.

Fliegender Wanderfalke

Am 9. November 2022 hat das Regierungspräsidium Karlsruhe darüber informiert, dass es beabsichtigt, spätestens zum Beginn der nächsten Brutsaison im Januar 2023, ein neues Schutzkonzept für den Wanderfalken umzusetzen (Pressemitteilung 9.11.2022).

Regierungspräsidentin Sylvia M. Felder beantwortet die dazu häufig gestellten Fragen:

Im Naturschutzgebiet und Bannwald „Battertfelsen beim Schloss Hohenbaden“ ist der Wanderfalke seit vielen Jahren zu beobachten. Es wurden bereits in der Vergangenheit mehrere Schutzmaßnahmen umgesetzt. Wieso musste das Schutzkonzept jetzt überarbeitet werden?

Sylvia M. Felder:

Der Bruterfolg der Wanderfalken am Battert ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen. Er liegt nicht nur weit unter dem der anderen Brutpaare in der Region Rastatt und Baden-Baden, der Battert ist das Schlusslicht! Wir merken hier am Battert den gestiegenen Publikumsdruck und den Boom beim Naturfreizeitsport. Wenn Menschen dem Nest zu nahe kommen, werden die Altvögel beim Nestbau gestört oder sie verlassen die bereits geschlüpften Küken. Stress beim Anflug durch Störungen im Umfeld kann auch dazu führen, dass die Jungvögel zu wenig gefüttert und nicht ausreichend geschützt werden. Wir können vor dieser Situation und dem geringen Bruterfolg nicht die Augen verschließen: Der Wanderfalke ist eine nach europäischem und nationalen Recht streng geschützte Vogelart und wir sind als Behörde dazu verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen besonderen Greifvogel zu schützen. Die bisherigen Regelungen zur Beruhigung des Brutplatzes während der Brutsaison waren nicht ausreichend, um den Wanderfalken wirkungsvoll zu schützen. Daher ist offensichtlich, dass der Ruhebereich für den Wanderfalken vergrößert werden muss. Hier geht der Artenschutz vor, hier wird Artenschutz konkret!

Welche Änderungen stehen konkret an?

Sylvia M. Felder:

Das Konzept sieht eine vollständige Beruhigung der Badener Wand vor. Das ist jener eine Felsen, an dem der Wanderfalke brütet. Diese Ruhe braucht er, um zu brüten und die Jungvögel großzuziehen. Wesentliches Ziel ist somit die ganzjährige Beruhigung dieses Felsens. Wir kommen deshalb nicht um das Entfernen der Klettereinrichtungen und der Felsenbrücke herum. Diese Maßnahmen werden außerdem von einer verstärkten Öffentlichkeitsarbeit und besseren Besucherlenkung begleitet werden. Zum Beispiel durch neue Informationstafeln, Flyer und Markierungen und teilweise durch Handläufe und versperrte Trampelpfade entlang der Wege. Wichtig ist, dass die Besucher auf den Wegen bleiben. Die Wege zu verlassen ist verboten und außerdem im Bannwald aufgrund abgestorbener und bruchgefährdeter Bäume auch lebensgefährlich.

Aus Sicht der Freizeitsportverbände ist eine zeitweise Sperrung der Badener Wand ausreichend. Warum sieht das Regierungspräsidium das anders?

Sylvia M. Felder:

Es gibt Fälle, bei denen eine zeitlich begrenzte Sperrung für eine erfolgreiche Brut der Wanderfalken ausreichend ist. In den vergangenen Jahren war ein großer Teil der Badener Wand bereits temporär gesperrt. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Alpenverein und der Bergwacht wurde für diese Regelung auch geworben. Wir gehen davon aus, dass die meisten Kletterer diese Regelung auch eingehalten haben. Tatsache ist jedoch, dass es trotz dieser großen Bemühungen von allen Akteuren an der Badener Wand nicht gelungen ist, Störungen während der Brutzeit zu vermeiden. Das heißt, dass die bisherige Regelung schlicht nicht ausreichend war, um den Nachwuchs der Wanderfalken zu sichern. Die Felsenbrücke musste jedes Jahr massiver abgesperrt werden. Trotzdem wurden die Absperrungen entweder zerstört oder überklettert. Auch das Kletterverbot wurde in den vergangenen Jahren nicht konsequent eingehalten. Wir vermuten, dass es sich hierbei um Einzelfälle handelt, die sich nicht an die Regeln halten. Doch diese Einzelfälle sind in den letzten Jahren zu viele geworden. Uns ist bewusst, dass diese Maßnahmen auf die Kletterer als massive Einschränkung wahrgenommen werden. Gleichzeitig sehen wir aber die Entfernung der Felsenbrücke und der Kletterhaken aus der Badener Wand als die einzige wirkungsvolle Lösung zur Beruhigung des Brutfelsens an.

Die Freizeitsportverbände beklagen, sie seien nicht ausreichend gehört worden. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Sylvia M. Felder:

Wir haben seit Herbst 2020 mit allen Beteiligten und Betroffenen zahlreiche Gespräche geführt und über die aktuelle Lage am Battert informiert. Ich selbst habe mir die Situation vor Ort angesehen und mit den Landesvorständen der Freizeitsport- und Naturschutzverbänden gesprochen und im Mai dieses Jahres gab es eine große Runde mit allen Beteiligten. Die Auffassungen in den Gesprächen waren sehr unterschiedlich. Wir haben zahlreiche Anregungen erhalten und diese auf ihre Wirkung für das Ziel des Wanderfalkenschutzes hin geprüft. Wir konnten einige Vorschläge teilweise aufgreifen. Andere Vorschläge konnten wir leider nicht berücksichtigen, denn nicht jede Idee zeigt die gewünschte Wirkung. Einen Vorschlag, den wir aus den Gesprächen mit den Verbänden aufgegriffen haben war, eine Experteneinschätzung von außen einzuholen, um das vom Regierungspräsidium erstellte Schutzkonzept auf seine Eignung zu überprüfen. Dafür haben wir den erfahrenen Ornithologen Dr. Wolfgang Fiedler vom Max-Plank-Institut für Verhaltensbiologie, Radolfzell, beauftragt. Das Ergebnis der Prüfung ist eindeutig: Unser Schutzkonzept wurde voll und ganz bestätigt.

Der Deutsche Alpenverein zieht aus der Stellungnahme andere Schlüsse. Er hält die Ursachen des niedrigen Bruterfolgs für nicht geklärt und sieht eine temporäre Sperrung im Einklang mit der Stellungnahme.

Sylvia M. Felder:

Herr Dr. Fiedler bekräftigt in seiner Stellungnahme unsere Einschätzung, dass die wahrscheinlichste Ursache für den niedrigen Bruterfolg die Störung durch Freizeitnutzung ist. Andere Ursachen, wie beispielsweise die Konkurrenz zu dem am Fremersberg brütenden Uhu, können dagegen ausgeschlossen werden. Bei der Entscheidung zwischen einer temporären und einer dauerhaften Sperrung weist Herr Dr. Fiedler außerdem auf die Durchsetzbarkeit hin. Wir haben jahrzehntelang versucht, den Felsen während der Brutzeit mit Verbotsschildern, massiven baulichen Sperren und mit Informationsarbeit zu beruhigen. Wie Herr Dr. Fiedler erläutert, kommt es für eine wirksame Beruhigung der Situation am Felsen vor allem auf die Entfernung der baulichen Einrichtungen an, die bisher während der Sperrzeiten illegal genutzt wurden. Dies heißt aber auch, dass die Kletterhaken entfernt werden müssen und die Brücke als Zugang zum Felskopf zurückgebaut werden muss. Das Fazit von Dr. Fiedler ist eindeutig: „Das überarbeitete Schutzkonzept, das in Summe der Einzelmaßnahmen eine klare Ausgestaltung der Badener Wand als Vorrangfläche für die Natur vorsieht, erscheint sehr geeignet dazu, die Situation zu verbessern.“

Ihnen wird vorgeworfen, die Entscheidung sei nicht verhältnismäßig. Wie stehen Sie zu diesem Vorwurf?

Sylvia M. Felder:

Wie auf vielen Flächen in unserer dicht besiedelten Landschaft konkurrieren auch am Battertfelsen verschiedene Nutzungen und Ziele. Die besondere Bedeutung, die der Battert für die Naherholung und den Klettersport hat, ist uns bewusst. Die besondere Bedeutung, die der Battert für die Natur und den Artenschutz hat, ist ebenfalls unbestritten. Um die dort lebenden Arten zu schützen, ist deshalb dieser Bereich auch als Naturschutzgebiet und europäisches Natura 2000-Gebiet ausgewiesen. Der Wanderfalke nutzt nur einen von 20 Felsen des Battertmassivs. Das ist ein sehr kleiner Teil. Wenn nun bei einem konkreten Problem für dieses Schutzgut in einem Naturschutzgebiet lediglich dieser eine von 20 Felsen für das Klettern gesperrt wird, ist dies allein rechnerisch verhältnismäßig. Umgekehrt müsste man sich vielmehr fragen, ob es verhältnismäßig wäre, wenn wir trotz Kenntnis der bestehenden Probleme für den Wanderfalken und trotz einer klaren Stellungnahme eines externen Experten innerhalb eines Naturschutzgebietes, dem Freizeitsport auch am Brutfelsen Vorrang einräumen würden.

Die Sportverbände argumentieren, dass zum Beispiel im Nationalpark Sächsische Schweiz, das Klettern flächendeckend erlaubt ist. Wieso geht das nicht am Battertfelsen?

Sylvia M. Felder:

Der Nationalpark Sächsische Schweiz bietet mit 1.135 Felsen freigegebenen Felsen und über 25.000 Kletterrouten wesentlich mehr Möglichkeiten als am Battertfelsen. Aber auch dort ist das Klettern nicht flächendeckend erlaubt. Sogar über 90 Prozent der Felsen bleiben gesperrt. Und auch dort geht Artenschutz, wo es notwendig ist, vor. So wurden im Nationalpark Sächsische Schweiz in den letzten 30 Jahren zwölf Felsen aus der Nutzung genommen und, ähnlich wie nun an der Badener Wand, beruhigt. Die wichtige Botschaft ist: Das sind Einzelfälle und wird nur dort umgesetzt, wo es nicht mehr anders geht. Und dass mit einer solchen Maßnahme die Trendumkehr beim Bruterfolg gelingen kann, dafür gibt es ausreichende Beispiele. Insofern bin ich guter Dinge, dass ich einmal meinen Enkeln den Wanderfalken am Battert noch zeigen kann.

Hat das Schutzkonzept Modellcharakter für andere Wanderfalkenlebensstätten mit Kletterbetrieb?

Sylvia M. Felder:

Wir arbeiten mit natur- und artenschutzfachlichen Grundlagen und analysieren jede Fragestellung ortsbezogen und artspezifisch. Jede Lebensstätte einer Tierart hat andere Standortbedingungen, nutzungsbedingte Problemstellungen und auch andere Möglichkeiten für wirkungsvollen Artenschutz. Eine pauschale Übertragung des Schutzkonzeptes und der herausgearbeiteten Maßnahmen für das Naturschutzgebiet „Batterfelsen beim Schloss Hohenbaden“ auf andere Gebiete ist deshalb aus unserer Sicht gar nicht möglich. Wir haben es hier mit einem Einzelfall zu tun, den wir lösen müssen. Und wir sind immer dann in der Pflicht dem gesetzlichen Artenschutz zur Geltung zu verhelfen, wenn – wie hier an der Badener Wand – negative Entwicklungen festgestellt werden.

Aus Baden-Baden wird der Status als Weltkulturerbe als Argument gegen eine Entfernung der Felsenbrücke angeführt. Haben Sie dieses Argument geprüft?

Sylvia M. Felder:

Dass der Welterbetitel als Bäderstadt an der Felsenbrücke hinge, hat uns bislang noch niemand erklären können. Ich kann mir das auch nicht vorstellen. Sicherlich mag ein Zusammenhang zwischen Kuren und der Erholung in der Natur bestehen. Insofern wurde bisher darauf abgehoben, dass schon im 19. Jahrhundert ein Netz von Wanderwegen um Baden-Baden entstanden ist. Aber von Einzelheiten dieses „historischen Wegenetzes“ dürfte der Welterbetitel sicherlich nicht abhängen. Zumal gleich mehrere alternative Aussichtspunkte am Battert bestehen, von denen man einen vergleichbaren Blick über die Felsen hinweg in das Oostal wie von der Felsenbrücke hat.

Wie ist Ihr aktuelles Resümée?

Sylvia M. Felder:

Den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen, ist eine unserer wichtigsten Zukunftsaufgaben. Das sieht auch der weit überwiegende Teil unserer Bevölkerung so. Den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen haben wir in unser Grundgesetz aufgenommen. Und dementsprechend gibt es gesetzliche Regelungen. In der Theorie sind wir uns also weitgehend einig. Das Verständnis schwindet aber allzu oft bei direkter Betroffenheit und wandelt sich in Unverständnis oder gar Unwillen, der Einsicht Taten folgen zu lassen und liebgewonnene Gewohnheiten zu ändern.

Hier an der Badener Wand wird der Artenschutz konkret! Wir haben eine negative Entwicklung festgestellt und sind nun in der Verantwortung, wirkungsvolle Maßnahmen festzulegen und umzusetzen. Das geht leider nicht ohne Einschränkungen für den Einzelnen. Wir sind dennoch davon überzeugt, dass wir mit unserer Abwägungsentscheidung für unser gemeinschaftliches Ziel, die biologische Artenvielfalt zu erhalten, auf dem richtigen Weg sind.