Archewiesen, artenreiches Grünland in Baden-Württemberg erhalten
Archewiesen - Schatzkammern finden und öffnen
Das Projekt „Archewiesen“ ist Teil des Sonderprogramms zu Stärkung der biologischen Vielfalt in Baden-Württemberg. Es widmet sich allen Aspekten rund um die Wiederherstellung, Aufwertung und Neuanlage von artenreichem Grünland durch gebietseigenes, lokal gewonnenes Saatgut. Ein Ziel ist es, die europäisch und national geschützten artenreichen FFH-Mähwiesen in Baden-Württemberg flächenhaft zu erhalten und die Artenvielfalt im Grünland insgesamt zu erhöhen.
Zudem legt das Projekt Archewiesen den Grundstein für ein landesweites Spenderflächenkataster.
Das Projekt schafft Anreize für landwirtschaftliche Betriebe, sich mit der Saatgutgewinnung ein neues wirtschaftliches Standbein aufzubauen.
Einführung und Handlungsempfehlungen für die Praxis finden Sie in einer kleinen Broschüre (pdf, barrierefrei).
Kontakt
Projektkoordination
Wilfried Gerlinger
Referat 56
wilfried.gerlinger@rps.bwl.de
Projektmanagement
Karin Weiß, Martin Weiß
weiss-kirchheim@t-online.de
Projektkoordination
Anja Leyk-Anderer
Referat 56
anja.leyk-anderer@rpk.bwl.de
Projektmanagement
Horst Grüllmeier
PG.Natura GbR
buero@gruellmeier-lfs.de
Projektkoordination
Kirsi Fehrenbach
Referat 56
kirsi.fehrenbach@rpf.bwl.de
Projektmanagement
Jochen Kübler
365° freiraum + umwelt
j.kuebler@365grad.com
Projektkoordination
Katrin Voigt
Referat 56
katrin.voigt@rpt.bwl.de
Projektmanagement
Jochen Kübler
365° freiraum + umwelt
j.kuebler@365grad.com
Samen, Samen du musst wandern
Archewiesen sind hochwertige und artenreiche Wiesen, die über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte durch extensive landwirtschaftliche Nutzung entstanden sind. Sie sollen in allen Naturräumen Baden-Württembergs erfasst und für die Zukunft gesichert werden. So können Archewiesen als Spenderflächen dienen, auf denen Samen von Gräsern und Kräutern gewonnen werden. Diese Samen werden in räumlicher Nähe zu den Spenderflächen auf artenarmen Wiesen, den Empfängerflächen, ausgebracht. Dort keimen die Samen und wachsen heran. Im Laufe einiger Jahre entwickelt sich so aus einer artenarmen Wiese eine blumenbunte Wiese mit einer hohen Artenvielfalt!
Bei lokalen Übertragungsverfahren werden die genetische Vielfalt und die Identität der Pflanzenarten in der regionaltypischen Zusammensetzung erhalten. Gerade die genetische Vielfalt ist Voraussetzung, für die Anpassungsfähigkeit von Arten an sich verändernde Lebensraumbedingungen, z.B. durch den Klimawandel.
Auswahl der Flächen, Saatgutgewinnung und Aussaat
Der Ablauf von der Saatgutgewinnung auf der Archewiese (Spenderfläche) bis zum Samenauftrag auf der artenarmen Wiese (Empfängerfläche) muss räumlich, zeitlich und technisch gut geplant sein.
1. Auswahl der Spenderfläche und der Empfängerfläche
Spenderfläche
Als Spenderfläche geeignete artenreiche FFH-Mähwiese
Empfängerfläche
Artenarme Wiesen mit hohem Grasanteil und wenig bunten Blüten
Nach Auswahl einer artenarmen Wiese oder eines Ackers als Empfängerfläche wird in der näheren Umgebung nach einer artenreichen Wiese als Spenderfläche gesucht. Diese sollte möglichst in der gleichen naturräumlichen Haupteinheit (siehe FAQ) liegen. Zur Erleichterung der Suche wird derzeit ein Spenderflächenkataster aufgebaut.
2. Methoden der Saatgutgewinnung auf den Spenderflächen
Im zweiten Schritt werden auf der Spenderfläche die Samen der Gräser und Kräuter gewonnen.
Dazu gibt es verschiedene Methoden: das Druschverfahren, das Bürstenverfahren und die Mahdgutübertragung. Ergänzend kann auch von Hand gesammelt werden.
- Beim Druschverfahren wird Samenmaterial mit einem Mähdrescher ausgedroschen. Das Druschgut kann getrocknet und gelagert oder direkt ausgesät werden.
- Beim Bürstenverfahren werden die Samen ausgebürstet, während die Wiese stehen bleibt. Dieses Vorgehen ist vor allem für niedrigwüchsige Wiesen gut geeignet.
- Bei der Mahdgutübertragung wird der gesamte Aufwuchs gemäht und möglichst ohne Verlust von Samen auf die Empfängerfläche übertragen.
- Bei der Handsammlung können ergänzend ausgewählte Arten zum optimalen Reifezeitpunkt der Samen geerntet werden.
Welches Verfahren gewählt wird, hängt davon ab, welche Maschinen auf der Fläche zum Einsatz kommen können oder wann die Aussaat erfolgen soll.
3. Bodenvorbereitung und Aussaat auf der Empfängerfläche
Die Ansaat etabliert sich auf offenen Böden am erfolgreichsten. Die Bodenvorbereitung auf der Empfängerfläche ist deshalb entscheidend.
- Artenarme Wiesen mit dichtem Bewuchs: tiefe Bodenbearbeitung mit Pflug, Fräse, Kreiselegge oder Grubber, ggf. streifenweise (Abstimmung mit Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörde erforderlich). Anschließend oberflächliche Bodenbearbeitung mit der Kreiselegge, um ein feinkrümeliges Saatbett herzustellen.
- Ackerflächen: je nach Nährstoffgehalt der Ackerböden ist eine Aushagerungsphase durch den Anbau von Feldfrüchten ohne Düngung empfehlenswert. Auf ausgehagerten oder ungedüngten Ackerflächen muss vor der Aussaat ein feinkrümeliges Saatbett hergestellt werden.
Das samenhaltige Material muss gleichmäßig auf der Empfängerfläche verteilt werden. Bei der Mahdgutübertragung geschieht dies mit einem Ladewagen mit Dosierwalze und dem Kreiselheuer. Druschgut und Bürstenmaterial werden vor der Ausbringung portioniert. Die Aussaat sollte an einem windstillen Tag erfolgen.
- Saatgut aus Druschverfahren kann von Hand ausgesät oder mit einem Düngerstreuer verteilt werden.
- Saatgut aus Bürstenverfahren enthält erntebedingt viele lange Halme. Diese sollten entfernt werden, um die Aussaat zu erleichtern. Dies erfolgt in der Regel von Hand.
Fragen und Antworten
Artenreiches Grünland beherbergt teilweise mehr als 50 unterschiedliche Gräser und Kräuter auf kleinstem Raum. Eine Vielzahl von Schmetterlingen, Heuschrecken, Wildbienen und Ameisen findet hier Lebensraum. Von diesen wiederum ernähren sich Reptilien, Vögel und Säugetiere.
Artenreiche Wiesen sind wichtig für den Bodenschutz und die Bodenfruchtbarkeit, für den Wasser- und den Klimaschutz. Je vielfältiger eine Lebensgemeinschaft aufgestellt ist, desto flexibler kann sie auf Umwelteinflüsse reagieren, z.B. den Klimawandel. Nicht zuletzt dienen sie der Erholung in einer blumenbunten, abwechslungsreichen Landschaft.
Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Grünlandarten ist sehr gering, selbst wenn die gewünschten Arten unmittelbar angrenzend vorkommen. Einige Arten breiten sich innerhalb von 10 Jahren maximal um 15 Meter aus. Selbst bei jahrelanger Extensivierung kann es sein, dass Grünlandarten kaum oder nur spärlich in die Bestände einwandern. Dies liegt neben der Ausbreitungsbiologie der Grünlandpflanzen auch an der Verinselung, am fehlenden Biotopverbund und an der Verarmung mancher Landschaftsteile.
Das Bundesamt für Naturschutz empfiehlt für die Ausbringung von Saat- und Pflanzgut die Einteilung Deutschlands in 22 Ursprungsgebiete nach Prasse et al. (2010) zu verwenden. Die naturräumlichen Haupteinheiten nach Meynen & Schmithüsen stellen eine wesentlich feinere Unterteilung dar.
Samenhaltiges Material darf nach § 40 BNatSchG nur innerhalb desselben Ursprungsgebietes ausgebracht werden. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es wünschenswert, dass Spender- und Empfängerfläche nicht nur im gleichen Ursprungsgebiet, sondern auch in der gleichen naturräumlichen Haupteinheit liegen.
Pflanzenarten bilden verschiedene Varianten und Unterarten aus. Diese sind geographisch unterschiedlich verbreitet und haben sich den Lebens- und Naturräumen über lange Zeit angepasst. Durch lokale Übertragungsverfahren wird ein Beitrag zur Bewahrung der regionaltypischen Arten- und Genotypenvielfalt geleistet.
Ursprungsgebiete regionalen gebietseigenen Saat- und Pflanzgutes krautiger Arten
Im Rahmen des Projektes Archewiesen kann das Samenmaterial in der Regel kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Wenn Sie am Projekt teilnehmen und sich einbringen möchten, wenden Sie sich bitte an die untere Naturschutzbehörde oder den Landschaftserhaltungsverband in Ihrem Landkreis.
Empfehlungen hierzu finden Sie im Infoblatt „FFH-Mähwiesen“ (Herausgeber: MLR 2023) (pdf).
Die im Projekt angewandten Methoden können auch im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bei Bauvorhaben und Eingriffen zum Ausgleich eingesetzt werden. Hierfür können ggf. Ökopunkte generiert werden.