Nikotinhaltige Liquids für E-Zigaretten
Schwerpunktaktion aus dem Jahr 2019
Die E-Zigarette, die anfangs von den Tabakkonzernen als flüchtiger Trend eingeschätzt wurde, erfreut sich in der Gesellschaft zunehmender Beliebtheit. Der Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung vom Oktober 2018 (Quelle: https://www.bundesdrogenbeauftragter.de/, Stand: Januar 2019) bestätigt den ansteigenden Gebrauch von E-Zigaretten in den vergangenen Jahren und spricht davon, dass das Produkt vor allem für bisherige Zigarettenraucher/innen und jüngere Menschen interessant ist.
Anders als bei der klassischen Zigarette wird kein Tabak verbrannt. Beim „Dampfen“, wie der Konsum von E-Zigaretten bezeichnet wird, wird vielmehr eine vernebelte Flüssigkeit („Liquid“) in Form eines Aerosols eingeatmet. Diese Liquids bestehen in der Regel aus Propylenglykol und/oder Glycerin, Wasser, Aromen und oftmals dem Stoff Nikotin.
Mit zunehmender Verbreitung der E-Zigarette wächst auch der Markt für das neuartige Produkt. Einer Umfrage des Branchenverbandes Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) zufolge wurde 2018 ein Marktwachstum um 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert. Für 2019 wird mit einem weiteren Zuwachs von mindestens 25 Prozent gerechnet (Quelle: https://www.tabakfreiergenuss.org, Stand: 16.01.2019).
Mit der Anpassung der CLP-Verordnung im Mai 2017 wurden gesetzlich bindende Konzentrationsgrenzwerte zur Bewertung der Gesundheitsgefahr von Nikotin für die menschliche Gesundheit festgelegt. Nikotinhaltige Liquids mit einem Nikotingehalt von ≥ 0,25 Gewichtsprozent haben zusätzlich zu den gültigen Vorgaben der Tabakerzeugnis-Regularien auch die chemikalienrechtlichen Anforderungen an Einstufung, Kennzeichnung und gegebenenfalls Verpackung sowie den Werbevorschriften nach der CLP-Verordnung zu erfüllen. Ziel dieser Schwerpunktaktion war es, zu überprüfen, inwieweit die Inverkehrbringer nikotinhaltiger Liquids aus Präsenz-, Online- und Messehandel die chemikalienrechtlichen Vorgaben einhalten.
Methodik und Vorgehen
Die Schwerpunktaktion wurde zusammen mit dem für die Tabaküberwachung zuständigen Referat des RPT, dem Tabaklabor im CVUA Sigmaringen und den unteren Tabaküberwachungsbehörden geplant und koordiniert. Für die vorliegende Aktion wurden die Probenentnahmen nach dem Tabakerzeugnisgesetz im Rahmen einer Messebegehung und mehrerer landesweiter Entnahmen im Einzelhandel durchgeführt, so dass insgesamt 49 unterschiedliche nikotinhaltige Liquids entnommen wurden.
Bei der „Hall of Vape“-Messe handelte es sich nach Angaben der Messebetreiber um „Deutschlands größte Fach-und Publikumsmesse rund um die E-Zigarette“, welche auf dem Messegelände Stuttgart vom 31.05 bis 02.06.2019 stattfand und auf der auch zahlreiche Onlinehändler vertreten waren. Die Produktentnahme von 31 Liquids während der Messebegehung erfolgte durch die untere Lebensmittelüberwa-chungsbehörde des Landratsamtes Esslingen in Begleitung von Vertreterinnen und Vertretern des Referats Chemikaliensicherheit des Regierungspräsidiums Tübingen. Die weiteren 18 Proben wurden im Einzelhandel oder bei Herstellern durch die jeweils zuständigen unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden der Stadt-und Landratsämter ebenfalls in Begleitung des Referats Chemikaliensicherheit des RPTnach dem Tabakerzeugnisge-setz erhoben.
Bei der Auswahl der Proben standen nikotinhaltige Liquids in 10 ml-Fläschchen in un-terschiedlichen Geschmacksrichtungen und Nikotinstärken im Fokus, wobei den Nikotindosen im oberen Bereich, also zwischen 16 und 20 mg/ml, besonderes Interesse galt.Im Anschluss wurde der tatsächliche Nikotingehalt der Liquids durch das Tabaklabor des CVUA Sigmaringen mittels Gaschromatographie (GC-FID) analytisch bestimmt. Die Überprüfung der Vorgaben der CLP-Verordnung zur korrekten Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung sowie – soweit vorhanden – der Werbung im Internet erfolgte anschließend unter Berücksichtigung der Messergebnisse durch das Regierungspräsidium Tübingen.
Zusammenfassung der Ergebnisse
Für die Aktion wurden insgesamt 49 nikotinhaltige Liquids in 10 ml-Gebinden mit bis zu 20 mg/ml Nikotin und unterschiedlichen Geschmacksrichtungen/Aromatisierungen für den privaten Endverbraucher entnommen. Die 49 Liquids stammten von insgesamt 40 verschiedenen Herstellern, wobei vier davon in Baden-Württemberg ansässig waren. Zu den Herkunftsländern der Hersteller zählten neben Deutschland die EU-Mitgliedstaaten Tschechien, Frankreich, Italien, Polen und Großbritannien, sowie für ein beprobtes Liquid die Vereinigten Staaten von Amerika.
Bei 42 von 49 überprüften Produkten wurde mindestens ein Mangel festgestellt, woraus sich eine Beanstandungsquote von insgesamt 86 Prozent ergibt.
Zur Überprüfung der chemikalienrechtlichen Einstufung und der daraus resultierenden Kennzeichnungs- und Verpackungsvorgaben wurde der im Labor festgestellte Nikotingehalt zu Grunde gelegt. So sind nikotinhaltige Liquids ab einem Nikotinanteil von ≥ 0,25 Gewichtsprozent mit einer chemikalienrechtlichen Kennzeichnung zu versehen (weitere zur Einstufung beitragende Inhaltsstoffe müssen gegebenenfalls zusätzlich berücksichtig werden). Für die Bereiche von 0,25 Gewichtsprozent bis 1,66 Gewichtsprozent und den Konzentrationsbereich ab 1,67 Gewichtsprozent liegen dabei unterschiedliche Kennzeichnungsanforderungen vor.
Abbildung 23 verdeutlicht die Verteilung der festgestellten Verstöße auf die Prüfschwerpunkte (Kennzeichnung, Verpackung und Werbung im Internet). Die meisten Beanstandungen wurden dabei im Bereich der chemikalienrechtlichen Kennzeichnung ermittelt (41 Verstöße), gefolgt von den Bereichen „Werbung im Internet“ (elf Verstöße) und „Verpackung“ (fünf Verstöße). Bei der Überprüfung in Bezug auf die Vorgaben der Verpackung wurde festgestellt, dass der kindergesicherte Verschluss augenscheinlich an allen Proben vorhanden war. Drei der fünf festgestellten Verstöße bezüglich der Verpackung betrafen den erforderlichen tastbaren Gefahrenhinweis.
Hiervon fehlte in einem Fall der erforderliche tastbare Gefahrenhinweis, in zwei weiteren Fällen war die Prägung des tastbaren Gefahrenhinweises in der vorliegenden Form nicht zufriedenstellend, da die erforderliche Ertastbarkeit nicht gegeben war. In einem Fall wurde beanstandet, dass durch eine markante Abbildung von Obst und eines Getränks auf der Verpackung eine Verwechslungsgefahr mit Lebensmitteln bestand und in einem weiteren Fall wurde die Abbildung einer Comicfigur bemängelt, da diese Darstellung entgegen den Vorgaben der CLP-Verordnung die aktive Neugier von Kindern erregte. Im Prüfbereich „Werbung im Internet“ wurde kontrolliert, ob die erforderlichen Angaben zu den Gefahreneigenschaften (Gefahrenpiktogramm, Signalwort, Gefahrenhinweise) im Onlineshop ordnungsgemäß aufgeführt waren. In elf Fällen waren diese Elemente entweder nicht vorhanden oder nur unvollständig und/oder falsch platziert, was zur Feststellung eines Verstoßes führte.
Zu dem Prüfbereich „Kennzeichnung“ findet sich in Abbildung 24 eine detaillierte Aufschlüsselung der Kennzeichnungsmängel. Am häufigsten wurden eine mangelhafte Lesbarkeit der Angaben auf dem Etikett, fehlende Sicherheitshinweise, sowie Fehler bei der Piktogrammgestaltung (beispiels-weise Größe, Farbgebung) festgestellt. Als weitere häufige Fehlerquellen waren unter anderem unvollständige Angaben zum Lieferanten und eine Kennzeichnung in englischer Sprache zu nennen. In wenigen Fällen widersprachen die angegebenen Gefahrenhinweise der Einstufung des Gemischs, es fehlten erforderliche Gefahrenhinweise und/oder das Signalwort fehlte.Während bei den Proben aus dem Präsenzhandel 13 von 18 Proben (72 Prozent) Mängel aufwiesen, lag die Beanstandungsquote bei den Produkten, die der Messe entstammten, mit 94 Prozent (29 von 31 Proben) deutlich höher.
Maßnahmen und Folgerungen
Im Fall von beanstandeten Proben wurden die Händler oder Hersteller schriftlich über das chemikalienrechtliche Überprüfungsergebnis informiert und um Stellungnahme gebeten. Die betroffenen Wirtschaftsakteure ergriffen umgehend freiwillige Maßnahmen, um einen rechtskonformen Zustand herzustellen.
So wurden zum Beispiel herstellerseitig formale Mängel behoben oder seitens der Händler das Inverkehrbringen der mangelhaften Produkte (gegebenenfalls bis zur Beseitigung der Mängel durch den Vorlieferanten) eingestellt. Sofern der betroffene Wirtschaftsakteur (Hersteller bzw. Händler) nicht in Baden-Württemberg ansässig war, erfolgte die Weitergabe der Fälle zur weiteren Bearbeitung an die für den Inverkehrbrin-ger örtlich zuständige Überwachungsbehörde. In 22 Fällen bedeutete dies die Abgabe an die jeweils zuständigen Behörden der EU-Mitgliedsstaaten Frankreich, Großbritannien, Polen und Tschechien.
Eine Ursache für die sehr hohe Beanstandungsquote lag darin begründet, dass den betroffenen Inverkehrbringern oft nur die Anforderungen der Tabakerzeugnis-Regularien bekannt waren, nicht aber die ebenso einschlägigen Anforderungen der CLP-Verordnung. Aufgrund der sehr hohen Beanstandungsquote und des weiterhin stark wachsenden E-Liquid-Marktes soll diese Schwerpunktaktion fortgeführt werden.