Bettina Bündgen ist eine der Fortbildnerinnen des Regierungspräsidiums Tübingen zum Thema Umgang mit Diabetes an den Gymnasien und nun auch in der Projektgruppe Diabetes dabei, Ulrike Eiler ist eine an das RP abgeordnete Lehrkraft, die Lehrkräfte und Eltern zur schulischen Inklusion berät und in der Projektgruppe des Kreisgesundheitsamtes für Anorexia nervosa im Kindes- und Jugendalter teilnimmt. Dr. Stefan Meißner ist am RP Ansprechpartner für das Thema chronische Erkrankungen und Beeinträchtigungen und arbeitet im Projekt Depression mit.
Das Projekt der drei Landkreise solle dazu dienen, in einer Zeit steigender Krankheitszahlen den Ist-Zustand abzustecken, einen Soll-Zustand zu definieren und die beteiligten Partner besser zu vernetzen. Die Zahl der erkrankten Kinder und Jugendlichen sei gerade bei Diabetes stark ansteigend, ohne, dass ein Grund dafür bekannt sei, so Bettina Bündgen. So leide heute eine von 800 Personen an Diabetes Typ I, das bedeute, dass statistisch an jeder Schule ein erkrankter Schüler sei. Auch bei der Depression, so Dr. Stefan Meißner, sei die Zahl der Erkrankten stark steigend – im Landkreis RT seien 355 Personen unter 20 Jahren von Depression betroffen und dabei gebe es noch eine nicht berücksichtigte Dunkelziffer. Das Problem sei häufig, dass Erschöpfungsdepressionen, das sogenannte „Burnout“ heute gesellschaftliche Akzeptanz genössen, bei einer Depression wegen Tod und Leid dürften die Erkrankten auf wenig Empathie hoffen. Anorexia nervosa sei eine Erkrankung, die vor allem im Jugendalter vorkomme, aber auch immer mehr Kinder betreffe, so Ulrike Eiler. Auffallend bei Magersucht sei der hohe Anteil weiblicher Erkrankter, wobei nicht aus dem Blick geraten sollte, dass jeder zehnte Magersüchtige männlich sei.
Im Oktober 2016 haben bei allen drei Krankheitsbildern die ersten Gespräche stattgefunden, die den Ist-Zustand feststellen sollten. Während beim Diabetes und bei der Depression alle Altersstufen berücksichtigt wurden, wurde bei Anorexia nervosa vor allem das Jugendalter in den Blick genommen. Bei den Erörterungen in der Projektgruppe für Anorexia nervosa zeigte sich als großes Problem, dass nicht genügend Therapieplätze zur Verfügung stünden.
Schon heute kann die Schule chronisch kranken Schülerinnen und Schülern verschiedene Hilfsangebote machen: So ist eine Beschulung in Kliniken gang und gäbe, wenn die Gesundheit es zulässt. Dasselbe gilt für den Hausunterricht, der vom zuständigen Schulleiter für ein krankes Kind gewährt werden kann. Häufig wird für chronisch Kranke ein Nachteilsausgleich beantragt, der z.B. die Form einer Zeitverlängerung in Klassenarbeiten haben kann. Auch bei Dialysepatienten ist ein Unterricht während der lang dauernden Sitzung heute möglich, so Bündgen. Grundsätzlich sei es so, dass die Schüler schon bei einem Minimum von 40 besuchten Schultagen in der Schule oder in der Klinik bereits ein Anrecht auf ein Jahrgangszeugnis haben. Momentan in Erprobung sei eine Verstärkung des E-Learnings für autistische Kinder als Zuschaltung zum Unterricht zum Beispiel via Skype oder Teilnahme über die landesweit eingerichtet E-Learning-Plattform Moodle, die jeder Schule zur Verfügung steht, führte Stefan Meißner aus.
Für die Zukunft wünschen sich alle drei Fachkollegen eine engere Zusammenarbeit mit den angrenzenden Partnern wie Schulsozialarbeit, Beratungslehrern und Ärzten. Die Unterstützungssysteme sollten allen Beteiligten besser bekannt sein. Ideal wäre ein niederschwelliger Zugang für Schülerinnen und Schüler – hier wäre eine Schulkrankenschwester, an die sich die Schülerinnen und Schüler auch ohne Krankenkassenkarte wenden können, ein probates Mittel. Auch über Raumprogramme wird man sich Gedanken machen müssen – bei steigenden Erkrankungszahlen benötigt man Therapie-, aber auch Rückzugsräume für die Schüler. Schon heute ist die Versorgung der Diabetes-Patienten unter den Schülerinnen und Schülern gut geregelt und die Lehrer, die auch freiwillig Notfallmedikamente geben möchten, sind rechtlich abgesichert. (Link zur Verwaltungsvorschrift)
Einig sind sich alle drei Kollegen: Die Gesundheit geht vor.