FAQ LTMG: Anwendungsbereich
Wie ist das Verhältnis LTMG zum Mindestlohngesetz?
Woher weiß ein Unternehmen, ob im Einzelfall die Vorgaben des LTMG anzuwenden sind?
Gilt das LTMG nur für öffentliche Auftraggeber in Baden-Württemberg?
Warum findet das LTMG nur bei Bau- und Dienstleistungen Anwendung?
Gilt das LTMG auch bei Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte?
Wie grenzt man eine Dienstleistung von der Lieferung ab?
Fallen unter den Begriff der Dienstleistungen auch freiberufliche Leistungen, z. B. nach der VOF?
Warum gilt das LTMG nicht für alle öffentlichen Aufträge?
Wie berechnet man die Schwellenwerte nach dem LTMG?
Bleibt die VOL/A in Baden-Württemberg im Unterschwellenbereich für Kommunen weiterhin nur empfohlen?
Sind auch die Kirchen zur Einhaltung des LTMG verpflichtet?
Sind auch die Krankenhäuser zur Einhaltung des LTMG verpflichtet?
Ist die Beauftragung von Rettungsdiensten vom LTMG erfasst?
Sind öffentliche Aufträge an Justizvollzugsanstalten (JVA) vom LTMG erfasst?
Ist das LTMG auch auf Inhouse-Vergaben anwendbar?
Nein, grundsätzlich nicht. Die Legaldefinition der öffentlichen Aufträge ist jetzt in § 103 GWB (§ 99 GWB alte Fassung) und der Begriff des öffentlichen Auftraggebers ist jetzt in den §§ 99 und 100 GWB (§ 98 GWB alte Fassung) geregelt.
Trotz des Inkrafttretens des Mindestlohngesetzes (MiLoG) zum 1. Januar 2015 ist das LTMG weiterhin zu beachten, d.h. bei öffentlichen Aufträgen ist weiterhin eine Tariftreue- und Mindestentgeltverpflichtung zu fordern und vertraglich durchzusetzen.
Beim LTMG handelt es sich um ein Vergabegesetz. Beim MiLoG hingegen handelt es sich um eine arbeitsrechtliche Regelung. Näheres zum Verhältnis vergabespezifisches Mindestentgelt/bundegesetzlicher Mindestlohn siehe unter
Das LTMG richtet sich unmittelbar an die öffentlichen Auftraggeber in Baden-Württemberg und verpflichtet diese, bei der Vergabe von Aufträgen bestimmte gesetzliche Anforderungen einzuhalten. Die rechtliche Beurteilung, ob es sich um einen öffentlichen Auftraggeber nach § 99 Nr. 1 bis 4 und § 100 GWB handelt und inwieweit bei einem konkreten Auftrag Vorgaben des LTMG zu berücksichtigen sind, obliegt also nicht den Unternehmen, sondern dem öffentlichen Auftraggeber selbst. Für die potentiellen Auftragnehmer sind alle Anforderungen des LTMG aus der Ausschreibung ersichtlich. Sollte die Ausschreibung fehlerhaft oder unvollständig sein, so haften dafür nicht die Unternehmen. Diese haben dafür einzustehen, dass sie die abgegebenen Erklärungen auch tatsächlich umsetzen.
Nach § 2 Abs. 4 LTMG werden Auftraggeber erfasst, die ihren Sitz in Baden-Württemberg haben. Das LTMG gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen über Bau- und Dienstleistungen in Baden-Württemberg.
Das LTMG findet nach § 2 Abs. 1 und 4 LTMG Anwendung bei öffentlichen Aufträgen in Baden-Württemberg durch öffentliche Auftraggeber i. S. der §§ 99 und 100 GWB, dazu gehören vor allem das Land, die kommunalen Auftraggeber und sonstige der Aufsicht des Landes unterstehende juristische Personen des öffentlichen Rechts. D. h. die Tariftreue- und Mindestentgeltverpflichtungen des LTMG gelten in diesen Fällen auch für Unternehmen aus dem Ausland.
Zu etwaigen Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 18.09.2014 (Az. C-549/13) zur Mindestlohnregelung in § 4 Abs. 3 des Tariftreuegesetzes Nordrhein-Westfalen (TVgG-NRW) siehe die entsprechende FAQ.
Bei Lieferleistungen handelt es sich in der Regel um bereits hergestellte Erzeugnisse, so dass Forderungen nach Tariftreue oder Mindestentgelt hier nichts bewirken.
Das LTMG findet auch bei Vergabeverfahren oberhalb der EU-Schwellenwerte Anwendung, wenn es sich um öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg handelt.
Bei der Beurteilung, ob die Kriterien für Dienstleistungen oder „nur“ für Lieferungen zu befolgen sind, ist darauf abzustellen, ob der Schwerpunkt der Gesamtleistung auf der Lieferung eines fertigen Produktes oder auf der mit deren Bereitstellung verbundenen Dienstleistung liegt.
Alle Dienstleistungen, gleich welcher Art, werden vom LTMG erfasst. Dazu zählen auch freiberufliche Leistungen.
Nach § 14 UVgO können Leistungen bis zu einem geschätzten Auftragswert in Höhe von 1.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) unter Berücksichtigung des Haushaltsgrundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne ein Vergabeverfahren beschafft werden (Direktauftrag). Abweichend von § 14 UVgO gilt für die Landeseinrichtungen eine Wertgrenze von 5.000 Euro (ohne Umsatzsteuer). Damit stellt der Direktauftrag kein Vergabeverfahren dar, das LTMG kommt mangels Vergabeverfahren nicht zur Anwendung. Es müssen (lediglich) die Grundsätze des europäischen Primärrechts beachtet werden.
Um den durch das LTMG im Interesse der Wirksamkeit nicht völlig zu vermeidenden bürokratischen Aufwand für die Unternehmen und die öffentlichen Auftraggeber angemessen zu begrenzen, wurde eine Bagatellgrenze von 20.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) festgelegt. Aufträge geringeren Umfangs sind aus dem Anwendungsbereich des LTMG ausgenommen.
Für die Frage, ab wann die im Gesetz angelegten Schwellenwerte hinsichtlich der Auftragssumme erreicht werden, gilt das allgemeine Vergaberecht (vgl. § 3 VgV). Danach ist bei der Schätzung des Auftragswertes vom voraussichtlichen Gesamtwert der vorgesehenen Leistung ohne Umsatzsteuer auszugehen, insbesondere darf der Wert eines beabsichtigten Auftrags nicht in der Absicht geschätzt oder aufgeteilt werden, den Auftrag der Anwendung des LTMG zu entziehen.
Das LTMG trifft keine Regelung für Kommunen bezüglich der Anwendung der UVgO im Unterschwellenbereich. Es gilt hier die Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (VergabeVwV). Danach sind als verbindliche Vergabegrundsätze im Sinne von § 31 Abs. 2 GemHVO von den Kommunen die Teile A, B und C der VOB anzuwenden. Die UVgO wird lediglich zur Anwendung empfohlen.
Bezüglich der Entscheidung, welches Vergabeverfahren anzuwenden ist, führt das LTMG keine Änderungen herbei. Eigene Regelungen zu dieser Frage trifft das Gesetz nicht. Entscheidungen darüber, welche Art von Vergabeverfahren in einem bestimmten Fall durchzuführen ist, sind also auf dieselbe Weise zu treffen wie bisher.
Das LTMG trifft Regelungen für Aufträge, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden. Gemäß § 2 Abs. 4 LTMG ist der Begriff des öffentlichen Auftraggebers identisch mit dem des § 99 Nr. 1 bis 4 und § 100 GwB.
Kirchen sind grundsätzlich keine öffentlichen Auftraggeber im Sinne der §§ 99 und 100 GWB. Auch wenn sie den Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts innehaben, handelt es sich bei den Kirchen nicht um staatliche Untergliederungen oder Einrichtungen; sie erfüllen nicht die Merkmale, die § 99 Nr. 1 und 2 GWB voraussetzt. Das haben Gerichte mehrfach bestätigt. Daher sind die Kirchen weder an das LTMG noch an sonstige Vorschriften des öffentlichen Vergaberechts gebunden. Teilweise bestehen stattdessen kircheninterne Vergaberegelungen.
Nur ausnahmsweise kann gemäß § 99 Nr. 4 GWB eine Bindung an das LTMG und andere Vergabebestimmungen auch für Kirchen eintreten. Das ist der Fall, wenn die Kirche für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Auslobungsverfahren von staatlichen Stellen Mittel erhält, mit denen das Vorhaben zu mehr als 50 % fi-nanziert wird. Dann haben auch Kirchen die Vorschriften des LTMG in vollem Umfang einzuhalten.
Sobald das Land oder die Kommune Träger eines Krankenhauses ist oder an diesen Anteile innehat ist zu prüfen, ob das Krankenhaus öffentlicher Auftraggeber i. S. §§ 99 und 100 GWB ist. Wenn ja, findet das LTMG Anwendung. In aller Regel wird ein Krankenhaus in der Form einer gemeinnützigen GmbH oder einer Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben. Dann hängt es davon ab, ob das Krankenhaus vom Land oder der Kommune beherrscht oder finanziert wird. Es handelt sich hierbei um eine Einzelfallprüfung. In der Regel ist aber davon auszugehen, dass Krankenhäuser öffentliche Auftraggeber nach § 99 Nr. 2 GWB sind. Bei Privatkliniken findet das LTMG grundsätzlich keine Anwendung.
In aller Regel führen die öffentlichen Träger der Rettungsdienste die notwendigen Dienstleistungen nicht selbst durch, sondern beauftragen Leistungserbringer (zumeist Hilfsorganisationen wie DRK, MHD, Johanniter etc.) mit deren Durchführung. In einigen Bundesländern kommt dabei das Submissionsmodell und in anderen das Konzessionsmodell zur Anwendung. Im Rahmen des Submissionsmodells erhalten die Leistungserbringer das Benutzungsentgelt unmittelbar vom Leistungsträger (dem Kreis oder der kreisfreien Stadt), wohingegen im Konzessionsmodell die Leistungserbringer die Höhe der Benutzungsentgelte mit den Sozialversicherungsträgern vereinbaren. In Baden-Württemberg ist das Konzessionsmodel gesetzlich festgeschrieben. Beim Konzessionsmodel fehlt die das öffentliche Auftragswesen prägende direkte Entgeltbeziehung zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Leistungserbringer. Konsequenterweise hat der EuGH festgestellt, dass daher im Rahmen des Konzessionsmodells eine zentrale Voraussetzung des „Dienstleistungsauftrages“ im vergaberechtlichen Sinne - nämlich die Entgeltlichkeit des (öffentlich-rechtlichen) Beauftragungsvertrages (vgl. § 103 Abs. 1 GWB) fehlt. Daher muss die Beauftragung von Rettungsdienstleistungen im Wege des Konzessionsmodells, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden, nicht im Wege förmlicher Vergabeverfahren erfolgen, sofern es sich nicht um Patientenbeförderungen handelt, weil hierfür die Ausnahmeregelung des § 107 GWB gilt. Bei der Vergabe müssen (lediglich) die Grundsätze des europäischen Primärrechts beachtet werden.
JVA sind nach § 8 Abs. 4 UVgO vom Wettbewerb ausgeschlossen, um aufgrund der besonderen Kalkulationsgrundlagen (wegen anderer Arbeitsbedingungen) einen Verdrängungswettbewerb gegenüber gewerblichen Unternehmen zu verhindern.
Nach Sinn und Zweck des LTMG beansprucht das Gesetz nur dort Geltung, wo ein fairer Wettbewerb erreicht werden soll. JVA hingegen verfolgen nicht erwerbswirtschaftliche, sondern sozialpolitische Ziele, und treten somit nicht in den Wettbewerb. Aufträge an JVA werden daher vom LTMG nicht erfasst.
Das LTMG erfasst nach § 2 Abs. 1 zwar alle Aufträge im Sinne des § 103 GWB und damit sowohl Vergaben ab dem EU-Schwellenwert als auch den Unterschwellenbereich, allerdings werden keine Vorgaben für Inhouse-Geschäfte getroffen.
Grundsätzlich sind reine Inhouse-Vergaben - also solche an eigene Unternehmen, über die der öffentliche Auftraggeber eine Kontrolle wie über eigene Dienststellen ausübt und die im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig sind - nach der Teckal-Rechtsprechung des EuGH mangels Außenwirkung keine öffentlichen Aufträge. Die Übertragung einer Aufgabe auf eine rechtlich getrennte, aber im vollen Umfange beherrschte Einheit ist mit der Erbringung durch die öffentliche Stelle selbst gleichzusetzen und daher keine Vergabe im vergaberechtlichen Sinne. Da keine Vergabe erfolgt, ist das LTMG auf solche Inhouse-Verfahren nicht anwendbar.
§ 2 Abs. 4 Satz 1 LTMG bestimmt die öffentlichen Auftraggeber, die die Tariftreue- und Mindestentgeltregelungen des LTMG anzuwenden haben. Danach sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des LTMG öffentliche Auftraggeber in Baden-Württemberg gemäß §§ 99 und 100 GWB. Für Baumaßnahmen ist in § 99 Nr. 4 GWB geregelt, dass als öffentliche Auftraggeber auch natürliche und juristische Personen des Privatrechts gelten, die von öffentlichen Auftraggebern i. S. d. §§ 99 und 100 GWB zu mehr als 50 % finanziert werden.
Nach den VV Nr. 5.4 zu § 44 LHO können über die bestehenden Allgemeinen Nebenbestimmungen (ANBest) hinaus je nach Art, Zweck und Höhe der Zuwendung sowie nach Lage des Einzelfalls weitere sachgerechte Bedingungen und Auflagen vorgesehen und zum Bestandteil des Zuwendungsbescheides gemacht werden. Insoweit ist der Zuwendungsgeber berechtigt nach Maßgabe des LTMG dem Zuwendungsnehmer ergänzend zu den ANBest bei Auftragsvergaben die Anwendung des LTMG aufzuerlegen. Unabhängig davon wird derzeit geprüft, ob nach Sinn und Zweck des LTMG, dieses auch bei der Zuwendungsbewilligung zur Anwendung kommen soll.
Damit öffentliche Auftraggeber in Baden-Württemberg Ausschreibungen auch zusammen mit anderen öffentlichen Auftraggebern, für die dieses Gesetz nicht gilt, vornehmen können, wird in § 2 Abs. 6 LTMG bestimmt, dass sie mit diesen Auftraggebern zunächst eine Einigung über die Anwendung der Vorgaben dieses Gesetzes anstreben müssen. Kann eine solche Einigung nicht erreicht werden, kann auf die Vorgabe von Tariftreuepflicht oder Mindestentgelt ausnahmsweise verzichtet werden. Damit wird gewährleistet, dass auch bei grenzüberschreitenden Ausschreibungen grundsätzlich Tariftreue- oder Mindestentgeltverpflichtungen bestehen. Zugleich wird aber die erforderliche Flexibilität im Einzelfall ermöglicht.
Wird die Leistung eines beauftragten Unternehmens oder Nachunternehmens mit Honorarkräften erbracht, sind bzgl. der Honorarkräfte die Tariftreue- und Mindestentgeltverpflichtungen des LTMG zu beachten.
Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 18. September 2014 (Az. C-549/13) zum TVgG-NRW entschieden, dass vergaberechtliche Mindestlohnregelungen nicht mit EU-Recht vereinbar sind, wenn der Bieter beabsichtigt, den Auftrag ausschließlich durch Inanspruchnahme von Arbeitnehmern auszuführen, die bei einem Nachunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, dem der öffentliche Auftraggeber angehört, beschäftigt sind. Maßgeblich war, dass in dem entschiedenen Fall die Arbeiten ausschließlich in einem anderen EU-Staat erbracht werden sollten als dem Staat des öffentlichen Auftraggebers.
Bieter, die ihren Sitz im EU-Ausland haben und Bieter, deren Nachunternehmen ihren Sitz im EU-Ausland haben, können Angebote auch ohne Mindestentgelterklärung abgeben, wenn sie versichern, dass der Auftrag ausschließlich durch Arbeitnehmer im EU-Ausland ausgeführt werden soll. Entsprechendes gilt auch für Bieter, die ihren Sitz in einem Drittstaat haben und Bieter, deren Nachunternehmen ihren Sitz in einem Drittstaat haben, sofern die Drittstaat Partei eines Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen oder Freihandelsübereinkommens ist, denen die EU unmittelbar oder mittelbar angehört, und der Auftrag ausschließlich durch Arbeitnehmer im Drittstaat ausgeführt werden soll.