Flusspark Neckaraue: Revitalisierung
Im heutigen Zustand ist der Neckar zwischen der Mündung dem Wehr Brückenstraße und der Brücke Stuttgarter Straße sehr monoton und naturfern ausgebaut. Wertvolle Strukturen wie Flachwasserzonen, strömungsberuhigte Bereiche und überströmte Kiesflächen fehlen fast vollständig. Lediglich direkt unterstrom des Wehres bildet sich ein heterogenes Flussbett mit zahlreichen Kiesufern und -inseln aus. Das ist problematisch, da die eigentlich neckartypischen Fischarten Barben, Nasen und Äschen zwingend auf überströmte Kiesflächen als Laichhabitate angewiesen sind. Das Kiessubstrat sollte dabei immer wieder umgelagert werden, um ein ausreichend offenes und durchströmtes Interstitial anbieten zu können, damit während der Entwicklung der Brut ausreichend Sauerstoffzufuhr gewährleistet ist. Am gesamten Neckar sind diese Habitatstrukturen aufgrund von Rückstau, Ausleitung oder Gewässerbegradigung massiv defizitär.
Die Revitalisierung des Neckars ist abgeschlossen - Dokumentation des Bauablaufs
Diese Faktoren bedingen einen guten ökologischen Zustand eines Gewässers
Flache, strömungsarme Bereiche sind für die ersten freischwimmenden Lebensstadien essentiell, da die Brütlinge und Jungfische ein reduziertes Schwimmvermögen aufweisen und sich in stärker durchströmten Gewässerbereichen nicht halten können und verdriftet werden. Sind diese Bereiche nicht in ausreichender Häufigkeit und Ausprägung und in einem breiten Abflussspektrum vorhanden, so kommt es in Abhängigkeit vom Abflussgeschehen zu hohen Ausfällen unter dem Nachwuchs. Aufgrund unterschiedlicher Schwimmfähigkeiten sind die zu betrachtenden Fokusarten unterschiedlich lange und unterschiedlich stark auf diese Lebensräume angewiesen. Die Brütlinge von Äschen, Barben und insbesondere Nasen sind sehr stark auf diese strömungsarmen Bereiche angewiesen.
Ausgangssituation am Neckar: Durch den einheitlichen, monotonen und begradigten Ausbau des Neckars sind diese flachen strömungsarmen Bereiche (insbesondere bei erhöhten Abflusssituationen) ebenfalls stark defizitär.
Flach abfallende, angeströmte Bereiche stellen für heranwachsende Äschen, Barben und Nasen optimale Lebensräume dar, da hier vom Ufer zur Gerinnemitte hin Strömungsgeschwindigkeiten und Wassertiefen kontinuierlich zunehmen. Die Jungfische können sich entsprechend ihrer Körpergröße und – damit einhergehend – ihrem Schwimmvermögen einnischen und kontinuierlich von dem Teilhabitat früherer Lebensstadien in stärker durchströmte und tiefere Adultlebensräume, insbesondere Fließrinnen, wechseln.
Ausgangssituation am Neckar: Flach abfallende, angeströmte Bereiche bilden sich typischerweise an Prall-/Gleithangstrukturen bei gekrümmtem Gewässerverlauf aus. Am begradigten Neckar sind diese Bereiche daher ebenfalls als stark defizitär einzustufen.
Fließrinnen sind tiefere, gut durchströmte Gewässerbereiche. Sie bilden sich an gekrümmten Gewässerläufen üblicherweise entlang von Prallhängen aus, können bei gestrecktem Verlauf hingegen auch in Gewässermitte in Erscheinung treten, abhängig von der Querprofilform. Sie sind wichtige Adultlebensräume für Barben, Nasen, Äschen und Bachforellen zur Nahrungsbeschaf-fung.
Ausgangssituation am Neckar: Im Neckar sind Fließrinnen massiv durch Rückstau und Ausleitung beeinträchtigt.
Deckungsstrukturen und Kolke sind besonders für stark strukturassoziierte Fischarten oder -al-tersklassen von großer Bedeutung. In diesen Strukturen finden die Tiere Sicht- und Strömungs-schutz. Sie können daher geschützt vor Fressfeinden ruhen.
Ins Wasser ragende Vegetation, Totholzstrukturen oder unterspülte Wurzelbereiche bieten sehr gute Deckungsstrukturen, während hoch aufgewachsene, gewässerbegleitende Vegetation meist wenig oder gar keinen Schutz bietet.
Ausgangssituation am Neckar: Im begradigten und mit teils massivem Uferverbau gesicherten Neckar sind Deckungsstrukturen nicht in ausreichendem Umfang vorhanden. Der betrachtete Planungsbereich weist nur vereinzelt überhängendes Weidengebüsch auf, Totholzstrukturen fehlen vollständig.
Daraus leiten sich folgende Maßnahmen ab:
- Erhöhung der Strömungsdiversität und Tiefenvariabilität.
- Schaffung einer vielfältig strukturierten Sohle, Erhöhung der Substratdiversität.
- Kaum Wasserwechselzonen vorhanden, flache Uferböschungen anlegen.
- Verbesserung von Deckungsstrukturen durch Initiierung überhängender Vegeta-tion und den Einbau von Raubaumstrukturen und Störelementen, auch uferfern.
- Zulassen von Vegetationsentwicklung und -dynamik.
- Verbesserung der Verzahnung von aquatischen, amphibischen und terrestrischen Lebensräumen durch flache Uferanbindungen.
- Kiesakkumulation ist auch als Lebensraum für Kleinlebewesen wie Gammariden, Libellenlarven, Schnecken und Larven von Köcher-/Stein-/Eintagsfliegen wichtig. Diese stellen auch die Hauptnahrung der untersuchten Fischarten dar.
Ziel der Revitalisierung
Durch die Revitalisierung des Neckarabschnitts im Flusspark Neckaraue werden verschiedene aquatische und semiaquatische Lebensräume geschaffen bzw. verbessert. Die bereichsweise Aufweitung des monotonen Gewässerprofils und die Anordnung verschiedener strömungs- und abflusslenkender Strukturen, wie beispielsweise Inseln, Störsteingruppen, Buhnen und Totholzeinbauten, lassen eine Vielzahl der in der Defizitanalyse beschriebenen fehlenden Habitatstrukturen entstehen. Aufgrund der Nutzungen im Vorland sind eigendynamische Entwicklungen nur innerhalb des Gewässerbettes und eingeschränkt am Ufer möglich. Linksufrig wird die Maßnahme durch den zu verlegenden Parkweg, bzw. den Parkanlagen begrenzt. Rechtsufrig verläuft direkt an der Böschungsoberkante die Bismarckstraße.
Im Mittelpunkt der Planung steht die Gewässerstrecke im Bereich der Tennisplätze und der ehemaligen Gärtnerei. In diesem Abschnitt weist der Neckar ein ausgeprägtes Gefälle aus, sodass die eingebauten Sohl- und Uferstrukturen ihre Wirkung voll entfalten können.
Die einheitlichen Ufer des Doppeltrapezprofils werden weitestgehend aufgelöst mit Vor- und Rücksprüngen, Ufervorschüttungen und Uferabgrabungen und variablen Böschungsneigungen. Es entsteht ein naturnaher Uferbewuchs, teils aus standortgerechter Bepflanzung, teils aus ingenieurbiologischen Sicherungsbauweisen sowie rechtsufrig in dafür ausgewiesenen Bereichen durch natürliche Gehölzsukzession.