Aktuelle Raumverträglichkeitsprüfungen und Zielabweichungsverfahren
Im Fachbereich Raumordnung führt das Regierungspräsidium zur Prüfung der Raumverträglichkeit sowie zur Abstimmung der Interessen bei Großbauvorhaben wie beispielsweise Energieleitungen, Kiesabbau oder Einzelhandelsgroßprojekten Raumverträglichkeitsprüfungen durch. Auf dieser Internetseite informieren wir Sie über aktuelle Raumverträglichkeitsprüfungen und Zielabweichungsverfahren.
Gemäß § 6 Abs. 2 Raumordnungsgesetz i.V.m. § 24 Landesplanungsgesetz Baden-Württemberg soll die zuständige Raumordnungsbehörde einem Antrag auf Abweichung von einem Ziel der Raumordnung stattgeben, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden.
Das Referat 21 als höhere Raumordnungsbehörde prüft gemäß § 15 Raumordnungsgesetz die Raumverträglichkeit raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen in einer Raumverträglichkeitsprüfung. Hierbei erfolgt die Prüfung der raumbedeutsamen Auswirkungen des Vorhabens unter überörtlichen Gesichtspunkten sowie zu dessen Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Raumordnung und die Abstimmung mit anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen. Weiterhin werden mögliche Standort- und Trassenalternativen und Umweltauswirkungen geprüft. Die Raumverträglichkeitsprüfung beinhaltet eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der von dem Vorhaben berührten öffentlichen Stellen. Als Ergebnis der Raumverträglichkeitsprüfung übermittelt das Referat 21 eine gutachterliche Stellungnahme zur Raumverträglichkeit an den Vorhabenträger. Die für das Vorhaben zuständige Zulassungsbehörde beschränkt ihre Prüfung auf Belange, die nicht Gegenstand der Raumverträglichkeitsprüfung waren und bezieht die gutachterliche Stellungnahme zur Raumverträglichkeit in ihre Entscheidung ein.
Zielabweichungsverfahren für das Vorhaben „Baumhaus Lodges“ in Staufen
Auf der Gemarkung Wettelbrunn (Stadt Staufen) existiert eine militärische Konversionsfläche, die sich in der Vergangenheit im Eigentum der NATO befand und nach Übergabe der Fläche an die Bundeswehr im Jahr 1968 an Private veräußert wurde. Seither wird die Fläche vor allem landwirtschaftlich in wechselnder Form genutzt. So wurden zusätzlich zu den baulichen Anlagen aus militärischer Vergangenheit (insbesondere Wachhaus, Tanklager) im Laufe der Zeit landwirtschaftliche Schuppen und Lagerplätze, aber auch kleinere Freizeitanlagen, wie ein freizeitlich genutzter Schuppen und Freisitze, errichtet.
Der jetzige Eigentümer beabsichtigt auf dem ca. 2,4 ha großen Gelände die Errichtung und den Betrieb einer Ferienanlage, die die vorhandene Bebauung und Grünstruktur aufnimmt und weitgehend wahren soll. Im Einzelnen sind maximal 14 Ferienhäuser (sogenannte Baumhaus-Lodges), Wellness- und Veranstaltungsanlagen, Verwaltungs- und Wohngebäude für den Betriebsinhaber sowie Stellplätze und Erschließungsanlagen geplant.
Dem Vorhaben steht allerdings die regionalplanerische Festlegung eines Regionalen Grünzugs (Regionalplan Südlicher Oberrhein, Plansatz 3.1.1) als Ziel der Raumordnung entgegen. Soweit keine zumutbaren Alternativen außerhalb des Regionalen Grünzugs vorhanden sind, die Funktionsfähigkeit des Grünzugs gewährleistet bleibt und keine weiteren Festlegungen entgegenstehen, sind im Regionalen Grünzug freiraumbezogene Anlagen für Erholung, Freizeit und Sport mit untergeordneter baulicher Prägung ausnahmsweise zulässig. Dieser Ausnahmetatbestand lässt sich auf das geplante Vorhaben aufgrund der nicht nur untergeordneten baulichen Prägung jedoch nicht übertragen, sodass die weitere Bauleitplanung und Umsetzung der Planung ohne ein entsprechendes Zielabweichungsverfahren (oder eine Regionalplan-Änderung) nicht möglich wäre.
Im Januar 2025 reichte die Stadt Staufen daher die Antragsunterlagen für das Zielabweichungsverfahren vollständig ein. Daraufhin führte die höhere Raumordnungsbehörde eine rund einen Monat dauernde Beteiligung der Träger öffentlicher Belange durch. Danach, im März 2025, kam die höhere Raumordnungsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Abweichung von dem Ziel der Raumordnung raumordnerisch vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden: Der vergleichsweise geringe vorhabenbedingte Eingriff in Natur und Landschaft sowie die regional- und landesplanerisch gewünschte Nachnutzung einer brachgefallenen militärischen Fläche lässt das Gesamtvorhaben insgesamt raumordnerisch vertretbar erscheinen. Die Konversionsfläche begründet zudem einen spezifischen Einzelfall, der sich von anderen Planungen abhebt. Hinsichtlich der Nichtberührtheit der Grundzüge der Planung bestätigt auch der Regionalverband als Regionalplanverfasser, dass die Funktionsfähigkeit der Regionalen Grünzugs durch das Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Zudem kann laut Regionalverband angenommen werden, dass die Zielabweichung noch im Bereich dessen liegt, was der Plangeber gewollt hätte, wenn er die weitere Entwicklung einschließlich des Grunds für die Abweichung gekannt hätte.
Das Zielabweichungsverfahren wurde sodann im März 2025 mit positivem Bescheid abgeschlossen. Mit Blick auf mögliche Konflikte mit der benachbarten landwirtschaftlichen Nutzung, die durch das touristische Vorhaben ausgelöst werden können, wurde zum Einen auf die gebotene planerische Konfliktbewältigung auf Ebene des Bebauungsplans verwiesen und zum Anderen ergingen weitergehende Hinweise und Empfehlungen zur Konfliktvermeidung und -bewältigung.
380 kV-Netzverstärkung Daxlanden-Eichstetten
Die TransNet BW plant die Verstärkung des Übertragungsnetzes auf der Höchstspannungsebene von 220 kV auf 380 kV zwischen den Umspannwerken Daxlanden (Regierungsbezirk Karlsruhe) und Eichstetten (Regierungsbezirk Freiburg).
Weitere Informationen
Zielabweichungsverfahren für Erdaushubzwischenlager in Rheinfelden (Baden)
Im November 2024 hat die höhere Raumordnungsbehörde dem Antrag der Stadt Rheinfelden (Baden) auf Abweichung von Planziel 3.1.2 des Regionalplans Hochrhein-Bodensee 2000 (Regionale Grünzäsur) für den Bereich des geplanten Erdaushubzwischenlagers auf Gemarkung Rheinfelden-Karsau zugelassen. Die Stadt Rheinfelden beabsichtigt die Errichtung eines Erdaushubzwischenlagers. Die Lagerfläche soll dazu dienen, den bei Bauarbeiten im Stadtgebiet anfallenden Erdaushub bzw. Asphalt aus städtischen Baumaßnahmen zur Beprobung auf Dioxine o.ä, und zur Einstufung des Materials zwischenzulagern. Eine Analyse der Stadt Rheinfelden zu möglichen Standorten für ein Erdaushubzwischenlager ergab als aus ihrer Sicht bestgeeignetsten Standort eine Fläche südlich des Steinbruchs Kalkofen. Die vorgesehene Fläche weist eine Größe von ca. 3.690 m2 auf und wird derzeit als Lagerfläche für den nördlich angrenzenden Steinbruch genutzt, deren Nutzung durch den Betreiber des Steinbruchs jedoch zukünftig aufgegeben werden soll. Zur bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit erfordert die Errichtung des Erdaushubzwischenlager zum einen eine Teiländerung des Flächennutzungsplanes des Gemeindeverwaltungsverbands Rheinfelden-Schwörstadt und zum anderen die Aufstellung eines Bebauungsplanes. Da gemäß Plansatz 3.1.2 des Regionalplans 2000 in Grünzäsuren eine Besiedlung nicht stattfindet, den Planungen insofern ein Ziel der Raumordnung entgegenstand, hatte die Stadt Rheinfelden zur Schaffung einer der planungsrechtlichen Voraussetzungen einen Antrag auf Abweichung von diesem Ziel der Raumordnung gestellt. Nach Prüfung der Antragsunterlagen und Auswertung der im Beteiligungsverfahren eingegangen Stellungnahmen kam die höhere Raumordnungsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gegeben sind.
Zielabweichungsverfahren für Feuerwehrgerätehauses Nord in Laufenburg (Baden)
Im Dezember 2024 hat die höhere Raumordnungsbehörde dem Antrag der Stadt Laufenburg (Baden) auf Abweichung von Planziel 3.1.1 des Regionalplans Hochrhein-Bodensee 2000 (Regionaler Grünzug) für den Bereich des geplanten Feuerwehrgerätehauses Nord im Stadtteil Rotzel der Stadt Laufenburg zugelassen. Die Abteilung Nord der Feuerwehr der Stadt Laufenburg unterhält derzeit drei Gerätehäuser an den derzeit selbständigen Standorten Binzgen, Hochsal und Rotzel. Aus der Fortschreibung des Feuerwehrbedarfsplans ergab sich jedoch die Empfehlung, die drei Gerätehäuser der Abteilung Nord an einem gemeinsamen Standort zusammenzufassen. Eine systematische Standortuntersuchung der Stadt Laufenburg ermittelte von 7 potentiell möglichen Standorten innerhalb des im Brandschutzbedarfsplanes definierten Suchraums einen Standort an der Allmendkreuzung nördlich der K 6542 und östlich der Laufenburger Straße als den bestgeeignetsten Standort zur Aufrechterhaltung der Leistungsfähigkeit der Feuerwehr.
Da das Plangebiet innerhalb eines in der Raumnutzungskarte des Regionalplans 2000 des Regionalverbands Hochrhein-Bodensee dargestellten Regionalen Grünzugs liegt, in denen als Ziel der Raumordnung festgelegt ist, dass eine Besiedlung nicht stattfindet, war es erforderlich, dass die Stadt Laufenburg zur Herstellung der Zielkonformität als eine der planungsrechtlichen Voraussetzungen zur Errichtung des Feuerwehrgerätehauses einen Antrag auf Abweichung von diesem Ziel der Raumordnung zu stellen. Nach Prüfung der Antragsunterlagen und Auswertung der im Beteiligungsverfahren eingegangen Stellungnahmen kam die höhere Raumordnungsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gegeben sind.
Zielabweichungsverfahren für eine Freiflächen-Photovoltaikanlage in Auggen
Die Sonnen Energie Auggen GbR hat im Jahr 2024 eine Planung für eine rund 16 Hektar große Freiflächen-Photovoltaikanlage entlang der Rheintalbahn vorgelegt. Die Gemeinde Auggen unterstützt das Vorhaben, mit dem insgesamt rund 5.000 Vierpersonenhaushalte mit Ökostrom versorgt werden. Zum Vergleich: Die Gemeinde Auggen hat rund 2.800 Einwohner mit 1.100 Haushalten. Die Idee für die Freiflächen-Photovoltaikanlage entstand aus einer Zusammenarbeit der Gemeinde mit einigen Landwirten sowie der Sonnen Energie Auggen GbR, die während dieses Prozesses gegründet wurde. Die Flächen verbleiben im Eigentum der Auggener Landwirte sowie der Gemeinde Auggen.
Baurechtlich kann die Anlage entlang der Schienentrasse ohne Bauleitplanverfahren gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b BauGB privilegiert zugelassen werden.
Dem raumbedeutsamen Vorhaben steht allerdings die regionalplanerische Festlegung eines Regionalen Grünzugs (Regionalplan Südlicher Oberrhein, Plansatz 3.1.1) als Ziel der Raumordnung entgegen. Ohne ein entsprechendes Zielabweichungsverfahren wäre die Umsetzung der Planung kurzfristig nicht möglich.
Im Mai 2024 hat die höhere Raumordnungsbehörde daher eine Abweichung von der im Regionalplan Südlicher Oberrhein enthaltenen Ausweisung eines regionalen Grünzugs zugelassen. Vorangegangen war ein entsprechender Zielabweichungsantrag der Gemeinde Auggen. Zudem hat die höhere Raumordnungsbehörde vor ihrer Entscheidung ein umfangreiches Beteiligungsverfahren durchgeführt, in dem alle betroffenen Fachbehörden und Verbände angehört wurden. In der Gesamtbewertung kam die höhere Raumordnungsbehörde zu dem Ergebnis, dass die Funktionen des Regionalen Grünzugs durch das Vorhaben nicht wesentlich beeinträchtigt werden und die vorhabenbezogene Zielabweichung letztlich raumordnerisch vertretbar ist. Nicht vermeidbare negative Wirkungen konnten damit zugunsten der geplanten Freiflächen-Photovoltaikanlage zurückgestellt werden.
Diese Abwägung zugunsten der Nutzung Erneuerbarer Energien kommt im Übrigen auch in der vorgesehenen Öffnung des Bereichs in der laufenden Regionalplan-Teilfortschreibung „Solarenergie“ des Regionalverbands Südlicher Oberrhein zum Ausdruck: da der geplante Standort künftig als sogenanntes Vorbehaltsgebiet für Standorte regionalbedeutsamer Freiflächen-Photovoltaikanlagen festgelegt werden soll, wäre die beantragte Freiflächen-Photovoltaikanlage in Auggen nach Rechtskraft der Regionalplan-Teilfortschreibung „Solarenergie“ (in der aktuell bestehenden Fassung) damit ohnehin zulässig.
Zielabweichungsverfahren für zwei Windkraftanlagen in Achern-Fautenbach
Im April 2024 hat die höhere Raumordnungsbehörde auf Antrag der Stadt Achern die Zulassung einer Zielabweichung vom Plansatz 3.1 des Regionalplans Südlicher Oberrhein positiv beschieden. Auf Grundlage eines umfangreichen Anhörungsverfahrens der betroffenen Fachbehörden und Verbände erachtete die höhere Raumordnungsbehörde die Errichtung zweier Windkraftanlagen innerhalb eines Regionalen Grünzugs für zulässig. Nach Prüfung wurde entschieden, dass die für das Vorhaben erforderliche, dauerhafte Inanspruchnahme von ca. 0,5 ha Freifläche die Funktion des Regionalen Grünzugs nicht wesentlich beeinträchtigen wird und somit innerhalb des Regionalen Grünzugs möglich ist.
Die Zulassung der beiden Windkraftanlagen wird im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren durch das Landratsamt Ortenaukreis geprüft. Die Fischer Group produziert Edelstahlrohre und –bauteile sowie Batteriesysteme. Die Windkraftanlagen können eine erhebliche Menge des für den Betrieb des energieintensiven Unternehmens benötigten Stroms erzeugen. Geplant wird auch die Nutzung der durch die Anlagen gewonnenen Energie zur Wasserstoffproduktion auf dem Betriebsgelände.